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Ein andermal hatte er seinen Onkel zitiert, als ihn ein Meistersgehilfe fragte, ob die Mannschaft vor oder nach dem Wenden essen solle. Adam hatte Bolitho angesehen und gemeint:»Die Mannschaft geht vor.»

Dann erreichten sie die Westlichen Zufahrtswege und den Kanal, tauschten Signale mit wachsamen Vorposten und sichteten an einem herrlichen Frühlingsmorgen die Is le of Wight. Nur fünfeinhalb Tage hatten sie von Gibraltar hierher gebraucht.

Bolitho und Adam begaben sich in Portsmouth zu einem kleineren Gasthaus, nicht zum» George«, um die Postkutsche nach London zu erwarten. Vielleicht hätte das» George «zu viele Erinnerungen geweckt.

Es hatte Bolitho während der Überfahrt auch Freude gemacht, Allday mit seinem Sohn zu beobachten. Nun sagten sie einander Lebewohl, als der junge Bankart auf seinem Schiff blieb und Allday die Kutsche bestieg. Bolitho protestierte, als Allday wegen der belegten Sitze draußen Platz nehmen sollte. Der aber musterte verächtlich die rundlichen Kaufleute, die den Innenraum belegten.

«Ich möchte die Gegend sehen, Sir Richard, und nicht dummes Geschwätz anhören müssen. Mir ist es lieber auf dem Oberdeck.»

Bolitho lehnte sich in seine Ecke und vermied jegliche Unterhaltung, indem er die Augen schloß. Mehrere Herren hatten seinen Rang erkannt und erwarteten von ihm wahrscheinlich Neuigkeiten über den Krieg. Jedenfalls war es nichts Neues, daß die Kaufleute daran ganz gut verdienten. Adam saß ihm gegenüber, sein Blick verlor sich in der Weite der vorüberziehenden Landschaft Hampshires. Im spiegelnden Fensterglas der Kutsche sah sein Bild wie eines der Porträts in

Falmouth aus. Die Aufenthalte zum Pferdewechsel folgten einander regelmäßig. Humpen mit Ale wurden von der Hand frecher Frauenzimmer in den verschiedenen Kutscherkneipen serviert, dazu schwere Mahlzeiten von Kaninchenragout bis zum besten Rinderfilet, damit die Passagiere ihre schmerzenden Muskeln auf angenehme Weise entspannen konnten. Je mehr sie sich von der See entfernten, desto weniger war vom Krieg zu spüren.

Die Kutsche legte einen letzten Halt vor einem Gasthaus in Ripley, Grafschaft Surrey, ein. Bolitho ging die schmale Straße hinunter, die Uniform unter dem Umhang verborgen. Die Luft war warm und erfüllt von Blumenduft.

England, mein England, dachte er.

Die dampfenden Pferde wurden zur Nacht in die Ställe geführt. Bolitho seufzte. Morgen würde er vor dem» George «in Southwark, London, aussteigen. Dort würde ihm Catherine seine Zuversicht wiedergeben. Zwischen Passanten stehend, ohne eine Uniform in Sicht und inmitten des Gelächters aus dem Inn, würde er es laut sagen dürfen:»Kate, ich liebe dich.»

XII Der Einbeinige

Admiral Sir Owen Godschale wartete, bis sein Diener eine Karaffe Rotwein auf das Tischchen gestellt und sich zurückgezogen hatte. Draußen vor den hohen Fenstern schien die Sonne, war die Luft heiß und staubig. Von fern kam der Lärm des Londoner Straßenverkehrs.

Bolitho nahm sich Zeit, den Claret zu schlürfen; es überraschte ihn, daß er sich in der Admiralität noch immer unbehaglich fühlte und auf der Hut war. Dabei hatte sich für ihn doch alles geändert. Man hatte ihn und Adam in eine kleine, gut ausgestattete Bibliothek geführt, die völlig anders war als die großen unbequemen Empfangsräume von früher. Diese waren mit Marineoffizieren vollgestopft, meistens mit nervösen Kapitänen, die einen höheren Offizier erwarteten oder dessen Lakai, um ihre

Wünsche vorzutragen, ein neues Kommando zu erbitten, ein anderes Schiff. Wie auch ich früher, dachte Bolitho. Er konnte sich noch nicht an den Respekt gewöhnen, den man ihm zo llte, an die Unterwürfigkeit der Admiralitätsdiener und Wachposten.

Der Admiral war ein gutaussehender, kräftig gebauter Mann, der sich im Kampf gegen die amerikanische Revolution ausgezeichnet hatte. Ein Altersgenosse von Bolitho, aber von dem jungen verwegenen Fregattenkapitän war wenig übriggeblieben. Godschale wirkte weich und schlaff, sein Gesicht und seine Hände waren so blaß, als wäre er seit Jahren nicht mehr auf See gewesen.

Er hatte seine hohe Position noch nicht lange inne; deshalb war zu erwarten, daß er alles bekämpfen würde, was seinen Eintritt ins Oberhaus verzögern oder gefährden konnte.

