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Er legte ihr den Beutel Gold langsam in den Schoß. Sie ließ ihn die ganze Zeit nicht aus den Augen. Er zog seine leere Hand zurück. Ihr Blick blieb auf dem Geldbeutel haften, als wäre er ein wildes Tier, das zuschnappen könnte.

»Ist es sehr gefährlich?« fragte sie schließlich mit schwacher Stimme.

Zedd lächelte, als sie die Augen hob. »Nicht gefährlicher als ein Nachmittagsspaziergang in einer Palastburg.«

Reflexartig faßte sie sich an den Unterleib, dorthin, wo die Wunde gewesen war. Sie hob den Kopf und schaute durch die weiten, prächtigen Hallen, als suchte sie dort eine Fluchtmöglichkeit oder als befürchtete sie einen weiteren Angriff. Sie sprach, ohne ihn anzusehen.

»Meine Großmutter war ebenfalls Seherin und die einzige, die mir den Weg gewiesen hat. Einmal erzählte sie mir, die Visionen würden mir lebenslang Schmerzen bereiten, und es gäbe nichts, mit denen ich sie jemals würde unterbinden können. Sie meinte, sollte sich mir eine Chance bieten, diese Visionen für einen guten Zweck einzusetzen, dann sollte ich diese Gelegenheit beim Schöpf packen, und das würde mir einen gewissen Trost für all die Last bieten. An jenem Tag legte sie den Stein in meine Hand.«

Jebra nahm den Beutel und legte ihn zurück in Zedds Schoß. »Ich werde es nicht für alles Gold D’Haras tun. Aber für Euch.«

Zedd lächelte und tätschelte ihre Wange. »Danke, Kind.« Er legte das Gold abermals zurück in ihren Schoß. Die Münzen klimperten leise. »Du wirst es brauchen. Du wirst Auslagen haben. Der Rest gehört dir. Ich möchte es so.«

Sie nickte resigniert. »Was muß ich dafür tun?«

»Nun, zuerst müssen wir beide mal ausschlafen. Du wirst ein paar Tage ruhen müssen, um wieder zu Kräften zu kommen. Und dann wirst du auf Reisen gehen müssen, Lady Bevinvier.« Er mußte lächeln, als er sah, wie sie erstaunt die Stirn runzelte. »Wir sind beide im Augenblick sehr müde. Morgen, wenn ich ausgeruht bin, muß ich in einer wichtigen Angelegenheit abreisen. Bevor ich aufbreche, werden wir das Weitere besprechen. Doch im Augenblick möchte ich dich bitten, den Stein nicht dort zu tragen, wo man ihn sehen kann. Es kann nichts Gutes dabei rauskommen, den Augen in den Schatten deine Fähigkeiten unnütz zu verraten.«

»Mein neuer Arbeitgeber wird mich also auch heimlich anstellen? Das ist nicht gerade sehr ehrenvoll.«

»Die, die dich jetzt erkennen könnten, haben es nicht auf Gold abgesehen. Sie sind Diener des Hüters. Sie wollen ganz etwas anderes als Gold. Wenn sie dich entdecken, wirst du dir wünschen, ich hätte dich heute nicht gerettet.«

Sie zuckte zusammen, dann endlich nickte sie.

4

Zedd stützte sich mit einer Hand auf sein Knie und erhob sich. Er half Jebra auf. Wie erwartet, konnte sie nicht stehen, ohne sich kräftig auf ihn zu stützen. Sie entschuldigte sich dafür, so eine Last zu sein. Dann mußte sie lächeln, als er ihr erzählte, das würde ihm gar nichts ausmachen, weil er so nämlich seinen Arm um die Hüften eines hübschen Mädchens legen könnte.

Allmählich kehrten die Menschen wieder an ihre Arbeit zurück. Ihre Blicke schweiften hektisch im Palast herum, der ihnen plötzlich nicht mehr ganz so sicher erschien. Den Verletzten hatte man fortgeholfen, die Toten weggeschafft. Dienstmägde in schweren Röcken wischten unter Tränen das Blut auf und klatschten Mops in das sich rot verfärbende Wasser. Überall hatten Soldaten der Ersten Rotte Stellung bezogen. Zedd winkte Kommandant Trimack auf der anderen Seite der Halle zu sich.

