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Ein einziger Blick in das Gesicht des Hotelmanagers reichte vollkommen.

Singh und Trautman kamen eine gute halbe Stunde später zurück, und was Trautman ihm zu sagen hatte, das verstand Mike sehr wohl.

Irgendwie war es ihm gelungen, aus dem Hotelrestaurant zu entkommen, ohne vom aufgebrachten Personal oder dem Manager gelyncht zu werden, und sich in sein Zimmer zu flüchten, aber jetzt fragte er sich, ob es vielleicht nicht besser gewesen wäre, in der Küche zu bleiben. Trautman hielt ihm nämlich die schärfste Gardinenpredigt seines Lebens. Mike hatte den grauhaarigen Steuermann der NAUTILUS niemals so zornig erlebt wie jetzt.

»... wirklich mehr Verantwortungsgefühl von dir erwartet!« sagte Trautman gerade. »Du bist wirklich alt genug! Und nach dem letzten Vorfall habe ich dir doch deutlich gesagt, daß Astaroth hier im Zimmer zu bleiben hat!«

»Aber ich -« begann Mike, wurde aber sofort von Trautman unterbrochen:

»Dir ist anscheinend nicht klar, was ihr getan habt! Ich war von Anfang an dagegen, hierherzukommen, und wie es aussieht, hatte ich damit nur zu Recht. « Das stimmte. Mike und die anderen -allen voran Serena -hatten ihre gesamte Überredungskunst aufbieten müssen, um von Trautman die Erlaubnis zu diesem Ausflug nach Kairo zu bekommen. Trautman war zwar nicht der Kapitän des Schiffes, auch nichtder Anführer der Gruppe -so etwas gab es nicht -, aber als Ältester hatte er doch automatisch die Verantwortung für sie alle übernommen, und nach ihrem letzten Versuch, irgendwo wie normale Menschen an Land zu gehen, der in einer Katastrophe und um ein Haar mit der Vernichtung der NAUTILUS geendet hatte, litt er geradezu unter der panischen Angst, entdeckt zu werden. »So schlimm war es doch gar nicht«, wiederholte Mike. Die Worte klangen nicht einmal in seinen eigenen Ohren überzeugend, aber er fuhr trotzdem fort: »Es ist doch kaum etwas passiert. Ein bißchen Geschirr ist zu Bruch gegangen, aber niemand wurde verletzt. Die Leute haben schallend gelacht. «

»Gelacht?!« Trautmans Augen wurden groß, und sein Gesicht sah aus, als träfe ihn jeden Moment der Schlag. »Mein lieber junger Freund, ich kann dir versichern, daß der Hotelmanager nicht gelacht hat! Und was die anderen angeht... Wir erregen sowieso schon genug Aufsehen, auch ohne daß du für einen Skandal sorgst, über den spätestens morgen ganz Kairo spricht. «

»Wie meinen Sie das?« erkundigte sich Mike. Trautman atmete hörbar ein und fuhr dann mit etwas ruhigerer Stimme fort: »Nun, Singh und ich sind die letzten drei Tage in den Basaren unterwegs gewesen. Man spricht dort über uns. Ein alter Mann, ein Inder und fünf Halbwüchsige, die in einem der besten Hotels der Stadt absteigen und von denen niemand weiß, wer sie sind und woher sie kommen, erregen nun einmal Aufsehen. Vor allem in diesen Zeiten. « »Aber wir sind doch nur ganz normale Touristen!« entgegnete Mike.

Trautman lachte auf. »Draußen in der Welt herrscht Krieg«, sagte er. »Jeder mißtraut jedem. Die Leute hier fangen bereits an, Fragen zu stellen. Ich möchte so etwas wie in England nicht noch einmal erleben. Wir haben nämlich das Glück keineswegs gepachtet, weißt du? Das nächste Mal könnte es anders ausgehen. « Mike schwieg. Bis jetzt hatte Trautman es noch nie so offen ausgesprochen, aber Mike hatte gewußt, wie sehr ihn die Geschichte am Polarkreis mitgenommen hatte. Für Trautman waren sie wohl alle -selbst Serena -so etwas wie seine Kinder. Er redete niemals viel von seiner Vergangenheit, aber Mike wußte, daß er der älteste und wahrscheinlich einzige noch lebende Freund seines Vaters war und daß er es sich zur Aufgabe gemacht hatte, nicht nur die NAUTILUS, sondern auch ihn, Mike, Kapitän Nemos Sohn, zu beschützen. Aber er begann sich zu fragen, ob Trautman diese Aufgabe nicht etwas zu ernst nahm.

