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»Wie lange dauert es?«

»Vier Wochen, wenn Sie normal weitermachen. Etwa zehn Tage, wenn Sie Tag und Nacht verwurzeln wollen.«

Sie beschloß, es rasch hinter sich zu bringen, suchte sich eine ruhige Stelle abseits des Zentrums und verwurzelte sich. Am dritten Tag brauchte sie Wasser und ging zum Fluß hinunter. Das Entwurzeln war schwieriger, als sie angenommen hatte. Sie kam sich vor, als wiege sie eine Tonne, und konnte kaum das Gleichgewicht halten. Sie spürte das Gewächs an ihrem Rücken.

Am Ufer sah sie einen Umiau.

Sie hatte sie natürlich auch im Zentrum gesehen, aber nur im Vorbeigehen. Hier befand sich zum erstenmal eines der Wesen ganz in der Nähe. Es schien schlafend im Sand zu liegen.

Die Umiau hatten den Unterleib eines Fisches, silbrigblaue Schuppen, die zu einer flachen, geteilten Schwanzflosse führten. Über der Taille blieb die hellblaue Farbe, aber die glänzenden Schuppen verschwanden und machten glatter, harter Haut Platz. Knapp unter der Trennungslinie befand sich eine große Vaginalhöhle.

Die Umiau hatten zwei große und sehr feste Brüste und das Gesicht einer Frau, die, wäre sie in Nathan Brazils Welt gewesen, als wunderschön gegolten hätte, trotz der Haare, die wie Silberflitter aussahen, und der grellblauen Lippen. Die Ohren, normalerweise von den Haaren bedeckt, waren wie winzige Muscheln geformt, die Nase besaß Hautklappen, die beim Atmen auf- und zugingen, vermutlich, um beim Schwimmen Wasser fernzuhalten. Die langen, muskulösen Arme endeten in langen, dünnen Fingern und einem Daumen, die alle durch Schwimmhäute verbunden waren.

Vardia trat ins Wasser, um zu trinken, und sah am Ufer andere Umiau schwimmen oder liegen. Der Fluß war hier seicht, in der Mitte aber zwei Meter tief.

Sie trank und kehrte langsam an Land zurück. Dabei klatschte sie durch das Wasser und weckte die Schläferin.

»Na, hallo!«sagte letztere mit angenehmer, melodischer Stimme. Die Umiau konnten die Laute der Czill-Sprache hervorbringen, was umgekehrt den Czillanern nicht gelang.

»Es — es tut mir leid, wenn ich Sie geweckt habe«, sagte Vardia.

»Das macht nichts«, erwiderte die Umiau und gähnte. »Ich sollte ohnehin meine Zeit nicht mit Schlafen vergeuden. Die Sonne trocknet mich aus, und ich habe danach stundenlang Fieber.«Sie bemerkte Vardias Zustand. »Verdopplung, wie?«

»J-ja«, sagte Vardia verlegen. »Das erstemal. Es ist furchtbar.«

»Kann ich verstehen«, erklärte die Meerjungfrau. »Ich habe diesmal das Ei in diesem Zyklus nicht weitergegeben, aber das nächstemal kommt es.«

Vardia beschloß, eine Weile am Fluß zu verwurzeln, und tat es.

»Ich verstehe Sie nicht«, sagte sie zögernd. »Sind Sie demnach weiblich?«

Die Umiau lachte.

»So sehr wie Sie«, sagte sie. »Wir sind Hermaphroditen. In einem Jahr erzeugen wir ein Ei, dann geben wir es an einen anderen weiter, wo es mit Sperma beschossen und entwickelt wird. Im nächsten Jahr bekommt man das Ei selbst. Im dritten Jahr ist man Neutrum, dann geht es wieder von vorne los.«

»Man kann also nicht enthaltsam sein?«fragte Vardia unschuldig.

Die Umiau lachte wieder.

»Gewiß, aber wenige tun es, außer sie lassen sich sterilisieren. Wenn der Trieb kommt, tut man es, Kleine.«

»Ist es denn so angenehm?«

»Unglaublich«, erwiderte die andere.

»Wenn das bei mir nur auch so wäre. Mir ist ganz elend.«

»Nur keine Sorge. In eurem langen Leben geschieht das nur zwei- oder dreimal.«Sie blickte in die Sonne. »Es wird spät. War angenehm, sich mit Ihnen zu unterhalten, aber ich muß fort. Es wird schon werden.«Sie kroch ins Wasser und schwamm davon.