»Ich bin jedenfalls froh, von hier fortzukommen«, meinte Jebra. »Ich habe Auras hier gesehen, bei denen mir im Schlaf der Schweiß ausbricht.«

Während der Offizier zu ihnen herüberkam, fragte Zedd: »Hast du irgend etwas von diesem Mann gesehen, der jetzt auf uns zukommt?«

Sie betrachtete ihn einen Augenblick, während er sich ihnen mit großen Schritten näherte und dabei die Aufstellung seiner Männer überprüfte. »Eine schwache Aura. Pflichtgefühl.« Sie starrte ihn stirnrunzelnd an. »Es war ihm immer eine Last. Jetzt hofft er darauf, daß es ihn mit etwas Stolz erfüllt. Hilft Euch das weiter?«

Zedd lächelte zögernd. »Das tut es. Irgendwelche Visionen?«

»Nein. Bloß die schwache Aura.«

Der Zauberer nickte gedankenverloren, dann hellte sich seine Miene auf. »Wieso hat eine derart entzückende Frau wie du eigentlich noch keinen Mann gefunden?«

Sie sah ihn schräg von der Seite an. »Drei haben um meine Hand angehalten. Sie knieten schon vor mir nieder, als ich in einer Vision von ihnen sah, wie sie bei einer anderen Frau lagen.«

Zedd grinste. »Haben sie dich gefragt, warum du nein gesagt hast?«

»Ich habe gar nicht nein gesagt. Ich habe ihnen nur eine derart deftige Ohrfeige verpaßt, daß es ihnen in den Ohren geklingelt hat wie eine Glokke.«

Zedd lachte, und schließlich fiel sie in sein Lachen ein.

Dann stand Trimack vor ihnen. »Kommandant General Trimack, darf ich Euch Lady Bevinvier vorstellen?« Trimack verbeugte sich zackig. »Diese Lady gehört wie Ihr und wie ich zu denen, deren Aufgabe es ist, zu verhindern, daß das Unheil einen Blick auf Lord Rahl werfen kann. Ich möchte, daß man ihr eine ständige Leibwache zuteilt, wann immer sie sich im Palast aufhält. Lord Rahl braucht ihre Hilfe, und ich möchte, daß ihr Leben nicht, wie heute geschehen, noch einmal in Gefahr gerät.«

»Solange sie sich im Palast aufhält, wird sie so sicher sein wie ein Säugling in den Armen seiner Mutter. Bei meiner Ehre.« Er machte kehrt und trommelte einen Code auf seine Schulter. Gut zwei Dutzend Männer der Ersten Rotte stürzten sofort herbei und erstarrten, kaum außer Atem, in Habtachtstellung. »Diese Dame hier ist Lady Bevinvier. Jeder von euch steht mit dem Leben für sie ein.«

Wie ein Mann schlugen sich alle mit der Faust vor die gepanzerte Brust, daß es nur so knallte. Zwei von ihnen nahmen Zedd seine Last ab. Jebra hielt den Stein fest mit einer Hand umklammert. Der Beutel mit dem Gold lag sichtlich schwer in einer Tasche ihres langen, grünen Rocks, welcher über und über mit inzwischen getrocknetem Blut besudelt war.

Zedd wandte sich an die Männer, die sie stützten. »Sie benötigt ein angemessenes Quartier, außerdem müssen ihr die Mahlzeiten gebracht werden. Bitte sorgt dafür, daß niemand außer mir ihre Ruhe stört.« Er sah Jebra in die müden blauen Augen und legte ihr die Hand sachte auf den Arm. »Ruh dich gut aus, mein Kind. Ich werde morgen früh bei dir vorbeischauen.«

Sie lächelte schwach. »Ich danke Euch, Zedd.«

Die Soldaten halfen ihr fort, und Zedd wandte sich an Trimack. »Hier im Palast wohnt eine Frau, eine gewisse Lady Ordith Condatith de Dackidvich. Lord Rahl wird es nicht gefallen, ihresgleichen um sich zu haben. Ich möchte, daß sie noch vor dem Abend von hier verschwunden ist. Sollte sie sich weigern, stellt sie vor die Wahl zwischen einer Kutsche und dem Strick.«

Trimack grinste voller Häme. »Ich werde mich persönlich darum kümmern.«

»Wenn Ihr noch andere ihres Schlags im Palast kennt, so fühlt Euch frei, ihnen das gleiche Angebot zu unterbreiten. Ein neuer Herrscher bringt Veränderungen mit sich.«

»Manche Menschen mögen keine Veränderungen, Zauberer Zorander.«

Der Mann hatte mehr gemeint, als seine schlichten Worte ausdrückten. »Habt Ihr innerhalb des Palastes noch Vorgesetzte? Abgesehen von Lord Rahl?«

Trimack verschränkte die Hände hinter dem Rücken und ließ den Blick durch die Halle schweifen. »Es gibt da jemanden namens Demmin Nass, Befehlshaber der Quadrone, dem alle bis auf Darken Rahl unterstanden haben.«

Zedd stieß einen schweren Seufzer aus, als er sich an ihn erinnerte. »Der ist tot.«

Trimack nickte, eine Geste, die man als Erleichterung ansehen mochte. »Unterhalb des Palastes sind in den Kammern der Hochebene vielleicht dreißigtausend Mann der Armee untergebracht. Deren Generäle stehen im Feld über mir, doch im Palast ist das Wort des kommandierenden Generals der Ersten Rotte Gesetz. Einige der Generäle werden die Änderungen begrüßen, wie ich weiß. Andere dagegen nicht.«