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»Ihr wart zu gut für diese schmutzige Welt«, erwiderte der Mann mitfühlend.

»Wir sind aus eigenem Entschluß gekommen«, gab der Zentaur zurück. »Wir sind gescheitert, aber wir haben es versucht. Doch für dich muß es noch schwerer sein.«

»Ich muß bleiben«, sagte der Mann ruhig. »Das weißt du.«

»Dann bemitleide mich nicht«, sagte der Zentaur scharf. »Laß dich statt dessen von mir betrauern.«

* * *

Nathan Brazil wurde wach.

Die heiße Sonne brannte herab, und wäre er nicht von früheren Reisen gebräunt gewesen, er hätte einen schweren Sonnenbrand davongetragen.

Was für ein verrückter Traum, dachte er. Entsprang er dem Gespräch von gestern nacht, oder war er, wie in letzter Zeit so vieles, eine wahre Erinnerung? Das erschreckte ihn ein wenig, nicht, weil der Traum unklar war, sondern, weil er viel erklären würde — und das in einer sehr unerfreulichen Richtung.

Plötzlich entdeckte er, daß Wu Julee verschwunden war. Er setzte sich abrupt auf und schaute sich um. Sie war nirgends zu sehen. Er blickte zur Grenze. Dort zeigte sich verschneiter Wald, aber der Sturm hatte aufgehört, und der Himmel wurde so blau wie hier. Er ging hin, holte Schnee und rieb sich das Gesicht damit ein.

Er blinzelte, drehte sich um und sah Wu Julee herangaloppieren. Er packte die Handtücher wieder in den Rucksack und zog ein Bündel schwarzen Stoffes heraus. Er faltete es auseinander. Er hatte es in einem anderen Hex machen lassen. Die Hose paßte, und seine Füße schoben sich in schuhartige Enden mit festen Außensohlen. Das Material dehnte sich und schien ihm wie eine zweite Haut zu passen, auch das Pulloverhemd, von denen er zwei hatte. Er wählte das ohne Ärmel und packte das mit den engsitzenden Handschuhen wieder ein.

Es klappt, dachte er, und ist ganz bequem. Aber es liegt so eng an und ist so dünn, daß ich mir immer noch nackt vorkomme.

Er wünschte sich nicht zum erstenmal eine Sonnenbrille, doch die ersten hatte er in Dillia gesehen, und selbst die kleinste dort war ihm viel zu groß.

Wu Julee kam aufgeregt heran.

»Nathan!«rief sie. »Ich war unterwegs, und Sie erraten nie, was hinter dem Berg dort ist! Eine gepflasterte Straße, mit Autos darauf!«

»Autos? So nah an der Grenze? Was für Autos?«

»Elektrische, glaube ich. Sie fahren nicht sehr schnell, und es sind auch nicht sehr viele, aber sie sind da. An der Grenze gibt es einen kleinen Parkplatz. Das Rasthaus in Dillia liegt hundert Meter dahinter.«

»Und wie sehen die Leute hier aus?«fragte er neugierig. »Wir müssen fast durch ihr ganzes Hex.«

»Sie sind ganz sonderbar — das müssen Sie selbst sehen. Gehen wir.«

Er schnallte den Rucksack fest und stieg auf. Sie trabten schnell dahin, und die Schmerzen stellten sich bei ihm sofort wieder ein, obwohl er sich langsam an das Reiten zu gewöhnen schien.

Nach fünf Minuten kamen sie über den Hügel. Auf einem kleinen, gepflasterten Platz an der Grenze stand ein halbes Dutzend Fahrzeuge, zumeist offen; nur eines hatte eine Art Leinwanddach. Sitze gab es nicht, und die Fahrer schienen, dem Dach nach zu schließen, sehr groß zu sein und mit einem Zweihebelsystem zu steuern. Sie blieb in der Nähe des Parkplatzes stehen.

»Da!«sagte sie. »Jetzt sehen Sie, was ich meine.«

Sie hat wirklich recht, entschied Brazil. Das letztemal hatte er so etwas nach einer einmonatigen, lange zurückliegenden Sauftour gesehen.

Man stelle sich einen Elefantenschädel vor, samt schlappen Ohren, aber ohne Stoßzähne, mit nicht einem, sondern zwei Rüsseln, jeder etwa einen Meter lang und in vier kurze, gelenklose Finger auslaufend. Man montiere den Kopf auf einen Körper, der zu dünn aussah, um einen solchen Kopf zu tragen, armlos, mit zwei kurzen, gedrungenen Beinen und platten Füßen, die beim Gehen den Eindruck erweckten, als drehe sich das Wesen ein wenig hin und her. Man streiche das Ganze grellrot an und stelle sich vor, daß es einen grünen Segeltuchoverall trägt.

