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Herrick schaute zu Boden.»Ich würde gern deine Absichten erfahren.»

«Gleich, Thomas. Vielleicht können wir zusammen soupieren?»

Herrick sah, wie die grauen Augen baten. Er entgegnete:»Es wäre mir ein Vergnügen. «Dann stockte er.»Du könntest Kapitän Haven mitbringen, wenn du wünschst, obgleich ich meine.»

Bolitho starrte ihn an. Natürlich, er konnte es noch nicht wissen.»Haven ist unter Arrest, Thomas. Zu gegebener Zeit wird er sich vor Gericht verantworten müssen, wegen versuchten Mordes an seinem Ersten Leutnant.»

Herricks Erstaunen war verständlich, es klang wirklich verrückt. Deshalb fügte er hinzu:»Haven bildete sich ein, daß der Leutnant eine Affäre mit seiner Frau hätte. Sie bekam ein Kind. Wie sich herausstellte, hatte Haven unrecht. Aber der Schaden war schon geschehen.»

Herrick füllte sein Glas aufs neue und vergoß dabei Wein, ohne es zu beachten. Er kämpfte mit sich.

«Ich muß darüber sprechen, Sir Richard«, begann er.

Bolitho spitzte die Ohren.»Bitte keinen Rang oder Titel, wenn wir unter uns sind, Thomas.»

Herrick gab sich einen Stoß.»Dieses Weib. Was kann es dir schon bedeuten, außer.»

Bolitho beherrschte sich.»Wir sind Freunde, Thomas, laß uns das bleiben. «Er sah an ihm vorbei.»Ich liebe Catherine, ist das so schwer zu verstehen? Wie würde es dir gefallen, wenn jemand von deiner Dulcie als von >diesem Weib< sprechen würde?«Er versuchte, den bitteren Unterton zu unterdrücken.

Herrick packte die Armlehnen fester.»Verdammt noch mal, Richard, warum verdrehst du die Wahrheit? Du mußt doch wissen, was sich jeder erzählt: daß du ihr verfallen bist, Frau und Kind verstoßen hast, um deiner Leidenschaft zu leben — und zum Teufel mit allen, die sich um dich sorgen!»

Bolitho dachte an Belindas großes Haus in London.»Ich habe niemanden verstoßen. Ich habe vielmehr jemanden gefunden, den ich lieben kann. Mit Hörigkeit hat das nichts zu tun. «Er erhob sich und wanderte zu den Fenstern.»Du weißt, daß ich mich in diesen Dingen nicht leichtsinnig verhalte. «Er fuhr herum:»Verurteilst auch du mich? Wer bist du denn — Gott?»

Sie standen einander wie Feinde gegenüber. Dann sagte Bolitho:»Ich brauche Catherine und bete, daß auch sie mich immer brauchen möge. Und nun laß uns damit aufhören.»

Herrick holte tief Atem und füllte beide Gläser nach. Die blauen Augen auf Bolitho gerichtet, erwiderte er:»Ich werde niemals damit einverstanden sein. Aber es wird meine Pflichterfüllung nicht beeinflussen.»

Bolitho nahm wieder Platz.»Sprich nicht von Pflichten zwischen uns, Thomas. Ich hatte zuviel davon in letzter Zeit.»

Dann kam er auf das eigentliche Thema zurück.»Für unsere jetzt vereinigten Geschwader sind wir gemeinsam verantwortlich. Ich eigne mir nicht deine Führungsrolle an, das sollst du wissen. Ich teile aber auch nicht die Ansichten Ihrer Lordschaften über die Franzosen. Pierre Villeneuve ist ein Mann von großer Intelligenz, er hält sich nicht stur an seine Gefechtsinstruktionen. Andererseits muß er vorsichtig sein; denn wenn er bei seinem eigentlichen Auftrag versagt, den Kanal für die Invasion frei zu machen, stirbt er unter der Guillotine.»

«Barbaren«, murmelte Herricks.

Bolitho nickte.»Wir müssen jede Möglichkeit berücksichtigen und unsere Schiffe zusammenhalten, mit Ausnahme der Aufklärer. Wenn die Zeit kommt, wird es schwer sein, Nelson und den tapferen Collingwood zu finden.»

Bedächtig setzte er sein Glas ab.»Ich glaube nämlich nicht, daß die Franzosen bis zum nächsten Jahr warten werden. Sie haben ihren Kurs schon abgesteckt. «Er schaute auf die in der Sonne ankernden Schiffe hinaus und schloß:»Wir aber auch.»

Herrick fühlte sich wieder auf sicherem Boden.»Wer ist jetzt dein Flaggkapitän?»

«Kapitän Keen. Es gibt keinen besseren, jedenfalls nicht, seit du über meinen Einfluß hinausgewachsen bist.»

Herrick verbarg nicht seine Rührung.»So hat es uns also alle wieder zusammengeführt?»

«Nur denk daran, Thomas, heute sind wir noch weniger.»

Bolitho stand auf und nahm seinen Hut.»Ich muß zur Hyperion zurück. Vielleicht später. «Aber er sprach es nicht aus, sondern legte Herricks Briefe auf den Tisch.

