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Was war die Liebe wirklich? Sie hatte gesagt, Liebe sei es, wenn einem ein anderer wichtiger sei als die eigene Person.

Nur müde, hatte der Zentaur in seinem Traum gesagt. Er war auch müde. Er hatte es satt, blind durch seine vielen Leben zu rennen. Was gingen ihn die Murnies an, was scherte ihn Skander?

Warum habe ich so lange gelebt? dachte er. Nicht altern war nicht genug. Die meisten Leute starben ohnehin nicht an hohem Alter. Irgend etwas brachte sie vorher ums Leben.

Ihn nicht.

Er hatte stets überlebt. Mitgenommen, blutend, tausende Male halb tot, aber irgend etwas in ihm wollte ihn nicht sterben lassen.

Er erinnerte sich plötzlich an den Fliegenden Holländer, der mit einer Geistermannschaft die Meere der Welt umsegelte, allein, bis auf einen kurzen Urlaub alle fünfzig Jahre, verdammt, bis eine schöne Frau ihn so innig liebte, daß sie bereit war, ihr Leben für ihn hinzugeben.

Wer befiehlt dem Holländer? fragte er den Wind. Wer hat ihn zu seinem Schicksal verdammt?

Das ist Psychologie, dachte er. Der Holländer, Diogenes — das bin alles ich. Deshalb bin ich anders.

Alle die Millionen im Lauf der Jahrhunderte, die sich getötet haben, als niemand sich um sie scherte. Nicht ich, ich bin verflucht.

Dieser Mann aus — wie hieß das Land? England, ja. Orwell. Hatte ein Buch geschrieben, in dem stand, daß eine totalitäre Gesellschaft sich durch die grundlegende Eigensucht des einzelnen aufrechterhält. Als es darauf ankam, verrieten Held und Heldin einander.

Jeder glaubte, er spräche von der Angst vor einem zukünftigen totalitären Staat, dachte Brazil bitter. Das stimmte nicht. Er sprach von den Menschen um ihn herum, in seiner eigenen aufgeklärten Gesellschaft.

Du warst zu gut für diese schmutzige kleine Welt, hatte er gesagt, aber er war geblieben. Warum? Im Scheitern?

Wessen Scheitern? fragte er sich plötzlich verwirrt. Er hatte die Antwort beinahe, aber sie entglitt ihm wieder.

Plötzlich nahm er hinter sich eine Bewegung wahr und fuhr herum. Wuju kam langsam heran. Er betrachtete sie forschend, als hätte er sie noch nie gesehen. Ein schokoladenbraunes Mädchen mit spitzen Ohren, verschmolzen mit einem braunen ShetlandPony. Und trotzdem paßte es, dachte er. Zentauren wirkten stets edel und schön.

»Sie hätten einen von uns rufen sollen«, sagte sie leise. »Die Sonne steht fast senkrecht. Ich dachte, Sie schlafen.«

»Nein«, erwiderte er träge. »Habe nur nachgedacht.«Er blickte hinunter in das Tal, in dem es jetzt von rehähnlichen Tieren und Murnies zu wimmeln schien.

»Worüber?«

»Über Dinge, an die ich ungern denke«, sagte er rätselhaft. »Sie suchen mich heim, auch wenn ich nichts davon weiß.«

Sie beugte sich vor und küßte ihn auf die Wange.

»Ich liebe dich, Nathan«, flüsterte sie.

Er stand auf und ging in die Höhle hinein. Im Vorbeigehen tätschelte er ihr Hinterteil. Als er sich neben Cousin Bat ausstreckte, sagte er ganz leise, mit einem schiefen Lächeln, zu sich selbst:»Tust du das, Wuju? Tust du das wirklich?«

Die Baronie Azkfru, akkafisches Reich

Der Baron wirkte, wenn das möglich war, eher noch majestätischer, und Datham Hain war von ihrer wochenlangen Arbeit in den Dunggruben völlig zermürbt.

»Du hast deinen Namen jetzt wieder, Mar Hain«, erklärte der Baron in gottähnlichen Tönen.

Für Hain glich das der Erhebung zum höchsten Herrscher der Galaxis, und sie fühlte sich dem Baron, von dem alle Segnungen ausgingen, nur um so tiefer verbunden.

