«Ich weiß, du verabscheust Winkelzüge«, begann Adam.»Ich habe dort drüben einst ein dummes Duell ausgefochten. «Er deutete auf den Felsen.
«Das habe ich nicht vergessen, Adam.»
Der scharrte verlegen mit den Füßen.»Ist es wahr, was man sich in London erzählt?»
«Ich denke schon. Einiges auf jeden Fall.»
Adam wand sich, sein Haar glänzte im Sonnenlicht.»Ist sie das, was du dir wünschst?»
Bolitho nickte.»Ich werde darauf achten, daß es dir nicht schadet, Adam. Du bist schon genug gefährdet worden, einmal durch deinen Vater, dann durch mich.»
Adam hob das Kinn.»Ich kann mich wehren, Onkel. Lord Nelson sagte mir, daß England jetzt alle seine Söhne braucht.»
Bolitho horchte auf. Sein Vater hatte die gleichen Worte gesprochen, als er ihm den alten Degen aushändigte, der eigentlich für Adams Vater bestimmt gewesen war, vor dessen Schande. Es war fast schon unheimlich.
Adam fuhr fort:»Wenn ein Mann einem anderen die Treue hält, dann ich dir, Onkel. Das weißt du. Aber denke daran, wenn sich andere gegen dich stellen, was gewiß der Fall sein wird. Ich kenne die Dame nicht, aber ich kenne ja auch Lady Belinda kaum. «Er schaute verlegen zu Boden.»Meine Güte, ich mische mich da in Dinge ein.»
Bolitho ging zum Fenster. Auf dem stillen Wasser schimmerte das Spiegelbild ihres Nachbarschiffes.
«Mein Herz gehört ihr, Adam. Mit ihr bin ich wieder ein Mann, ohne sie bin ich wie ein Schiff, dem man die Segel vorenthält.»
Adam sah ihn voll an.»Ich glaube, daß man dich nach London ruft, um die Dinge zu ordnen. Du sollst die Affäre bereinigen, sozusagen.»
«Indem ich die Wahrheit leugne?»
«Das ist jedenfalls meine Befürchtung, Onkel. «Bolitho lächelte traurig.»Ein so weiser Kopf auf so jungen Schultern.»
Adam wirkte plötzlich so verletzlich wie als vierzehn Jahre alter Fähnrich, der einmal den ganzen Weg zu Fuß von seinem Elternhaus in Penzance gekommen war, um nach dem Tod seiner Mutter auf Bolithos Hyperion einzusteigen. Sie mochte eine Hure gewesen sein, aber sie hatte für den Jungen zu sorgen versucht. Und Hugh, Bolithos Bruder, hatte von nichts gewußt, bis es zu spät war.
Der junge Mann sagte:»Wir werden einander viel sehen. Ich habe noch mehr Depeschen von Lord Nelson, und wenn deine Angelegenheiten in London geklärt sind, habe ich dich zu deinem Geschwader zurückzubringen.»
Wer mochte das angeordnet haben? fragte sich Bolitho. Nelson selbst, der es denen zeigen wollte, die seine Affäre mit Lady Hamilton verachteten? Oder ein noch Höhergestellter, der die Familie Bolitho benutzte, um ihn zu beeinflussen? Er konnte noch gar nicht glauben, daß er Catherine so bald wiedersehen sollte. Die Tatsache eines französischen Durchbruchs in den Atlantik erschien ihm im Vergleich dazu unwichtig. Er berief die anderen in seine Kajüte.»Stephen, Sie müssen während meiner Abwesenheit hierbleiben. «Kopfschüttelnd wehrte er die Proteste ab und fügte hinzu:»Ich brauche Sie auf der Hyperion. Verstehen Sie, warum?«In des Leutnants Augen verdrängte das Begreifen die Enttäuschung.»Als einen Verbündeten, der mich benachrichtigt, wenn etwas Unerwartetes geschieht.»
Er sah Yovell an.»Sie unterstützen den Flaggleutnant nach Kräften. «Er zwang sich ein Lächeln ab.»Als Fels in der Brandung, ja?»
Yovell erwiderte das Lächeln nic ht.»Ich mache mir Sorgen um Sie, Sir Richard.»
Bolitho sah sich im Kreise um.»Ihr seid alle meine guten Freunde, aber das muß ich allein bereinigen.»
Auf einmal fiel ihm die blaugraue Narbe an Somervells Hals ein. Sollte die Sache damit beigelegt werden? Mit einem Duell? Doch er verwarf die Idee sogleich wieder. Somervell war zu sehr bestrebt, dem König zu gefallen. Nein, es mußte ein Scharmützel anderer Art sein.»Übrigens, ich nehme Allday mit.»