Nun sagte er gestelzt:»Es wärmt einem das Herz, von Ihren kühnen Unternehmen zu lesen, Sir Richard. Wir in der Admiralität fühlen uns viel zu oft vom Geschehen draußen abgeschnitten. Wir können es nur planen und mit Gottes Hilfe zu einem siegreichen Ende führen.»

Bolitho machte es sich bequemer. Er dachte an Nelsons Kommentar über die Kriege, die hier mit Worten und Papier ausgefochten wurden. Adam saß neben ihm, ohne sein Glas anzurühren. War es Höflichkeit oder Teil des Komplotts, Adam in dieses Gespräch einzubeziehen?

Godschale erwärmte sich am Thema.»Das Schatzschiff war ein solch gutes Ende, obwohl — «, er betonte das Wort, >» es einige gibt, die andeuten könnten, daß Sie sich persönlich dabei übernommen haben. Ihre Aufgabe ist es, zu führen und Erfahrung beizutragen. Aber das ist Vergangenheit. Wir müssen an die Zukunft denken.»

«Warum bin ich herbestellt worden, Sir Owen?»

Der Admiral lächelte und spielte mit seinem leeren Glas.»Um Sie wissen zu lassen, was in Europa vor sich geht, und als Lohn für tapferen Einsatz. Es hat Seiner Majestät beliebt, Sie ehrenhalber mit dem Rang eines Oberstleutnants der Royal Marines zu beleihen.»

Bolitho besah seine Hände.»Danke. «Wann kam Godschale zur Sache? Dieser Ehrentitel war nur nützlich bei einer Auseinandersetzung zwischen Heer und Navy. Natürlich war es eine Auszeichnung, aber kaum ein Anlaß, ihn von seinem Geschwader hierher zu holen.

Godschale erläuterte weiter:»Wir glauben, daß die Franzosen ihre Flotte an verschiedenen Orten zusammenziehen. Die Entsendung nach Malta wird es Ihnen ermöglichen, das Geschwader am zweckmäßigsten einzusetzen.»

«Man sagt, die Franzosen seien bei Martinique, Sir Owen. Nelson erklärt.»

Der Admiral lächelte wie ein listiger Fuchs.»Auch Nelson ist nicht über jeden Irrtum erhaben. Er mag des Volkes Liebling sein, aber gegen eine Fehleinschätzung ist er nicht gefeit. «Zum erstenmal wandte sich der Admiral Adam zu.»Ich bin ermächtigt, Ihrem Neffen mitzuteilen, daß er mit Wirkung zum ersten Juni zum Kapitän befördert ist. «Er lächelte selbstzufrieden.»Der glorreiche Erste Juni, was, Commander?»

Adam starrte von einem zum andern.»Ich danke sehr, Sir Owen.»

Der Admiral wackelte mit dem Finger.»Sie haben Ihre Beförderung mehr als verdient. Wenn Sie so weitermachen, sehe ich keinen Grund, weshalb Ihre Karriere nicht weiter aufwärts führen sollte.»

Bolitho beobachtete auf Adams sonnverbranntem Gesicht den Widerstreit der Gefühle. Drei Jahre noch, dann konnte er auf die Planstelle eines Vollkapitäns vorrücken, die Hoffnung und der Traum eines jeden jungen Offiziers.

Aber war das Belohnung oder Bestechung? Dem neuen Dienstgrad würde ein neues Kommando folgen, vielleicht sogar eine Fregatte, von der Adam immer sprach. So war es seinem Onkel ergangen und auch seinem Vater, nur daß Hugh auf der falschen Seite gekämpft hatte.

Godschale wandte sich wieder an Bolitho.»Es tut gut, mit Ihnen beisammen zu sein, Sir Richard. Es war ein langer, langer Aufstieg seit den Saintes Anno zweiundachtzig. Ich frage mich aber, ob allen klar ist, wie leicht man die Gunst des Schicksals verlieren kann, manchmal gar nicht durch eigene Schuld. «Er mußte die Kälte in Bolithos Augen gesehen haben und beeilte sich fortzufahren:»Bevor Sie London verlassen, um nach Gibraltar zurückzukehren, müssen Sie bei mir dinieren. «Er streifte Adam mit einem flüchtigen Seitenblick.»Sie natürlich auch. Sie wissen schon: mit Ehefrauen, Freunden, netten Gesprächen, alles ganz zwanglos.»

In Wahrheit ist es keine Bitte, dachte Bolitho, es ist ein Befehl.»Ich bin nicht sicher, ob sich Lady Belinda noch in London befindet. Ich hatte noch keine Zeit, um…»

Godschale schaute vielsagend auf die verzierte Tür.

«Ganz recht, Sie sind ein vielbeschäftigter Mann. Aber keine Sorge, meine Frau sah sie erst gestern. Sie werden einander gute Gesellschaft leisten, während wir beide uns über den schmutzigen Krieg unterhalten. «Er lachte still in sich hinein.»Dann ist ja alles klar.»