Dunstan befahl dem Ersten Leutnant:»Bemannt die Seite, Josh, und begrüßt sie mit allen Ehren an Bord. Dies ist etwas, an das wir uns alle erinnern werden.»
Später, als die Phaedra mit ihrer Prise mühsam das Flaggschifferreichte, ereignete sich noch etwas, das Dunstan nie vergessen sollte.
Die Frau stand neben ihm, in einen Ölmantel gehüllt, den ihr ein Seemann geliehen hatte. Mit großen Augen und erhobenem Kinn beobachtete sie, wie die Hyperion mit schwingenden Rahen und wieder gefüllten Segeln über Stag ging und auf sie zukam.
Dunstan fragte:»Mylady, ich lasse jetzt ein Signal absetzen. Darf ich Ihren Namen übermitteln?»
Den Blick auf den alten Zweidecker gerichtet, hatte sie langsam den Kopf geschüttelt. Ihre Antwort wurde vom Knarren der
Takelage fast übertönt, sie klang wie Flüstern:»Nein, Kapitän, er kennt ihn. Trotzdem vielen Dank. «Und nach einer Pause:»Er wird mich sehen, ich weiß es.»
Nur einmal schien sie gerührt. Das war, als der Meistersgehilfe rief:»Jungs, seht, da geht der alte Kahn hin.»
Der Schoner hatte sein Heck gehoben und drehte sich nun in einem Kreis von Schaum und Blasen, Treibgut und Toten. Er mußte ziemlich durchlöchert sein und sank schnell. Plötzlich tauchte er kopfüber weg und verschwand immer schneller, als ob er sich eilig von jenen entfernen wollte, die ihn mißhandelt hatten.
Dunstan sah mit einem Seitenblick, daß die Frau einen Fächer an die Brust drückte. Er war nicht sicher, glaubte aber drei Worte zu verstehen:»Ich danke dir.»
Als alles vorbei war, sagte Dunstan zu seinem Vetter:»Gib dem Ausguckposten zwei Guineas, Josh. Es war viel wichtiger, als ich ahnte.»
X Im Hafen
Zwei Wochen, nachdem die Phaedra die Piratenbrigantine gekapert und die Gefangenen befreit hatte, kehrten Hyperion und Obdurate nach Antigua zurück. Die Insel wurde bei Tagesanbruch gesichtet, doch wie um ihre Anstrengungen in die Länge zu ziehen, erstarb der Wind. Der Abend begann schon zu dämmern, ehe sie sich nach English Harbour hineinschlängeln und Anker werfen konnten.
Bolitho hatte fast den ganzen Nachmittag müßig an Deck verbracht und die Segelmanöver beobachtet, während die Insel kaum näher zu kommen schien. Zu jeder anderen Zeit wäre es ein stolzer Augenblick für ihn gewesen. Sie hatten Sir Folliots Geschwader getroffen, das jetzt den Schatzkonvoi nach England geleitete. Die Ausguckleute hatten schließlich drei weitere Linienschiffe im Hafen gemeldet, und Bolitho vermutete, daß es sich um die restlichen Schiffe seines eigenen Geschwaders handelte. Nach dem anstrengenden Geleitdienst und dem täglichen Kampf mit dem Wetter hätte ihn ihr Anblick aufmuntern sollen. Trotzdem war Bolitho froh, daß er seine neuen Kommandanten erst am nächsten Tag zu treffen brauchte.
Als die beiden Zweidecker endlich vor Anker lagen, hatte er sich in seine Kajüte begeben, die durch mehrere Laternen anheimelnd erhellt wurde. Aus einem Heckfenster gebeugt, bewunderte er einen farbenprächtigen Sonnenuntergang, aber seine Gedanken waren noch immer bei jenem Tag, als man die in grobes Ölzeug gehüllte Catherine an Bord gehievt hatte.
Es schien ihm kaum mehr glaubhaft, daß sie hier in dieser Kajüte gewesen war, allein mit ihm. Allein mit ihm und doch angemessen fern. Er ging umher und schaute in seinen Schlafraum, den er ihr während ihres kurzen Aufenthaltes an Bord überlassen hatte. Es mußte doch noch irgendein Zeichen ihrer Anwesenheit vorhanden sein? Ein Hauch ihres Parfüms, vielleicht ein Kleidungsstück, das sie vergessen hatte, als man sie auf Admiral Folliots Flaggschiff übersetzte, nachdem sich die beiden Kampfgruppen getroffen hatten?
