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Die anderen sahen Brazil an.

»Ich glaube nicht, daß uns etwas anderes übrigbleibt«, meinte er. Als er sah, daß Hain immer noch die Pistole zückte, sagte er:»Stecken Sie die Knallbüchse weg, bis wir uns besser auskennen. Hat keinen Sinn, sich selber abknallen zu lassen.«

Sie traten auf das Band, das nicht anfuhr, als sie aufstiegen, sondern erst in Bewegung geriet, als ihr fremder Gastgeber auf das Geländer schlug. Zum ersten Mal konnten sie Lärm hören — riesenhafte Gebläse, so schien es, die in dem Riesenbau hallten. Das Band selbst summte elektrisch.

»Ah — essen Sie, was wir essen?«rief Hain.

Das Wesen lachte.

»Nein, nicht mehr, aber keine Sorge, Kannibalen gibt es hier auch keine. Jedenfalls keine vom Typ Einundvierzig wie ihr. Aber ich glaube, wir können etwas zu essen beschaffen — und zwar richtiges Essen, vielleicht für jeden außer Nate zum erstenmal in seinem Leben.«

Sie fuhren mit drei Bändern, bis sie eine Plattform erreichten, die viel größer war als alle anderen. Hier wölbten und krümmten sich die Wände vom Schacht fort. Brazil konnte sehen, warum das von weitem nicht erkennbar gewesen war.

Sie folgten dem Schlangenmann durch einen langen Korridor. Sie sahen andere Gänge abzweigen, legten aber fast tausend Meter zurück, bevor sie abbogen.

Er führte sie in einen sehr großen Raum, der wie eine Empfangshalle aussah. Es gab eine Fülle von bequemen, für Menschen geeigneten Stühlen, und ein Wandbezug aus Kunststoff war mit Blumen geschmückt. Hier wirkten solche Beigaben so ungereimt, wie das fremde Wesen auf ihre Welten gewirkt hätte. Das Wesen hatte eine Art Schreibtisch, halbkreisförmig und offenbar seiner Form so angepaßt, daß es sich bequem dahinter zusammenrollen konnte. Auf dem Schreibtisch gab es nur einen ganz gewöhnlich aussehenden Federhalter, einen kleinen Block Papier und ein — natürlich sechseckiges — Siegel, dem Anschein nach in durchsichtigem Kunststoff aus reinem Gold gegossen.

Das Siegel zeigte eine Schlange, die sich um ein Kreuz ringelte, und war umrandet von einer Schrift, die keiner von ihnen kannte.

Der Schlangenmann klappte einen kleinen Teil seiner Schreibtischplatte hoch und gab den Blick auf eine Instrumententafel von fremdartiger Konstruktion und Zweckbestimmung frei. Ein großer, roter Knopf war das auffälligste Merkmal, und er drückte darauf.

»Mußte den Schacht umstellen«, erklärte er. »Sonst könnten welche kommen, die keinen Sauerstoff atmen, und aufbewahrt werden, bis jemandem einfällt, auf den Knopf zu drücken. Ich will gleich noch die Essensbestellung eingeben — Nate, Sie waren immer sehr für Steak und Folienkartoffel, und dabei bleiben wir.«Er drückte hintereinander einige Knöpfe an der Konsole, dann klappte er sie zu. »In zehn, fünfzehn Minuten wird das Essen da sein — und auch richtig zubereitet. Halb durch, nicht wahr, Nate?«

»Sie scheinen mich besser zu kennen als ich mich selbst«, erwiderte Brazil. »Es ist so lange her, seit ich zuletzt ein Steak gegessen habe — vielleicht fast ein Jahrhundert. Ich hatte beinahe schon vergessen, was das ist. Woher kennen Sie mich überhaupt?«

Ein breites, aber ein wenig wehmütiges Lächeln zeigte sich auf dem Gesicht des Wesens.

»Erinnern Sie sich an einen alten Kerl namens Serge Ortega, Nate? Vor langer Zeit?«

Brazil überlegte, dann fiel es ihm plötzlich ein.

»Ja, sicher, an den erinnere ich mich — aber das muß wohl hundert Jahre her sein. Ein Freiberufler — höflicher Name für einen Piraten«, erklärte er den anderen. »Ein richtiger Halunke. Für Geld tat er alles, wurde fast überall gesucht — ein toller Bursche. Das können Sie jedoch nicht sein — er war ein kleiner Kerl, von Hispaniola, bevor man sich dort der Kom-Welt anschloß und den Planeten ›Frieden und Freiheit‹ nannte.«

»Tut mir leid, das zu hören«, sagte das Wesen traurig. »Das heißt, daß meine Leute tot sind. Wer war die Grundform? Brassario?«

»Richtig«, sagte Brazil. »Aber das alles erklärt nichts.«

»O doch«, erwiderte der Schlangenmann. »Denn ich bin Serge Ortega, Nate. Diese Welt hat mich in das verwandelt, was Sie sehen.«

Brazil starrte das Wesen an. Die Stimme, die Augen — auf irgendeine Art kamen sie ihm wirklich bekannt vor und erinnerten ihn vage an Ortega. Dasselbe wilde Funkeln in den Augen, dieselbe rasche, scharfe Sprechweise, manchmal aufflackernde Arroganz, die Ortega in mehr Kneipenraufereien verwickelt hatte als jeden anderen.

