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Sie wandte sich ab, und ihr Blick fiel auf Wu Julee und Brazil, die, wie immer, beieinander waren. Sie setzte sich auf den kalten Boden. Sie dachte wieder an den Slelcronier und seine Träume. Die vollkommene Gesellschaft. Der Himmel. Die Ewigkeit.

Die Markovier hatten all das besessen und es bewußt zerstört, zugunsten von Tod, Elend, Schmerz und Mühen auf zahllosen Welten in zahllosen Formen.

Was war überhaupt Vollkommenheit? Was fehlte den Markoviern, daß der große Traum sich als unwahr erwiesen hatte?

Sie hatten vergessen zu lieben, sagte Brazil. Aber was war Liebe?

Haben wir sie schon vergessen? dachte sie. Das beunruhigte sie, und zum erstenmal in ihrem Leben kam sie sich fremd, allein, verlassen vor.

Betrogen.

Und sie wußte nicht, was ihr fehlte.

Sie fror. Sie hatte noch nie so nachgedacht, nie vor sich hingebrütet, sich nie der kalten Wirklichkeit so rücksichtslos gestellt.

Wenn nun Nathan Brazil besaß, was tief innen fehlte — und sonst keiner?

Wuju setzte sich plötzlich zu ihr.

»Ich würde am liebsten nicht gehen«, sagte sie. »Wenn ich einen Wunsch hätte, dann den, daß es nie aufhört. Hier — diese Reise, Nathan, ihr alle. Es war die schönste Zeit meines Lebens. Wenn wir dort waren, wird nichts mehr so sein wie früher. Nichts.«

Vardia griff nach ihrer Hand und tätschelte sie. Warum habe ich das getan? fragte sie sich, aber sie hörte nicht auf.

»Ich weiß nicht, was geschehen wird«, meinte Vardia ruhig. »Ich weiß nur, daß ich mich verändern muß. Ich habe mich verändert. Jetzt muß ich begreifen, wie und warum.«

»Mir gefällt das gar nicht«, sagte Wuju dumpf. »Ich mag es nicht, wenn durch eine Laune alles verändert werden kann. Niemand sollte diese Macht haben — schon gar nicht diese Typen. Ich mag es nicht, eine Erfindung zu sein, ein verspäteter Gedanke. Ich habe furchtbare Angst. Ich habe es Nathan gesagt, aber er schüttelte nur den Kopf und ging weg. Das verstehe ich auch nicht. Ich kann mich jetzt dem Tod und dem Bösen stellen, aber nicht der Angst vor dem, was dort ist. Nicht allein.«

»Du bist nicht allein«, sagte Vardia mit einer Sanftheit, die sie tief verwunderte.

Wuju sah hinüber zu Brazil, der vor der Wand stand, unbewegt, stoisch, allein. Sie begann zu zittern.

»Ich kann das nicht allein«, klagte sie.

»Du bist nicht allein«, wiederholte Vardia und drückte ihre Hand fester.

Elkinos Skander betrachtete die beiden Frauen mit Interesse. Die Roboter haben also doch noch ein wenig Menschlichkeit bewahrt, dachte er befriedigt. Aber sie ist so tief verborgen in ihnen, daß es der Schacht-Welt bedurft hat, sie zutage zu fördern.

Und wozu?

Er blickte zu Hain hinüber.

»Sind Sie wach, Hain?«fragte er leise.

»Ja. Wer könnte jetzt schlafen?«

»Sagen Sie, Hain, was erhoffen Sie sich dort? Was erwarten Sie vom Schacht?«

»Macht«, sagte Hain nach einer Pause. »Ich würde Baron Azkfru zum Herrscher der Schacht-Welt, dieser Galaxis, vielleicht des Universums machen. Aber bei dem Haufen hier begnüge ich mich damit, daß er lange Zeit Herrscher in Akkafia sein wird. Mein Herr kann alles, nur nicht diese Maschine bekämpfen.«

»Aber was haben Sie davon?«fragte Skander erstaunt.

»Ich werde die Königin des Barons sein, neben seinem Thron sitzen, nur ihm an Macht nachstehen. Ich werde die Nachkommen austragen, die für immer herrschen werden.«Hain machte eine Pause. »Ich bin in einer verfallenen Hütte in einem Loch namens Gorind auf Aphrodite geboren«, fuhr sie fort. »Ich war unerwünscht und kränklich. Meine Mutter schlug mich und warf mich hinaus, als sie sah, daß ich nie Grubenarbeiter werden würde. Ich war neun Jahre alt. Ich ging in die Stadt, lebte vom Abfall, stahl, schlief in kalten Hauseingängen. Ich wuchs im Schatten der Reichen auf, die alles hatten. Mit fünfzehn Jahren vergewaltigte ich ein Mädchen und brachte es um. Man faßte mich und wollte mich zu einem programmierten Arbeiter ummodeln, als ein Mann in meine Zelle kam. Er sagte, er brauche Leute wie mich. Wenn ich ihm und seinen Auftraggebern dienen wolle, würde er mich befreien.«

»Und Sie waren natürlich dabei«, sagte Skander.