Gerade als Mike überlegte, wie er diesen Einwand in möglichst diplomatischer Form vorbringen konnte, wurde an die Tür geklopft. Trautman fuhr zusammen, und Ghunda Singh, der bisher mit vor der Brust verschränkten Armen schweigend an die Wand gelehnt dagestanden hatte, spannte den Körper an. Die beiden tauschten einen raschen Blick, dann wandte sich Trautman um und ging zur Tür, während sich der Inder so postierte, daß er von dem Hereinkommenden nicht gleich gesehen werden konnte. Das Klopfen wiederholte sich, als Trautman die Hand nach dem Türgriff ausstreckte, und diesmal klang es eindeutig energischer. Aber draußen standen weder der Hotelmanager noch die Polizei, sondern Lady Grandersmith. Ohne auf eine entsprechende Aufforderung zu warten, ging sie an Trautman vorbei ins Zimmer, dicht gefolgt von einer ganz in Schwarz gekleideten, hochgewachsenen Gestalt. Eine zweite gleichartige Gestalt stand draußen auf dem Korridor, machte aber keine Anstalten, den beiden zu folgen. »Mylady?« Trautman deutete ein Kopfnicken an, und seine Stimme klang einigermaßen freundlich, aber seine Augen verrieten ihn. Der Ausdruck darin machte klar, daß er nicht besonders begeistert über die Störung war.

Lady Grandersmith ließ sich allerdings davon nicht beeindrucken. Sie marschierte einfach an ihm vorbei und steuerte auf Mike zu. »Mike! Wie ich sehe, bist du ja noch wohlauf und das Miezekätzchen auch!« DasMiezekätzchenblinzelte irritiert zu Lady Grandersmith hoch, enthielt sich aber jeden Kommentars. Was Mike ein wenig erstaunte. Normalerweise reagierte Astaroth ziemlich allergisch darauf, so genannt zu werden.

»Ja«, knurrte Trautman. »Obwohl ich ziemliche Lust dazu hätte, einen Käfig für dasMiezekätzchenzu besorgen und es für den Rest unseres Aufenthaltes hier darin einzusperren. «

Lady Grandersmith' Gesicht wurde ernst, und sie drehte sich zu Trautman herum. »Es tut mir leid, Mister Trautman«, sagte sie in verändertem Tonfall. »Ich habe mit dem Hotelmanager gesprochen. Ich habe mit Engelszungen geredet, aber ich konnte ihn nicht überzeugen. Ich fürchte, ihr müßt das Hotel verlassen. « »Verlassen?« wiederholte Mike verblüfft. »Sie werfen uns raus«, bestätigte Trautman. »Ich habe zwar alles versucht und Lady Grandersmith auch, wie du gehört hast, aber der Hoteldirektor besteht darauf, daß wir ausziehen, und zwar sofort. « »Sofort? Aber wir wollten doch morgen sowieso -« »Nicht morgen«, unterbrach ihn Trautman. »Jetzt. Innerhalb der nächsten Stunde. Juan und Chris sind schon dabei, ihre Sachen zu packen. « »Dann ziehen wir eben in ein anderes Hotel«, sagte Mike.

»So einfach ist das nicht«, antwortete Trautman düster. »Es ist Hochsaison. Die Stadt ist so gut wie ausgebucht, und außerdem habe ich einer ganzen Anzahl von Leuten diese Adresse hier gegeben. Du weißt ja, daß ich noch gewisse Einkäufe tätigen muß. Das meiste habe ich mittlerweile bekommen, aber das eine oder andere wird noch hierhergebracht. «

»Vielleicht kann ich Ihnen da helfen«, sagte Lady Grandersmith. »Ich besitze ein Haus in der Nähe Kairos. Es ist groß genug, und es ist ausreichend Personal da. Sie und Ihre jungen Freunde können gerne dort wohnen, bis Sie Ihre Besorgungen erledigt haben. Ich werde Hasim hier lassen. Er wird alles, was für Sie angeliefert wird, zuverlässig weiterleiten. «

Trautman zögerte. Es war ihm anzusehen, daß ihm Lady Grandersmith' Vorschlag nicht gefiel. »Das Haus liegt übrigens ganz in der Nähe der Pyramiden«, fuhr Lady Grandersmith fort. »Ich habe den Kindern versprochen, sie heute Abend dorthin zu begleiten. Auf diese Weise könnten wir das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden. «

»Die Pyramiden?« wiederholte Trautman verständnislos. Offenbar war ihm bisher noch gar nicht klargeworden, daß sie sich ganz in der Nähe eines der phantastischsten Bauwerke der Welt befanden. »Kairo zu besuchen, ohne die Pyramiden zu sehen, ist eine Sünde«, sagte Lady Grandersmith. »Geben Sie sich einen Ruck, Mister Trautman. Die Kinder werden sich freuen, und was Ihre Einkäufe angeht, so wird Hasim Ihnen nach Kräften helfen. « Plötzlich lächelte sie ein wenig spöttisch. »Sie hätten mich ohnehin schon viel eher fragen sollen. Hasim ist der geborene Händler. Wenn er Sie auf den Basar begleitet, sparen Sie garantiert ein hübsches Sümmchen. «