»Ich habe jetzt eine Aufgabe für dich«, sagte der Baron. »Sie erfordert Treue und Hingabe und deine ganze Intelligenz und Verschlagenheit. Wenn du versagst, bist du für ewig verloren. Wenn du Erfolg hast, wirst du als Hauptkonkubine nicht deines Barons, sondern des Herrschers vielleicht nicht nur über dieses Reich deinen Platz einnehmen. Paß gut auf, Mar Hain. Bald wirst du drei Fremde kennenlernen. Du bekommst ein Dolmetschgerät, damit du alles verstehen kannst. Zwei davon sind Neuzugänge und können sich vielleicht in der nicht übersetzbaren Sprache deines alten Lebens verständigen. Es ist also besser, wenn du Dummheit und Unwissenheit vortäuscht. Ihr werdet auf eine große Reise gehen. Du hast folgendes zu tun…«

»Diese scheußlichen Insekten!«rief Vardia, die sich jetzt Chon nannte, als sie mit den anderen auf eine Straße gestellt wurde, während sie davonflogen.

»Keine Rassenbeleidigung«sagte Hain streng. »Von Ihnen halten sie noch weniger, und es ist mein Volk.«

»Hört auf damit!«fauchte Skander. Da sie nicht gehen konnte, hatten sie einen Sattel gebaut, auf dem die Meerjungfrau unbequem auf Hains Rücken schaukelte. »Wir haben eine lange und schwere Reise vor uns. Unser Leben mag von jedem von uns abhängen, und ich will keine Streitereien.«

»Sehr richtig«, sagte Der Rel. »Bitte erinnert euch daran, daß wir ein gemeinsames Ziel haben, auch wenn ihr beiden entführt worden seid. Spart euch die Debatten auf, bis wir unser Ziel erreicht haben.«

Sie befanden sich an der kaiserlichen Grenze, die von gelangweilten Wächtern bemannt war.

»Setzt alle eure Atemmasken auf«, sagte Der Rel, der selbst keine benötigte. Sie wußten immer noch nicht, ob er überhaupt atmete. Hains Gerät war plump, und das große Insekt sah aus, als trüge es riesenhafte, verbogene Ohrenschützer hinter den Augen. Vardias Maske hing um ihren Hals und war an ihren Unterbeinen mit zwei Kabeln befestigt, auslaufend in Nadeln, die in ihrer Haut steckten. Skander hatte eine einfache Maske über Mund und Nase, mit Schläuchen, die zu einem Tank auf Hains Rücken führten. Nur Vardias Gerät enthielt reines Kohlendioxyd und kein Sauerstoffgemisch. Durch einen Mechanismus konnte die von ihr ausgeatmete Luft in ihrem Behälter gegen die von Skander und Hain ausgetauscht werden.

Das Hex, vor dem sie standen, war öde genug; der Himmel zeigte nicht die verschiedenen Blautöne, die es in vielen Gegenden der Welt gab, sondern ein fast aufreizend grelles Gelb.

»Schall pflanzt sich fort, aber langsam und stark verzerrt«, sagte Der Rel. »Die Atmosphäre enthält genug Spurenelemente, so daß wir mit so einfachen Geräten durchkommen, aber das liegt daran, daß aus den umliegenden Sechsecken stets etwas einströmt. Wir werden unterwegs unsere Tanks auffüllen können, weil wir Vorräte dabeihaben, aber ihr dürft unter keinen Umständen die Masken abnehmen. Es gibt hier Elemente, die nicht euer Äußeres schädigen, aber körperliche Schäden oder sogar den Tod hervorrufen, wenn sie durch die Lungen längere Zeit aufgenommen werden.«

Vardia blickte auf die Landschaft hinaus, soweit sie sie bei dem grellen Licht erkennen konnte. Eine schroffe, orangerote Landschaft voller Schluchten und sonderbar verwitterter Bogen und Pfeiler. Was verwittert sie? dachte sie. Und welche Wesen konnten in einer so feindseligen Umgebung existieren?

»Hain, achten Sie darauf, Ihren Schnabel stets fest geschlossen zu halten«, erklärte Der Rel. »Sie sollen das Zeug nicht schlucken. Und Skander, Sie halten die Decke über Ihren Unterkörper, damit er nicht austrocknet. Das Gerät ist darauf eingestellt. Noch Fragen?«

»Ja«, sagte Vardia nervös. »Welchen Wesen werden wir begegnen, und wie können wir dieses Land durchqueren und am Leben bleiben?«

»Die Wesen sind im Grunde Automaten, Denkmaschinen«, erwiderte Der Rel. »Das ist ein Hoch-Tech-Hex hier, mehr als jenes, das wir verlassen. Sie koexistieren nur, weil die Akkafier hier nicht lange bestehen könnten, noch gibt es in der Nation etwas, das sie gebrauchen können, während die Bewohner dieses Sechsecks in einer Atmosphäre zusammenbrechen würden, wie ihr sie vertragen könnt. Kommt. Wir haben genug Zeit verloren. Wie wir überleben, werdet ihr sehen.«