Mike zuckte mit den Achseln. »Ich... weiß einfach nicht, was ich glauben soll«, gestand er. »Und du hast immer noch Angst vor ihnen«, stellte Lady Grandersmith fest. »Weil du glaubst, daß ihnen ein Menschenleben nichts gilt. «
»Yasal hat sich selbst geopfert, um alle Spuren zu verwischen«, sagte Singh. »Und Mike und ich -und nun auch Serena und Sie selbst, Lady Grandersmith, das sollten Sie bedenken, sind die einzigen Menschen, die überhaupt von ihrer Existenz wissen. «
Lady Grandersmith' Miene wurde ernst. »Ich verstehe«, sagte sie. »Ihr habt Angst, daß sie uns alle töten, jetzt, wo sie am Ziel sind. « Sie schüttelte den Kopf. »Ja, ich glaube, ich kann euch verstehen. Aber da ist etwas, was ihr nicht wissen könnt. « »Und was?« fragte Singh.
Statt direkt zu antworten, stellte Lady Grandersmith eine Frage: »Ist euch nicht aufgefallen, daß es an Bord der TITANIC keine Toten gab?«
»Doch«, antwortete Mike überrascht. »Aber woher wissenSiedavon?«
Lady Grandersmith lächelte flüchtig. »Weil ich an Bord war«, antwortete sie. »Ich habe erlebt, was geschah. Das Schiff, das mit der TITANIC zusammenstieß, hatte eine ähnliche Apparatur wie dies an Bord«, sagte sie mit einer Geste auf das lodernde Lichttor. »Als sein Kapitän sah, was geschehen war, da nutzte er all seine Macht und alle Möglichkeiten seines Schiffes, um das Schlimmste zu verhindern. EsgabTote, ja, aber nur einige wenige. Die meisten konnte er retten. « »Retten?« fragte Mike ungläubig. »Aber... aber wie denn?«
Lady Grandersmith deutete abermals auf das Lichttor und fuhr fort. »Auf diesem Wege. Die Maschine und auch das Sternenschiff wurden zerstört, als sie auf dem Meeresboden aufschlugen, und all seine Besatzungsmitglieder fanden den Tod, aber zuvor konnten Hasims Brüder die allermeisten Passagiere retten. « Ihre Stimme wurde leise und traurig. »Die Zeit reichte, um die menschliche Besatzung der TITANIC in Sicherheit zu bringen, aber nicht mehr für ihre Ladung. « Mike begriff nun, was Lady Grandersmith damit gesagt hatte. »Sie... Sie meinen, Sie haben sich selbst geopfert und ihre Aufgabe nicht erfüllt -« »-um das Leben unschuldiger Menschen zu retten, ja«, sagte Lady Grandersmith. Sie lächelte wieder, aber plötzlich sah Mike, daß dieses Lächeln gar nicht ihm galt, sondern auf einen Punkt hinter ihnen gerichtet war. Er drehte sich herum.
Der Zug der Schwarzgekleideten war fast zu Ende. Aus dem Wasser erschienen keine weiteren Gestalten mehr, und auch die Reihe, die auf das leuchtende Tor durch Raum und Zeit zugingen, wurde bereits kürzer. Es mußte fast Mitternacht sein. Nur eine einzelne Gestalt näherte sich Mike, und obwohl sie sich äußerlich nicht von all den anderen unterschied, erkannte Mike sie sofort. Es war Hasim. In einigen Schritten Entfernung blieb er stehen und blickte Mike aus seinen grundlosen, schwarzen Augen an. »Es tut mir leid«, sagte Mike. »Bitte glaube mir. Ich... ich habe dir mißtraut, aber das war ein Fehler. Denkt nicht zu schlecht über uns, wenn ihr nach Hause kommt. «
Hasim blickte ihn weiter an, dann drehte er sich ohne irgendeine sichtbare Reaktion herum und näherte sich als letzter dem leuchtenden Tor.
Als letzter seiner Art, hieß das. Kurz bevor er in das Licht hineintrat, folgte ihm Lady Grandersmith. »Aber was tun Sie denn da?« rief Mike überrascht. »Um Gottes willen, Lady Grandersmith!« Lady Grandersmith blieb noch einmal stehen und sah lächelnd zu Serena, Singh und ihm zurück. »Habt keine Angst um mich«, sagte sie. »Ich begleite sie. Das ist meine Belohnung für meine Hilfe. Ich habe all die Jahre davon geträumt. Und nun lebt wohl!« Mike setzte dazu an, sie noch einmal zurückzurufen, aber Serena legte ihm rasch die Hand auf den Arm. »Laß sie«, sagte sie. »Sie weiß, was sie tut. Und sie wird sehr glücklich sein, dort, wo sie ist, glaub mir. « Nebeneinander verschwanden die beiden Gestalten in dem lodernden Licht, und sie hatten es kaum getan, da begann der Schein schon wieder zu verblassen. Aber eine Sekunde, bevor es endgültig geschah, hörte Mike zum ersten Mal in seinem Leben etwas, von dem er gar nicht gewußt hatte, daß es existierte: Hasims Stimme. Sie erklang direkt in seinem Kopf, und was sie sagte, das sollte er niemals wieder vergessen, denn es war ein Versprechen, das so ehrlich und so fest war wie das, das er Yasal gegeben hatte und ebenso sicher eingehalten werden würde.
Es gibt nichts, was ich dir verzeihen müßte. Du bist, wie deine Art ist, so wie wir sind, wie unsere Art ist. Leb wohl, Menschenkind.
Vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder, denn wir kommen zurück.
Irgendwann. Wir können so viel voneinander lernen - wir von euch und ihr von uns.