Der Büroangestellte ging zur Steuerkonsole der Aufseherin unter den Zellenreihen und sagte:»Auf Befehl Ihrer Hoheit muß der Markling in Eins-Achtundneunzig im Schlaf gehalten werden, bis man nach ihm verlangt. Der Beruhiger soll bei Schichtwechsel weiterlaufen.«
Die Aufseherin drückte auf zwei Knöpfe und nickte. Hain war in seligem Schlaf gefangen, bis die Knöpfe wieder gelöst wurden. Der Angestellte kehrte zurück ins Büro des Barons, um Bericht zu erstatten. Der große weiße Nirling nickte zustimmend. Als der Angestellte gegangen war, trat er an seine Kommunikationskonsole und wählte die Nummer des Palastes. Nach langer Zeit meldete sich jemand.
»Hier Baron Kluxm von Sub-Hex Neunzehn. Ich habe eine wichtige Nachricht zur sofortigen Vorlage im Staatsrat Ihrer Majestät.«
»Der Staatsrat ist nicht versammelt«, kam gelangweilt die Antwort. »Hat das nicht Zeit, Baron?«
»Eben nicht. Ich übernehme die volle Verantwortung.«
»Ich verbinde mit General Ytil vom Kaiserlichen Stab. Er wird entscheiden.«
Bevor Kluxm etwas antworten konnte, hörte er ein Knacken, dann sagte eine andere Stimme:»Ytil.«
»Ich hatte heute einen Neuzugang, General, einen von jenen, auf die wir achten sollten.«
»Einen Neuzugang? Welchen?«
»Sein Name lautet Datham Hain. Als gewöhnliche Markling-Brüterin.«
»Markling-Brüterin! Schade! Aber sich vorzustellen, daß wir einen haben! Hmmm. Das könnte sogar unser Vorteil sein. Ich muß meine Unterlagen und Aufzeichnungen aus Zone durchgehen, doch wenn ich mich recht erinnere, ist Hain der habgierige und ehrgeizige Typ.«
»Ja, das geht aus meinen Unterlagen hervor«, bestätigte Kluxm. »Sie war hier aber ungewöhnlich respektvoll und still. Scheint sich sehr gut angepaßt zu haben.«
»Ja, ja, das war zu erwarten. Hain ist klug genug, das Gesellschaftsgefüge und ihre Grenzen darin klar zu erkennen. Wo ist sie jetzt?«
»In einem Ruheraum in meiner Nähe. Mit vollem Magen und bei Schlafmusik dürfte es zwei, drei Tage dauern, bis der Hunger sich wieder durchsetzt.«
»Ausgezeichnet. Ich rufe den Staatsrat zusammen, und wir lassen sie holen, wenn es soweit ist. Sie sind sehr zu loben, Baron.«
Klar, dachte Kluxm düster. Und du schreibst alles auf dein Konto.
Der General hastete durch den Palastkorridor, nahm in einem Sicherheitsraum ein kleines, schwarzes, edelsteinartiges Gerät an einer langen Kette an sich, hängte es über seinen rechten Fühler und stieg hinunter zum untersten Stockwerk des Palastes.
Der akkafische General trat mit schnellen Schritten in die Dunkelheit am Ende des Kellerkorridors.
Und kam in Zone heraus.
Zone — die akkafische Botschaft
Die Markling-Empfangsperson starrte General Ytil erstaunt an, als er durch das Zone-Portal kam.
Jedes Hex besaß irgendwo ein Portal, das jeden augenblicklich zu Zone und von dort zu seinem Heimat-Hex beförderte. Es gab 789 solche Portale zu den Büros jeder einzelnen der Rassen auf der südlichen Halbkugel, sowie ein Hauptportal für die Klassifizierung, durch das alle Neuzugänge gingen, und das riesige, nur als Zugang dienende Portal im Zentrum.
General Ytil machte sich sofort auf den Weg zum Büro des Kaiserlichen Botschafters.
Baron Azkfru war kaum von der Angestellten unterrichtet worden, als der General hereinstürmte.
»Mylord Baron!«rief der General. »Es ist geschehen! Wir haben einen der Neuzugänge, wie es vorausgesagt war!«
»Beruhigen Sie sich, Ytil«, knurrte Azkfru. »Sie verlieren Ihre Orden für Würde und Selbstbeherrschung. Also, erzählen Sie in Ruhe.«
»Hain ist heute in Kluxms Baronie als Markling-Brüterin aufgetaucht«, sagte Ytil erregt.