Aber das war so lange her.

»Hören Sie mal«, sagte Hain. »Genug von dieser Wiedersehensfeier, Ortega hin, Ortega her. Sir, oder wie auch immer, ich möchte sehr gern wissen, wo wir sind, warum wir hier sind, und wann wir zu unserem Schiff zurückkehren können.«

Ortega zeigte sein hämisches Lächeln.

»Nun, was die Frage angeht, wo ihr seid — ihr seid auf der Schacht-Welt. Es gibt keinen anderen Namen dafür, denn genau das ist sie. Und wo sie sich befindet — tja, hol mich der Teufel, wenn ich das weiß. Niemand, der je hier war, hat sie wieder verlassen können. Ich weiß nur, daß der Nachthimmel mit nichts Ähnlichkeit besitzt, was ihr gesehen habt. Ich war fast zweihundert Jahre im Weltraum, und keines der ganz auffälligen Merkzeichen kommt einem bekannt vor. Das Allermindeste ist, daß wir uns auf der anderen Seite der Galaxis befinden, vielleicht sogar in einer ganz anderen. Und warum ihr hier seid — nun, ihr seid auf irgendeine Weise in ein Markovier-Portal gestolpert, genau wie ich und vielleicht Tausende anderer. Und hier sitzt ihr fest, genau wie alle anderen. Sie sind für immer hier. Gewöhnen Sie sich lieber dran.«

»Hören Sie«, fuhr Hain auf, »ich habe Macht und Einfluß —«

»Besagt hier gar nichts«, erwiderte Ortega kalt.

»Mein Auftrag!«wandte Vardia ein. »Ich muß meine Pflicht erfüllen!«

»Keine Pflichten, überhaupt nichts mehr, außer euch und der Welt hier«, sagte der Schlangenmann. »Seid euch im klaren darüber: Ihr befindet euch auf einer Welt, die von den Markoviern gebaut worden ist — ja, gebaut. Das ganze Ding mit allem Drum und Dran. Soviel wir wissen, ist das ganze verdammte Ding ein markovisches Gehirn, das bestens funktioniert und vorprogrammiert ist.«

»Ich dachte, wir sind im Inneren von Dalgonia«, sagte Brazil. »Man hatte das Gefühl, irgendwo hineinzustürzen.«

»Nein«, erwiderte Ortega, »das war kein Sturz. Die Markovier hatten wirklich gottähnliche Kräfte. Materieübermittlung war für sie eine Kleinigkeit. Fragt mich nicht, wie das funktioniert, aber es ist so, weil wir hier eine lokale Ausgabe davon haben. Ich würde es nicht einmal verstehen, wenn einer es mir erklären sollte.«

»Aber so etwas ist ausgeschlossen«, protestierte Hain. »Es verstößt gegen die Naturgesetze.«

Ortegas sechs Achseln zuckten.

»Wer weiß? Einmal war auch das Fliegen unmöglich. Dann war es unmöglich, einen Planeten zu verlassen, dann ein Sonnensystem, dann, die Lichtgeschwindigkeit zu übertreffen. Das einzige, was etwas unmöglich macht, ist Unwissenheit. Hier auf der Schacht-Welt ist das Unmögliche an der Tagesordnung.«

In diesem Augenblick kam das Essen, gebracht von einem kleinen Wagen, der offenbar eine Art Roboter war. Er fuhr der Reihe nach zu jedem hin und bot ein Tablett mit heißem Essen an, unter dem, wenn es abgenommen wurde, sofort das nächste erschien. Brazil nahm den Deckel ab und starrte eine Minute lang auf den Inhalt. Dann sagte er fassungslos und ehrfürchtig:»Ein echtes Steak!«Er zögerte einen Augenblick, dann sah er zu Ortega hinüber. »Es ist doch echt, oder?«

»O ja«, versicherte der Schlangenmann. »Es ist wirklich echt. Die Kartoffel und die Bohnen auch. Natürlich nicht exakt ein Rind, nicht exakt eine Kartoffel, und so weiter, aber doch so nah, daß ihr den Unterschied nie merkt. Nur zu, versuchen Sie's.«