Adam griff sich mit einer Hand an den Kopf.»Ich Idiot, das hab' ich völlig vergessen. «Er deutete aus dem Fenster.»Ich habe den jungen Bankart zu meinem Bootsführer gemacht. Er kam in Plymouth an Bord, als ich dort nach Befehlen fragte. «Und mit einem schiefen Lächeln:»Es ist nur recht, daß ein Bastard dem anderen hilft.»
Die kleine Brigg Firefly lichtete am folgenden Tag den Anker und ging in See. Von dem Augenblick an, da Bolitho die Depeschen gelesen hatte, fand er kaum Zeit, seine Kommandanten zu versammeln und ihnen zu sagen, daß sie die nächsten Wochen dazu benutzen sollten, ihre Schiffe zu versorgen und zu überholen.
Haven war seinen mündlichen Instruktionen ohne Überraschung oder Erregung gefolgt. Bolitho hatte ihm mehr als einmal eingeschärft, daß er als Flaggkapitän verpflichtet war, über das Geschwader zu wachen, und sich nicht lediglich um die Angelegenheiten seines eigenen Schiffes kümmern durfte. Welch beeindruckende Vorschläge Kapitän McKee von der Fregatte Tybalt auch machen würde, um sich fortzustehlen, warnte er Haven, sie seien alle abzulehnen. Er brauchte die Fregatte ebenso sehr wie ihn, wenn nicht noch mehr als ihn.
Nach der Kajüte der Hyperion kamen ihm die Unterkünfte der Brigg eng wie ein Küchenschrank vor. Er konnte nur unter dem Oberlicht aufrecht stehen und erfuhr, daß die Mannschaft in Quartieren lebte, deren Stehhöhe nur vier Fuß und sechs Zoll betrug. Aber das Schiff wirkte binnenbords so lebhaft und tüchtig wie nach außen. Bolitho bemerkte schnell das aufgelockerte Verhältnis zwischen Achterdeck und Mannschaftslogis und war heimlich stolz auf das, was sein Neffe geleistet hatte.
Es störte ihn nur der Umstand, daß er nichts Neues mehr von Catherine erfahren hatte. Vermutlich suchte sie ein normales Leben zu führen, bis die Gerüchte verstummten, oder sie war umgezogen. Dennoch beunruhigte es ihn, besonders nach dem Lesen des einen Briefes, den ihm Belinda geschickt hatte.
Es war ein kühler Brief, viele hätten ihn als vernünftig bezeichnet. Sie erwähnte nur kurz seine Leidenschaft für» dieses Weib «als etwas, das man vergeben, aber nicht verstehen konnte. Nichts durfte zwischen ihnen stehen:»Ich werde es nicht tolerieren«. Hätte sie im Zorn geschrieben, wäre er weniger beunruhigt gewesen. Vielleicht hatte sie Catherine schon auf einem jener Empfänge getroffen, die Belinda so liebte? Aber das schien unwahrscheinlich.
Auf dem Ozean begann die Firefly ihrem Namen getreu förmlich zu fliegen. Adam hielt sich weit draußen, weg von Land, als sie Tag für Tag ihren Weg entlang der Küste Portugals nahmen und dann in die Biskaya abdrehten. Als Bolitho fragte, warum er so weit draußen segelte, erklärte Adam ihm grinsend, daß er die Blockadegeschwader meiden wolle.»Jeder Kommandant, der die Firefly sichtet, will mir Post für England mitgeben. Diesmal aber habe ich keine Stunde zu verschenken.»
Bolitho bedauerte die Männer auf den Blockadeschiffen. Woche um Woche kreuzten sie bei jedem Wetter hin und her, während der Feind sich im Schutz des Hafens ausruhte und jede ihrer Bewegungen beobachtete. Blockadedienst war der meistgehaßte von allen, was die neuen Leute der Hyperion bald erfahren würden.
Die zwölfhundert Meilen von Gibraltar nach Portsmouth wurden zu einer der lebhaftesten Überfahrten, an die sich Bolitho je entsann. Er verbrachte viel Zeit an Deck mit Adam, wo sie den Lärm von Wind und Gischt überschreien mußten und die Brigg ihre Segel dermaßen strapazierte, daß er sich fragte, wie das ihre Masten aushielten.
Es machte ihm Spaß, wieder mit Adam zusammen zu sein und zu sehen, daß er sich vom eifrigen Leutnant zum Kommandanten gemausert hatte, der die Stärke jedes Tampens und Segels kannte und den Unerfahrenen Vertrauen einflößte. Gern zitierte er Nelson, den Helden, den er rückhaltlos bewunderte. Adams Erster Leutnant, Bolitho bisher unbekannt, hatte, als die Biskayastürme plötzlich über sie herfielen, ängstlich Segel reffen wollen. Adam hatte das Getöse überschrien:»Es ist erst dann Zeit zu reffen, wenn man dazu Lust hat!»