»Hmmmm. Schade, daß sie Brüterin ist, aber das läßt sich nicht ändern. Wo ist sie jetzt?«
»Im Einlullschlaf, zwei oder drei Tage noch. Kluxm glaubt, ich hätte den Kaiserlichen Haushalt und den Staatsrat verständigt. Er rechnet damit, daß sie abgeholt wird.«
»Sehr gut«, sagte Azkfru anerkennend. »Es scheint in unserem Sinn zu laufen. Ich habe nie viel von Wahrsagern und dergleichen Scharlatanen gehalten, aber wenn das geschehen ist, hat die Vorsehung uns eine große Gelegenheit geboten. Wer weiß außer Kluxm und Ihnen davon?«
»Niemand, Hoheit«, erwiderte Ytil. »Ich bin sehr vorsichtig gewesen.«
»Gut, kehren Sie auf Ihren Posten zurück, und zu keinem ein Wort davon! Ich sorge für alles.«
»Schließen Sie den Handel mit den Nordbewohnern ab?«
Azkfru seufzte.
»Ytil, wie oft muß ich Sie noch daran erinnern, daß ich der Baron bin? Sie nehmen nur Befehle entgegen. Gehen Sie jetzt!«
Ytil drehte sich um. Azkfru griff in eine Schublade und zog eine Puls-Waffe heraus. Sie funktionierte in Zone, jedenfalls in seinen Büros.
»Ytil!«rief er dem anderen zu, der schon an der Tür war.
Ytil blieb stehen, konnte sich unter der Tür aber nicht umdrehen.
»Ja?«
»Leben Sie wohl, Sie Narr«, sagte Azkfru und feuerte mehrmals, bis der weißbehaarte Körper eine verkohlte Leiche war. Azkfru ließ seine Adjutanten kommen und sagte:»Der General wollte mich töten. Ich mußte in Notwehr handeln. Er und Baron Kluxm scheinen an der Spitze einer Revolte der Barone zu stehen. Schaffen Sie dieses Aas weg, gehen Sie zu Kluxm und beseitigen Sie ihn und seinen ganzen Stab. Dann holen Sie aus dem dortigen Ruheraum eine Markling namens Hain und bringen sie zu mir auf meinen Besitz. Tun Sie das unauffällig. Über die Revolte erstatte ich selbst Bericht.«
Sie nickten, und es dauerte nur wenige Minuten, bis sie die Überreste verschlungen hatten.
Als sie gegangen waren, drückte Azkfru auf einen Knopf und sagte zu der Angestellten:»Sie gehen zum Haupt-Portal und betreten es. Es wird Sie zur Nord-Zone bringen. Dort verlassen Sie den Portalraum nicht und sagen nur der ersten Person, die erscheint, daß Sie mit Botschafter Dreizehn-Vierzig sprechen wollen. Wenn er kommt, sagen Sie ihm, wer Sie sind, wer Sie geschickt hat, und daß wir zustimmen wollen. Verstanden?«
Die Angestellte bestätigte. Azkfru drückte auf die Taste für die Empfangsperson.
»General Ytil war nicht hier«, sagte er. »Verstanden? Sie haben nie von ihm gehört!«
Sie begriff und löschte die Eintragung in ihrem Logbuch. Azkfru wußte, daß er alles auf eine Karte setzte und ihn das Spiel vielleicht sein Leben kosten konnte. Aber der Einsatz! Er war zu groß, als daß man ihn fahren lassen durfte.
Die Baronie Azkfru, akkafischis Reich
Datham Hains Körper lag im Betäubungsschlaf in der Mitte des untersten Stockwerks von Baron Azkfrus Nest. Der Raum war angefüllt mit Computerschränken, die surrten und knackten und blinkten. Vier große Kabel waren mit Anschlüssen an Hains Kopf befestigt, zwei kleinere an ihren Fühlern. Zwei Markling-Technikerinnen prüften die Anzeigen der Meßgeräte.
Baron Azkfrus Fühler verrieten vollkommene Befriedigung. Er hatte sich oft gefragt, was der Kaiserliche Haushalt sagen würde, wenn er wüßte, daß er eines dieser Geräte besaß.
Zumindest würde es einen Bürgerkrieg geben, dachte er.
Die Konditionieranlage war vor fast achtzig Jahren von einem besonders begabten akkafischen Wissenschaftler entwickelt worden. Sie beendete die regelmäßig ausbrechenden Revolten der Barone und sicherte die Stabilität der neuen — jetzt alten — Ordnung, indem sie eine Revolution praktisch unmöglich machte.
Vermutlich träumte jeder Baron davon, die Herrschaft zu stürzen, aber sie vermochten einem direkten kaiserlichen Befehl nicht zu widerstehen.
Nur Azkfru konnte das.
Sein Vater hatte die Anlage hier nachgebaut, und Schlüsselfiguren wurden mit ihrer Hilfe von der alten Konditionierung befreit und einer neuen unterworfen. Immer klappte das nicht, weil die Grundstruktur nicht beeinflußt werden konnte. Deshalb hatte Ytil beseitigt werden müssen. Er war zu dumm, um den Mund zu halten.