* * *

Die nächsten Tage waren langweilige Wiederholungen der vorangegangenen, auch wenn sie sich ab und zu mit anderen Umiau unterhielt. Am neunten Tag, als sie wieder Wasser brauchte, stellte sie fest, daß sie sich kaum bewegen konnte. Sie brauchte eine Ewigkeit, um ans Wasser zu kommen, und unterwegs stürzte sie hin. Sie vermochte sich nicht mehr aufzurichten und mußte warten bis zum Abend, als andere kamen, sie aufhoben und ihr zu einer Stelle halfen, wo sie sich wieder verwurzeln konnte.

Der zehnte Tag war der schlimmste. Sie konnte überhaupt nicht klar denken, sah und hörte sogar alles doppelt, und es schien ewig anzuhalten.

Am elften Tag war sie im Delirium, aber gegen Mittag spürte sie plötzlich eine Befreiung, als hätte eine geisterhafte Hälfte von ihr sie verlassen. Alles war plötzlich wieder normal, doch sie war so geschwächt, daß sie am hellen Tag das Bewußtsein verlor.

Der zwölfte Tag wurde auf normale Weise hell, und sie fühlte sich viel besser. Sie entwurzelte sich, trat zögernd einen Schritt vor.

»Das ist schon viel besser«, sagte sie laut.

Und genau im selben Augenblick sagte eine andere Stimme genau das Gleiche! Sie drehten sich beide um.

Zwei identische Vardias starrten einander an.

»Du bist also der Zwilling«, sagten sie gleichzeitig.

»Ich nicht, du!«erklärten sie beide beharrlich.

Oder doch nicht? dachte jede. Ob der Zwilling es wußte?

Alles war verdoppelt, sogar Persönlichkeit und Erinnerungen. Deshalb sagten und taten sie dasselbe, begriffen beide. Werden wir je wissen, wer wer ist? dachten sie beide. Oder kam es gar nicht darauf an? Sie kamen beide aus demselben Körper.

Gemeinsam gingen sie zum Zentrum.

Am Empfang wurden sie zu verschiedenen Zimmern geführt und von den Ärzten untersucht. Sie wurden beide für gesund und arbeitsfähig erklärt und jede einem anderen Bereich des vorherigen Projekts zugeteilt, wenn auch mit ähnlichen Pflichten.

»Werde ich meinen Zwilling je wiedersehen?«fragte die Vardia in Flügel 4.

»Vermutlich«, erwiderte die Aufseherin. »Aber wir führen euch schnell auf verschiedene Arbeitsgebiete, damit jede ihren eigenen Weg gehen kann.«

Inzwischen arbeitete die andere Vardia, nachdem sie dieselbe Frage früher gestellt und dieselbe Antwort erhalten hatte, in einem anderen Bereich, mit einer Umiau zusammen, die Endil Cannot hieß.

Eines Tages fragte sie Cannot, wonach sie eigentlich forschten. Bisher hatten sie nur Legenden und Altweibermärchen aus vielen Rassen in die Computer eingegeben, um gemeinsame Faktoren zu finden.

»Den gemeinsamen Faktor haben Sie doch schon bemerkt, nicht wahr? Den einen Satz, meine ich. Bis Mitternacht am Schacht der Seelen. Vielleicht ein poetischer Ausdruck für ›niemals‹ oder ›ewig‹.«

»Aber warum ist es wichtig? Ich meine, es ist doch nur ein ›Alter Spruch‹?«

»Nein. Wenn es ein Spruch nur einer Rasse oder auch benachbarter Rassen wäre, dann sähe es anders aus. Aber sogar die Rassen im Norden kennen ihn. Ein paar von den ganz primitiven Hexagons verwenden ihn offenbar als religiösen Gesang. Warum? Und der Spruch reicht ewig zurück. Die schriftlichen Aufzeichnungen sind hier bis zu zehntausend Jahre alt, die mündliche Überlieferung ein Vielfaches davon. Der Satz kommt immer wieder vor. Warum? Was will er uns sagen? Das ist es, was ich wissen muß. Es könnte uns den Schlüssel zu diesem verrückten Planeten mit seinen fünfzehnhundertsechzig Rassen und verschiedenen Biome liefern.«Sie sah Vardia an. »Die Welt heißt ›Schacht-Welt‹, aber die einzigen Schächte, die wir kennen, sind die Eingangs-Schächte an beiden Polen. Das ist das Problem, wissen Sie. Sie sind beide Eingänge, nicht Gegensätze.«

»Muß es denn einen Ausgang geben? Kann das keine Sackgasse sein?«

Cannot schüttelte den Kopf.

»Nein, das ergäbe keinen Sinn und würde meine Theorie über den Haufen werfen.«

»Und wie lautet diese Theorie?«

Cannots Augen trübten sich.

»Sie sind eine kluge Person, Vardia«, sagte sie. »Vielleicht verrate ich sie Ihnen eines Tages.«