«Von England, Thomas. Es werden noch mehr >Neuigkeiten< drin sein. «Ihre Blicke trafen sich, und Bolitho schloß leise:»Mir wäre es lieber gewesen, du hättest es von mir selbst erfahren, von deinem Freund, statt deine Ohren mit Klatsch aus London zu beschmutzen.»

Herrick protestierte.»Ich wollte dich nicht verletzen, ich mache mir nur Sorgen um dich.»

Bolitho zuckte die Achseln.»Wir kämpfen zusammen in einem Krieg, Thomas, das muß genügen.»

Sie standen Seite an Seite an Deck, während Allday mit dem Boot hastig herbeiruderte. So war er noch nie überrascht worden. Wie alle anderen hatte auch er angenommen, daß der Vizeadmiral länger bei seinem Freund bliebe. Bolitho schritt zur Relingspforte, während die Seesoldaten Gewehre präsentierten, deren Bajonette wie Eis in der Sonne glitzerten. Sein Schuh verfing sich in einem Ringbolzen, und er wäre gefallen, wenn ihn nicht ein Leutnant gestützt hätte.»Danke, Sir!»

Er sah den Major der Wache herüberschielen, den präsentierten Degen noch in der behandschuhten Faust, und Herrick in jähem Erschrecken zu ihm treten.»Fühlen Sie sich nicht wohl, Sir Richard?«Bolitho schaute zum nächstliegenden Schiff hinüber und biß die Zähne zusammen. Wieder überzog der Schleier sein Auge. Dieser Besuch hatte ihn so bewegt und enttäuscht, daß er alle Vorsicht vergessen hatte. Im Nahkampf hätte es nur einer Sekunde bedurft.

Er erwiderte:»Wohl genug, vielen Dank. «Sie sahen sich an.»Es soll nicht wieder vorkommen.»

Einige Seeleute waren in die Wanten geklettert und begannen zujubeln, als das Boot aus dem Schatten ins Sonnenlicht lief.

Allday legte Ruder und lauschte den Jubelrufen, die sich auf die anderen Vierundsiebziger übertrugen. Ihr Narren, dachte er ärgerlich. Was wißt ihr schon? Nur er hatte es gemerkt, hatte es sogar unten im Boot gefühlt: zwei Freunde, die sich nichts mehr zu sagen hatten, um die Kluft zu überbrücken, die sie trennte wie ein Burggraben.

Er sah, daß der Schlagmann mehr auf Bolitho achtete als auf seine Arbeit, und funkelte ihn an, bis der andere erblaßte. Allday schwor sich, nie mehr jemanden nach dem bloßen Äußeren zu beurteilen. Für oder gegen Bolitho, das sollte sein Maßstab sein.

Bolitho drehte sich plötzlich um und beschattete seine Augen.

«Schon gut, Allday, entspann dich.»

Allday vergaß den unaufmerksamen Schlagmann und grinste verlegen zurück. Bolitho konnte sogar hinter seinem Rücken Gedanken lesen.»Ich habe mich nur erinnert, Sir Richard.»

«Ich weiß, aber im Augenblick habe ich genug davon.»

Das Boot glitt an Hyperions Großrüsten, und Bolitho schaute zur wartenden Ehrenwache auf. Er verhielt.»Zuweilen erhoffen wir eben zuviel, alter Freund.»

Dann war er ausgestiegen, und die schrillen Triller verkündeten seine Ankunft an Deck. Allday schüttelte den Kopf und murmelte:»So habe ich ihn noch nie gesehen.»

«Was ist, Steuermann?»

Allday drehte sich um, seine Augen blitzten.»Und du! Achte in Zukunft auf den Takt, oder ich zieh dir's Fell ab!»

Er starrte hart auf die hochragende Bordwand. Aus der Nähe konnte man die Narben der Schlacht unter dem Anstrich erkennen.

Wie wir selber, dachte er beunruhigt. Warten aufs letzte Gefecht. Wenn es dazu kam, würde Bolitho alle Freunde brauchen, die er noch besaß.

XV Vereint handeln

Bolitho saß an seinem Pult und setzte seine Unterschrift auf noch eine Depesche an die Admiralität. Die Luft in der großen Kajüte war schwer und feucht; selbst bei geöffneten Stückpforten und offenem Oberlicht fühlte er, wie der Schweiß ihm den Rücken hinunterrann. Er hatte seinen Rock abgelegt und das Hemd fast bis zur Taille aufgeknöpft, aber das nützte auch nichts.

Er schaute auf das Datum der nächsten Depesche, die Yovell ihm diskret unterschob. September. Mehr als drei Monate, seit er sich von Catherine verabschiedet hatte und nach Gibraltar zurückgekehrt war. Er blickte zu den Heckfenstern hinaus — kaum ein Gekräusel heute. Die See war wie Glas, die Sonnenreflexe schmerzten beinahe. Sie schienen ihm viel länger, diese endlosen Tage des Gegenankreuzens in den Fängen eines wütenden Levanter oder des Stillliegens ohne den geringsten, die Segel füllenden Hauch.