Hotelküche aufgestöbert und zur Strecke gebracht - aber er hatte dabei auch einen Gutteil der Inneneinrichtung kaputtgemacht, den Chefkoch und zwei seiner Gehilfen gekratzt und den Schäferhund des Hotelbesitzers so verdroschen, daß das arme Tier sich zwei Tage lang verkrochen hatte.
Lady Grandersmith lachte schallend. »Ach das! Das ist doch längst vergessen. Und wenn nicht - nur keine Sorge. Der Hotelbesitzer ist ein Freund von mir, ich regele das schon. Deine Katze wird ja ganz trübsinnig, wenn du sie dauernd hier im Zimmer gefangenhältst. « »Also, ich weiß nicht... « sagte Mike. Astaroth kam mit steil aufgestelltem Schwanz herangeschlendert, rieb sich an seinen Beinen und blickte ihn flehend an. Dabei miaute er so herzzerreißend, daß Mike sich vornahm, ihn für diese schauspielerische Meisterleistung für die nächste Preisverleihung nominieren zu lassen. »Siehst du? Ich glaube, er versteht mich wirklich! Und jetzt komm. Ich habe Hunger -und dir spendiere ich eine Riesenportion Eis!« Lady Grandersmith ergriff ihn lachend am Arm und zog ihn einfach mit sich. Sie war jetzt keine ertappte Sünderin mehr, sondern wieder ganz die vor Lebenslust sprühende Frau, als die Mike sie kennengelernt hatte. Ehe er es sich versah, hatte sie ihn bereits am Arm hinter sich her und den halben Weg zum Aufzug hingezogen.
»Aber... ich muß wenigstens die Tür... « stammelte Mike, kam aber auch diesmal nicht dazu, seinen Satz zu Ende zu bringen.
»Keine Sorge«, unterbrach ihn Lady Grandersmith. »Yasal! Schließ bitte Mikes Tür - und bring das Kätzchen mit!«
Von der Wand des Flures löste sich eine hochgewachsene, dunkle Gestalt. Yasal und sein Bruder Hasim gehörten so unverzichtbar zu Lady Grandersmith wie ihr Schleierhut und ihre ständige gute Laune. Die beiden schwarzgekleideten Beduinen waren Lady Grandersmith' ständige Begleiter -wie sie selbst sagte, Diener, Köche, Chauffeure, Leibwächter und überhaupt Mädchen für alles in einem. Es waren ziemlich unheimliche Gesellen. Sie trugen lange schwarze Gewänder, und ihre Gesichter verbargen sich hinter schwarzen Tüchern, die nur die Augen freiließen, und Mike hatte niemals einen der beiden reden hören. Sie bewegten sich so lautlos und schnell wie Schatten, was bei Mike immer ein leichtes Frösteln verursachte. Auch jetzt bewegte sich Yasal, ohne das geringste Geräusch zu verursachen. Er glitt auf die Zimmertür zu, zog sie ins Schloß und wandte sich dann um, um sich nach Astaroth zu bücken. Der Kater wich seinen Händen mit einer eleganten Bewegung aus und rannte dann los, um Mike und Lady Grandersmith einzuholen. Er huschte durch die Tür, gerade als sich der Aufzug schloß. Er mochte Yasal und seinen Bruder nicht, das wußte Mike, wahrscheinlich aus demselben Grund wie er. Auch er empfand ein leises Schaudern beim Anblick der hünenhaften, vollkommen schwarzen Gestalt, die sich jetzt herumdrehte und mit raschen Schritten zur Treppe ging, um schneller im Erdgeschoß anzukommen als sie und unten bereits auf den Aufzug zu warten. Irgend etwaswarunheimlich an dem Beduinen.
Unsinn!dachte Mike. Er wurde allmählich wütend auf sich selbst. Er war hier, um Urlaub zu machen und wenigstens einmal für ein paar Tage zu vergessen, daß die Welt für die Erben des legendären Kapitän Nemo zum größten Teil aus potentiellen Feinden bestand. An diesem schwarzgekleideten Beduinen war absolut nichts unheimlich, basta! Wenigstens redete er sich das ein. Es sollten nicht einmal zwölf Stunden vergehen, bis er sich wünschte, mehr auf seine Gefühle gehört zu haben.
