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Trautman kämpfte noch einen Moment mit sich, aber dann nickte er schließlich widerstrebend. »Wie die Dinge liegen, haben wir ja wohl keine andere Wahl«, sagte er. Zu Mike gewandt, fügte er hinzu: »Auch wenn ich keinen Hehl daraus machen will, daß es mir nicht gefällt, dich für den Vorfall von heute morgen auch noch zu belohnen. «

Es klopfte wieder, und diesmal wurde die Tür geöffnet, noch bevor sich Trautman ganz herumgedreht hatte, und Serena und Ben traten ein. Von Ben waren allerdings nur die Beine zu sehen -sein Oberkörper war hinter einem gewaltigen Berg von Kartons und Tüten verschwunden, den er auf ausgestreckten Armen vor sich her balancierte.

Serena lief an Trautman vorbei auf Mike zu. »Mike! Du glaubst gar nicht, was ich Wundervolles -« Siebrach mitten im Satz ab. Mit leiser Überraschung sah sie Lady Grandersmith an, doch als ihr Blick auf die in Schwarz gekleidete Gestalt hinter der Lady fiel, erschien ein Ausdruck des Schreckens auf ihrem Gesicht. Es war nicht das erste Mal, daß Serena so auf Yasal oder dessen Bruder Hasim reagierte. Mike hatte sie ein paar Mal darauf angesprochen, aber nie eine ausreichende Antwort bekommen, doch er zweifelte keine Sekunde daran, daß Serena regelrecht Angst vor den beiden hatte. Sie hatte zwar seit ihrem Abenteuer in der Stadt auf dem Meeresgrund all ihre magischen Fähigkeiten eingebüßt, die einen Teil ihres Erbes als Prinzessin von Atlantis ausmachten, aber sie war trotzdem noch sehr viel sensibler als die meisten Menschen. »Oh«, sagte sie. »Lady Grandersmith. Ich wußte nicht, daß Sie hier sind. «

Lady Grandersmith lächelte, aber es wirkte ein bißchen verlegen. Serena hatte sich bereits wieder in der Gewalt, aber ihr Erschrecken bei Yasals Anblick war nicht zu übersehen gewesen. Vermutlich war es Lady Grandersmith peinlich, daß der Anblick ihres Leibwächters anderen Menschen Furcht einflößte. »Mister Trautman und ich hatten etwas zu besprechen«, antwortete sie ausweichend. »Aber nun muß ich gehen. Ich habe noch eine Menge Vorbereitungen zu treffen. « Sie wandte sich direkt an Trautman: »Sagen wir, in einer halben Stunde, unten beim Empfang? Oder brauchen Sie mehr Zeit?«

»Eine halbe Stunde?« fragte Serena. »Wozu?« »Um zu packen«, antwortete Trautman mit einem schrägen Blick in Mikes Richtung. »Wir reisen heute schon ab. Frag Mike, weshalb. Er kann es dir besser erzählen als ich. «

Mike schrumpfte unter seinen Blicken ein wenig zusammen, während auf Lady Grandersmith' Lippen ein gutmütiges Lächeln erschien.

»He! Könnte mir vielleicht jemand irgend etwas abnehmen?« Bens Stimme drang nur dünn durch den Kartonstapel, den er noch immer vor sich trug. Niemand reagierte. »Also in einer halben Stunde unten am Empfang«, wiederholte Lady Grandersmith. »Und jetzt entschuldigen Sie mich, Mister Trautman. Ich werde versuchen, einen Wagen zu besorgen, der uns alle in mein Haus bringt. Keine Sorgen wegen der dummen Geschichte von vorhin. Ich bringe das schon in Ordnung. « Sie ging zur Tür. Singh öffnete ihr, und Yasal schloß sich seiner Herrin schweigend an. Während Lady Grandersmith das Zimmer verließ, machte der Beduine einen Bogen um Ben, aber in diesem Moment begann der junge Engländer unter seiner Last zu wanken. Yasal versuchte ihm auszuweichen, doch Ben stolperte gegen den Beduinen, und einige der Kartons, die sich auf seinen Armen stapelten, gerieten ins Rutschen. Serena stieß einen erschrockenen Laut aus, und Mike machte instinktiv eine Bewegung, um zuzugreifen, aber er schaffte es nicht. Einige der sorgsam in Geschenkpapier eingeschlagenen und mit Schleifen versehenen Kartons rutschten zur Seite und stürzten zu Boden. In diesem Moment geschah etwas Unheimliches. Yasal schien zu einem Schatten zu werden, der so schnell vibrierte, daß seine Umrisse zu verschwimmen begannen. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, aber als er wieder er selbst war, da hatte er alle vier Kartons sicher in seinen Armen. Mike starrte den Beduinen fassungslos an. Auch Ben blickte ungläubig zu der schwarzen Gestalt hoch, von der nur die Augen unter dem schwarzen Turban sichtbar waren, und zwischen Serenas hellblonden Augenbrauen war eine steile Falte erschienen. Trautman blinzelte. »Das war aber knapp«, sagte Lady Grandersmith fröhlich. »Du solltest die Kartons absetzen, Ben, bevor noch etwas herunterfällt und kaputtgeht. « »Aber... aber... aber wie hat er das gemacht?« murmelte Ben verblüfft. Lady Grandersmith lachte. Bens Erstaunen amüsierte sie ganz offensichtlich. »Er ist ziemlichschnell, nicht wahr? Und das ist nicht die einzige Überraschung, die er und Hasim bereit haben. «