Nathan Brazil und Wu Julee brauchten es sich nicht vorzustellen. Genau das kam langsam auf sie zu.

»O Mann!«sagte er nur. »Ich kann Sie gut verstehen.«

Das Wesen entdeckte sie und hob die Rüssel zum Gruß. Sie schienen aus derselben Stelle zwischen und knapp unter den Augen hervorzuwachsen.

»Ah, hallo!«brüllte es in Dillianisch mit einer Stimme, die wie ein beleidigtes Nebelhorn klang. »Besseres Wetter hier herüben, wie?«

»Kann man wohl sagen«, erwiderte Brazil. »Wir haben im Sturm das Rasthaus verfehlt und die Nacht drüben auf dem Feld verbracht.«

»Unterwegs in unser schönes Land?«fragte der Slongornier freundlich. »Gute Jahreszeit dafür. Hier ist immer Sommer.«

»Nur auf der Durchreise«, sagte Brazil. »Wir sind auf dem Weg nach Czill.«

Das freundliche Wesen runzelte die Stirn und wirkte dadurch noch komischer.

»Üble Geschichte, das. Habe gestern abend davon gelesen.«

»Eines der Opfer — die Czillanerin — war eine Freundin von mir. Von uns«, verbesserte Brazil rasch, und Wu Julee lächelte.

»Warum gehen Sie nicht ins Rasthaus, frühstücken und versuchen, sich mitnehmen zu lassen?«sagte das Wesen. »Die Laster hier fahren alle leer zurück, und Sie können sich den weiten Fußmarsch sparen.«

»Danke, das versuchen wir!«rief Brazil dem Slongornier nach, als dieser in den Lastwagen mit Dach stieg und zurückstieß, einen Rüssel an jedem Hebel. Der Lastwagen surrte nur leise und fegte mit beachtlicher Geschwindigkeit davon.

»Ich wette, der fährt fünfzig«, sagte Brazil zu Wu Julee, als das Fahrzeug verschwand. »Vielleicht kommen wir doch schneller und leichter voran, als ich dachte.«

Sie gingen zur Grenze, auf das schneebedeckte Rasthaus zu. Die Kälte erfaßte sie sofort. Sie begannen zu laufen, und Wu Julee war eine Minute vor ihm im Inneren.

Fünf Slongornier standen an einer Theke und stopften mit den Rüsseln etwas in sich hinein, das Heu zu sein schien. Einer leerte einen Topf voll warmer Flüssigkeit und spritzte sich das Ganze in den Mund. Die Wirtin war eine ältere Dillianerin. Zwei junge männliche Zentauren sortierten in einem Winkel Pakete, offenbar die von den Slongorniern gelieferte Ware.

Und da war noch ein Wesen.

Eine riesige, mannsgroße Fledermaus, dachte Brazil, und so sah es auch aus. Es war ein wenig größer als er, mit Rattenkopf und -körper, blutroten Augen und scharfen Zähnen, die an einem großen Bries kauten. Die Arme waren ein wenig ausgestreckt und gingen in die lederartigen Flügel über. Es besaß aber lange, humanoide Beine mit normalen Knien, die bedeckt waren mit groben, schwarzen Haaren wie bei einem Gorilla und in zwei Füße ausliefen, die eher großen Menschenhänden glichen. Das Wesen hatte offenbar zwei oder drei Gelenke in den Beinen, da es ohne sichtbare Mühe auf einem stand, während es mit dem anderen das Bries hielt und an den Mund führte.

Das Wesen schien sie nicht zu beachten, und auch sonst kümmerte sich im Rasthaus niemand um sie. Sie wandten sich ab und bestellten Frühstück, einen dicken Brei in einer großen Schüssel, in dem Holzlöffel steckten. Wu Julee bestellte nur Wasser dazu, während sich Nathan das teeartige Getränk geben ließ. Es schmeckte unglaublich stark und bitter und hatte einen seltsamen Nachgeschmack, aber von seinem Aufenthalt in Dillia wußte er, daß es ihn anregte.

Sie kamen bald in ein Gespräch mit einem der Fahrer aus Slongorn, der sich bereit erklärte, sie die neunzehn Kilometer bis zur nächsten Stadt mitzunehmen, wo er zu Hause war.

»Na, Wu Julee, heute keine Bewegung und keine Schmerzen«, sagte Nathan strahlend.

»Sehr gut«, meinte sie lobend. »Aber nennen Sie mich nicht mehr bei diesem Namen, Nathan. Sagen Sie Wuju zu mir. Das paßt besser zu mir. Jol hat mich so genannt.«