Sie trafen Juan und Chris am Swimmingpool des Hotels, ganz wie Astaroth gesagt hatte. Chris planschte wie üblich im Wasser. Juan lümmelte in einem Liegestuhl und hielt ein riesiges Glas Orangensaft in der Hand, aus dem ein Strohhalm herausragte. Er trug nichts als eine Badehose und einen großen Panamahut. Mike grinste flüchtig, als er den Spanier so am Rande des Schwimmbeckens gewahrte. Vermutlich bildete sich Juan ein, besonders weltmännisch auszusehen, aber das Gegenteil war der Fall.Du urteilst wie üblich wieder einmal vorschnell,flüsterte Astaroths Stimme in seinem Kopf.Jeder hat eben seine
Art, sich zu amüsieren. Indem er sich lächerlich macht?
Indem er sich über andere amüsiert, die glauben, daß er sich lächerlich macht,verbesserte ihn Astaroth. Mike warf dem Kater einen schrägen Blick zu, aber er antwortete nicht. Lady Grandersmith war eine zu aufmerksame Beobachterin, um in ihrer Nähe auch nur das geringste Risiko einzugehen, und außerdem mußte er über Astaroths Bemerkung nachdenken -er war nicht ganz sicher, daß er sie wirklich verstanden hatte.Ich habe auch nichts anderes erwartet,sagte Astaroth spöttisch.
»Hallo, Don Juan!« Lady Grandersmith lächelte Juan fröhlich zu, wobei sie dessen mißbilligendes Stirnrunzeln gar nicht zu bemerken schien. Aber Mike wußte, daß ihr selten etwas
entging, schon gar nicht die Tatsache, daß sich Juan darüber
ärgerte, wenn sie ihn so nannte.
»Hallo, Lady Grandersmith«, antwortete er einsilbig. »Mike und ich sind hungrig«, fuhr Lady Grandersmith ungerührt fort. »Wir wollen gemeinsam eine Kleinigkeit essen -habt ihr nicht Lust, uns zu begleiten?« Juan sah nicht so drein, als hätte er zu irgend etwas anderem Lust, als weiter in seinem Liegestuhl zu bleiben, aber jetzt tauchte Chris aus dem Pool auf, stemmte sich prustend aus dem Wasser und nickte als Zustimmung, so daß Juan gar keine Gelegenheit fand, zu protestieren. »Warum nicht?« sagte er statt dessen. »Es wird sowieso Zeit. Singh und Trautman müssen bald zurückkommen. «
Als sie gemeinsam auf das Restaurant zugingen, das auf der anderen Seite des weitläufigen Hotelhofes lag, hatte Mike plötzlich keine Lust mehr, mit Lady Grandersmith zu essen, auch nicht, sich mit ihr zu unterhalten. Er fühlte sich sogar äußerst unbehaglich in ihrer Nähe, und er wußte sofort, warum. Yasal.
Mike hatte bisher noch nie so deutlich gespürt, was für eine unheimliche Atmosphäre ihn umgab, und als er in Juans und Chris' Gesichter sah, glaubte er zu erkennen, daß sie dasselbe fühlten.
»Heute ist möglicherweise unser letzter Tag«, sagte Juan unvermittelt. »Wie?« Mike schreckte hoch.
Juan nickte und wiederholte: »Vielleicht reisen wir morgen früh schon ab. « »Wieso denn das?« fragte Mike.
Juan seufzte. »Trautman hat fast alles beisammen, was er braucht, um unsere Reisevorbereitungen zu treffen. Ihm fehlen nur noch ein oder zwei Kleinigkeiten, und er hofft, daß er sie heute auftreiben kann. Hättest du nicht den halben Vormittag verschlafen, sondern zusammen mit uns gefrühstückt, wüßtest du es. Wir haben heute Morgen darüber gesprochen. « Mike war etwas enttäuscht. Sie hatten zwar nie eindeutig darüber geredet, aber er hatte ganz selbstverständlich angenommen, daß sie länger in Kairo bleiben würden.
»Aber wir haben doch noch gar nichts von der Stadt gesehen!« wandte er ein.
Juan zuckte mit den Schultern und wollte etwas entgegnen, aber Lady Grandersmith kam ihm zuvor: »Es ist schade, daß ihr schon abreisen wollt. Mike hat Recht -ihr habt bisher nichts von Kairo gesehen, ganz zu schweigen von den anderen Sehenswürdigkeiten, die dieses herrliche Land bietet. Seid ihr überhaupt bei den großen Pyramiden gewesen?« Juan schüttelte den Kopf, und Lady Grandersmith sagte: »Also, die müßt ihr euch unbedingt ansehen, bevor ihr die Stadt verlaßt. Kairo zu besuchen, ohne die Pyramiden zu sehen, ist eine Todsünde! Ich werde gleich nachher mit Mister Trautman darüber reden. «