Und damit ging sie. Yasal setzte die Kartons neben Ben auf den Boden und folgte ihr, und draußen auf dem Gang schloß sich ihnen auch sein Bruder Hasim an. Mike starrte den beiden nach, bis sie im Aufzug verschwunden waren. Ein unheimliches, diesmal fast beängstigendes Gefühl breitete sich in ihm aus. Was hatte Lady Grandersmith gesagt?Und das ist nicht die einzige Überraschung, die sie bereit haben?Er war nicht sicher, ob er wissen wollte, was Lady Grandersmith damit gemeint hatte.

Lady Grandersmith war gerade gegangen, als es erneut an der Tür klopfte. Diesmal stand eine ganze Abordnung des Hotelpersonals draußen auf dem Gang, die den Auftrag hatte, Mike und den anderen dabei behilflich zu sein, ihre Sachen zu packen und die Zimmer zu räumen. Offensichtlich konnte der Hotelmanager sie nicht schnell genug loswerden.

Noch vor Ablauf der vereinbarten halben Stunde standen sie alle mit einem gewaltigen Berg aus Koffern, Kisten, Tüten, Paketen und Päckchen (das allermeiste davon gehörte Serena) im Foyer des Hotels und warteten auf Lady Grandersmith. Trautman hatte darauf bestanden, für ihre letzten Momente hier im Hotel gewisse Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Sie bestanden aus einem geflochtenen Katzenkorb (den Astaroth in ungefähr einer Sekunde hätte sprengen können) und einer zehnminütigen Standpauke, die Trautman dem Kater gehalten hatte. Sie mußte wohl sehr eindringlich gewesen sein, denn zur allgemeinen Überraschung war Astaroth widerspruchslos in den Korb gehüpft, ehe Mike sein Zimmer verließ.

Die halbe Stunde ging vorüber, ohne daß sich eine Spur von Lady Grandersmith zeigte. Sie warteten fünf Minuten, zehn, schließlich eine Viertelstunde. Trautman schickte einen Hotelboy hinauf zu Lady Grandersmith' Zimmer, aber dieser kam schon nach wenigen Minuten unverrichteter Dinge zurück. Kurz darauf erschien der Hotelmanager selbst, um mit Trautman zu sprechen, und Mike sah sich und die anderen bereits mit dem gesamten Gepäck auf der Straße sitzen. Bevor es jedoch soweit kommen konnte, fuhr draußen schnaufend und klappernd ein Lastwagen vor. Er sah aus, als ob er mindestens hundert Jahre alt wäre, und bestand fast ausschließlich aus Rostschutzfarbe, Schmutzflecken, nachträglich eingesetzten Blechen, ausgebesserten Stellen und Flecken aller möglichen Farben. Gut die Hälfte der Windschutzscheibe fehlte, und das Geländer rings um die Ladefläche schien ungefähr hundert Generationen junger Termiten als Trainingslager gedient zu haben. Der Motor hustete und keuchte, und aus dem Auspuff quollen schwarze, fettige Qualmwolken, die wahrscheinlich noch am anderen Ende der Stadt zu riechen sein mußten. Ein kleiner, in einen bunten Kaftan gekleideter Mann sprang heraus undbewegte sich zielstrebig auf den Empfang zu. »Au weia!« sagte Ben. »Mir schwant Übles. Diese Klapperkiste ist doch nicht etwa der Wagen, von dem Lady Grandersmith gesprochen hat?« Aber genau das war er. Trautman beendete seine Diskussion mit dem Manager und kam zu ihnen. »Also, jeder schnappt sich einen Koffer und trägt ihn zum Wagen«, sagte er. »Je eher wir hier wegkommen, desto besser. «