»O ja. Ich kam in eine neue Welt. Ich entdeckte, daß die Reichen, die ich beneidet hatte, von größeren Reichtümern träumten, und daß die Macht nicht vom Gehorsam gegen das Gesetz rührte, sondern vom Nichterwischtwerden. Ich stieg in der Organistion auf. Ich aß gut, wurde dick, kommandierte die Leute herum. Ich habe — hatte — meinen eigenen Besitz auf einer Privatwelt der Bosse. Bedient nur von jungen Frauen, die alle schwammsüchtig waren. Viele waren Sklavinnen, andere hatte ich zu Tieren gemacht. Sie streifen nackt durch den Wald, leben in Bäumen, fressen den Abfall, den ich ihnen bringen lasse.«

Skander hatte ein flaues Gefühl im Magen, hörte aber trotzdem fasziniert zu.

»Aber das ist jetzt vorbei«, sagte Skander mit erzwungener Ruhe.

»Nicht vorbei«, erwiderte Hain erregt. »Jetzt werde ich Mutter werden.«

Es gab nichts, was Skander sagen konnte. Mitleid gab es für das, was Hain war oder hätte sein können — nicht für das, was das Wesen jetzt geworden war.

»Was erhoffen Sie sich von alledem, Skander?«fragte Hain plötzlich. »Warum alle diese Mühen, diese Anstrengungen? Was wollen Sie?«

»Ich will die Menschheit zu sich selbst zurückführen«, erwiderte Skander heftig. »Ich will die genetischen Ingenieure loswerden, die gleichgeschalteten Philosophen auf den Kom-Welten. Ich will, daß wir umkehren, Hain. Ich will die Menschen wieder menschlich machen, selbst wenn ich die Zivilisation zerstören muß, um die Menschheit zu retten. Wir werden zu einer Rasse von Robotern, Hain. Wir beseitigen die Roboter, oder wir treten das Universum an andere Rassen ab. Die Markovier sind an der Stagnation zugrundegegangen, Hain, und uns wird es genauso ergehen, wenn nicht Einhalt geboten wird.«

Hain hatte Fanatiker, Welterlöser und Visionäre nie gemocht, aber es blieb nichts anderes, als sich zu unterhalten.

»Sagen Sie, Skander, würden Sie zurückgehen? Wenn Sie könnten, meine ich. Würden Sie zurückgehen, wenn Ihr Wunsch erfüllt würde, oder hierbleiben?«

»Ich glaube, ich könnte meine Tage hier beenden, wenn ich bekäme, was ich will«, erwiderte Skander. »Es gefällt mir hier — die Vielfalt, die Herausforderungen. Ich hatte keine Zeit, das Dasein als Umiau zu genießen. Aber ich möchte sehen, was unsere kleine Rasse erreichen würde, wenn mein Plan in Erfüllung ginge. Und würden Sie zurückgehen?«

»Nur als Königinmutter der Akkafier«, sagte Hain sofort. »An der Seite meines geliebten Herrn Azkfru. Nur um zu herrschen, würde ich zurückkehren, Skander. Für nichts Geringeres.«

Ortega glitt heran. Er hatte kleine Pistolen in den Händen und legte je eine vor Skander und Hain hin.

»Pistolen für alle«, sagte er leichthin. »Hübsche kleine Energiewaffen. Sie funktionieren hier, wie in jedem Hoch-Tech-Hex. Bei allen, nur bei mir nicht. Das verhindert eine hübsche kleine Schaltung.«

Skander griff nach der Waffe und sah Ortega in die Augen.

»Sie erwarten, daß wir uns gegenseitig umbringen, nicht wahr? Sie erwarten, daß der Teufel los ist, wenn wir im Schacht sind und wissen, wie er arbeitet. Und den Sieger erledigen Sie.«

Ortega zuckte mit den Achseln und lächelte.

»Ist eure Sache«, erklärte er. »Ihr könnt mit mir oder untereinander Kompromisse schließen oder es mit den Waffen austragen. Aber am Ende bin ich auf jeden Fall dabei.«Er glitt davon, um an die anderen Waffen auszuteilen.

* * *

Varnett kam zu Brazil, der noch vor der Barriere stand.

»Brazil?«sagte er leise. »Sind Sie wach?«