Bolitho ließ die Finger über das polierte Weinschränkchen gleiten. Von einem der besten Handwerker hergestellt, hatte sie es ihm geschenkt, als er London verließ. Er entsann sich der Mißbilligung seines Flaggkapitäns Thomas Herrick beim Anblick des Schränkchens an Bord der Lysander. Herrick war ihm immer ein treuer Freund gewesen und mißtraute allem, was Bolithos Namen und Karriere schaden konnte.
Sogar Jung-Adam war in Bolithos sogenannte Liaison kurz verwickelt worden. Um seines Onkels Reputation zu verteidigen, hatte er sich mit einem anderen hitzköpfigen Leutnant in Gibraltar duelliert. Jeder, der Bolitho nahestand, schien durch seinen Kontakt mit Catherine berührt worden zu sein.
Er drehte sich um und sah hinter der Lamellentür den Schatten des Kajütpostens. Dort hatte auch sie gestanden, ganz still, nur unwillkürlich schneller atmend und den Ölmantel wie frierend am Hals zusammengefaßt. Dann hatte sie das Schränkchen erblickt, und einen Augenblick zitterten ihre Lippen.
«Ich nehme es überall mit«, hatte er leise gesagt.
Da war sie direkt auf ihn zugegangen und hatte eine Hand an seine Wange gelegt. Als er jedoch Anstalten machte, sie in die Arme zu schließen, hatte sie den Kopf geschüttelt.»Nein! Es ist schon schlimm genug, daß ich unter diesen Umständen hier bin. Mach es nicht noch schlimmer. Ich wollte dir nur sagen, was es für mich bedeutet, durch dich zu leben. Gott oder das Schicksal — ich weiß nicht, wer oder was — brachte uns einmal zusammen. Aber nun fürchte ich, daß es uns etwas antun könnte.»
Er hatte ihr zerrissenes Kleid gesehen und gefragt:»Kann das nicht ausgebessert werden? Wo ist deine Zofe?»
Ohne ihn aus den Augen zu lassen, trat sie zurück.»Maria ist tot. Die Piraten versuchten, sie zu vergewaltigen. Als sie sich mit bloßen Händen wehrte, brachten sie sie um, stachen sie tot wie ein hilfloses Tier. «Langsam fügte sie hinzu:»Was mich betrifft, so kam dein kleines Schiff noch zur rechten Zeit. Aber ich habe dafür gesorgt, daß einige dieser Schweine nicht mehr unsere Luft atmen.»
Sie blickte auf ihre Hände nieder, auf den befleckten Fächer, den sie noch umklammerte.»Ich wünschte zu Gott, ich könnte dabei sein, wenn man den Rest dieses Ungeziefers am Seil tanzen läßt.»
Die Tür öffnete sich einen Spalt, und Jenour schaute ihn an.
«Das Boot des Kommodore nähert sich uns, Sir Richard. «Sein Blick huschte durch die Kajüte, vielleicht dachte auch er an Catherine.
«Danke. «Bolitho setzte sich, froh darüber, daß er sein eigenes Deck unter den Füßen hatte. Aber Glassport war wohl der letzte, den er jetzt gebrauchen konnte.
Er dachte an ihren Abschied, als er Catherine zu Sir Peter Folliots großem Dreidecker hinübergebracht hatte. Der Admiral war zwar ein schmächtiger, kränklicher Mann, aber schnellen Geistes. Trotz der spärlichen Nachrichtenübermittlung schien er alles über den Handstreich von La Guaira zu wissen, auch die tatsächliche Höhe der Beute bis aufs letzte Goldstück.
«Eine Rettung in letzter Stunde, wie?«Er begrüßte Catherine mit überschwenglicher Höflichkeit und erklärte, daß er sie der Obhut seines besten Fregattenkommandanten überantworten wolle, der sie mit größter Eile zu ihrem Gatten nach Antigua bringen würde. Vielleicht wußte er auch über Catherine einiges, dachte Bolitho.
Er hatte die starke Fregatte Segel setzen und sie ihm endgültig entführen sehen und war an Deck geblieben, bis sich nur noch ihre Oberbramsegel wie rosa Muscheln über dem Abendhorizont zeigten.
Der große Indienfahrer mit den Somervells hatte inzwischen den Hafen verlassen. Bolitho malte sich aus, wie sich Catherine mit jedem Wechsel des Stundenglases mehr und mehr von ihm entfernte.
Die Tür öffnete sich abermals, und Kapitän Haven trat ein.»Ich bin dabei, den Kommodore zu begrüßen, Sir Richard. Darf ich Ihre Kommandanten anweisen, sich morgen vormittag an Bord einzufinden?»
«Ja. «Wie eine Mauer stand kühle Förmlichkeit zwischen ihnen. Trotzdem versuchte Bolitho es nochmals.»Ich habe gehört, daß Ihre Frau ein Kind erwartet, Kapitän Haven.»