Dunstan rief durch die gewölbten Hände:»Leute, an die Brassen, klar zum Wenden!»
Er biß sich auf die Lippen, als eine weitere Kugel neben ihnen einschlug und einen Wasserschwall bis zur Marsrah aufwarf. Seine Männer folgten den Befehlen, die Rahen schwangen herum, der Wind kam jetzt von der anderen Seite, und die Leereling der sich neigenden Phaedra tauchte ins Wasser.
Ein weiterer Schuß verfolgte sie, als die Fregatte mehr Segel setzte. Ihre Rahen waren voller Menschen.
Meheux winkte seinen Toppgasten mit dem Sprachtrichter. Atemlos schrie er:»Macht schnell, ehe sie uns zu fassen kriegen! Wir müssen die Unsern warnen…»
Dunstan verschränkte die Arme und erwartete den nächsten Schuß. Jeder dieser Neunpfünder konnte sein leichtes Schiffchen zerschlagen, bis es unter einer vollen Breitseite so kentern würde wie das Sinclairs.
«Hier steht mehr als ein Geschwader auf dem Spiel, Josh.»
Eine Kanonenkugel krachte durch die Achterreling und fegte längs Deck wie ein glühender Meteor. Zwei Männer wurden getötet, ehe sie den Mund zum Todesschrei aufreißen konnten. Aber Dunstan sah, daß zwei andere an ihre Stelle traten.
«Lauf, meine Schöne, lauf!«Er blickte zu den prallen Segeln empor, zu den Masten, die sich wie Peitschenstiele bogen.
«Nur dieses eine Mal, lauf! Heute bist du das wichtigste Schiff in der ganzen Flotte!»
XVII Klar zum Gefecht!
Kapitän Valentine Keen ging über das schräge Deck und stemmte seine Schultern gegen den Wind. Wie schnell das Mittelmeer in dieser Jahreszeit doch sein Gesicht ändern konnte! Der Himmel war hinter tiefhängenden Wolken verborgen und die See grau.
Er blickte zum trüben Horizont. Alles sah feindselig und kalt aus. In der Nacht hatte es stark geregnet. Jeder erreichbare Mann war an Deck geschickt worden, um mit Segeltuchpützen und einfachen Eimern Frischwasser aufzufangen. Ein Glas davon, mit einem Schluck Rum heruntergespült, belebte die Geister.
Das Deck neigte sich wieder, Hyperion lag so hart am Wind, wie es sich machen ließ. Ihre gerefften Segel glitzerten vor Feuchtigkeit, während sie ihre Position hielt.
Wie schon Isaak Penhaligon, der Segelmeister, erläutert hatte: Bei dem auf Nordost drehenden Wind war es schwer genug, auf Herricks Schiffe zu warten, auch ohne die zusätzliche Last des Wendens auf jeder Wache. Denn wenn sie zu weit nach Westen trieben, war es fast unmöglich, Toulon anzusteuern, sollte der Feind versuchen, diesen Hafen wieder zu erreichen.
Keen stellte sich die Karte vor. Sie waren bereits am kritischen Punkt angelangt. Bei derart schlechter Sicht konnten sie sich meilenweit vom geschätzten Kurs entfernt haben.
Keen ging zur Querreling und schaute aufs Hauptdeck hinunter. Trotz des Regens steckte es wie gewöhnlich voller Leben. Da war Triggs, der Segelmacher, mit seinen Gehilfen. Auf dem Boden hockend, reparierten sie das Schwerwettertuch, das man ihnen von unten brachte. Triggs war erfahren genug, um zu wissen, daß man im Atlantik auf der Suche nach einem Feind jedes Reservesegel benötigen würde.
Sheargold, der Zahlmeister, überwachte mit argwöhnischem Gesicht eine Anzahl Fässer mit Salzfleisch, die aus einer Luke geholt wurden. Keen beneidete ihn nicht um sein Geschäft. Sheargold hatte für jede Seemeile vorauszuplanen. Jede Verzögerung oder plötzliche Änderung der Segelorder konnte das Schiff in die entgegengesetzte Richtung schicken, ohne daß er Zeit fand, die Vorräte aufzufüllen.
Kaum einer dankte es ihm. Im allgemeinen hielt man in den unteren Decks die Zahlmeister für wohlhabend, wenn sie sich zur Ruhe setzten — nachdem sie ihr Glück durch Kürzen der ohnehin dürftigen Portionen der Mannschaft gemacht hatten.
Major Adams stand vorne und überwachte eine Gruppe Seesoldaten beim Griffeklopfen. Wie grell sich doch ihre Scharlachröcke und weißen Schulterriemen bei dem milchigen Licht abhoben, dachte Keen.
Er hörte den Bootsmann, Sam Lintott, über den neuen Kutter mit einem Gehilfen reden. Letzterer hieß Dacie und hatte das Aussehen eines Banditen. Man hatte Keen erzählt, welche Rolle er beim Handstreich auf das spanische Schatzschiff gespielt hatte.
Er glaubte es ohne weiteres. So wie der aussah, mit seiner Augenbinde und der krummen Schulter, konnte er jeden das Fürchten lehren.
Leutnant Parris näherte sich.»Bitte um Erlaubnis zum Geschützexerzieren heute nachmittag, Sir.»
Keen nickte.»Das wird sie nicht gerade freuen, aber es ist eine gute Idee.»
Parris schaute auf die See hinaus.»Werden wir auf die Franzosen treffen, Sir?»
Keen fixierte ihn. Äußerlich unbefangen und umgänglich mit der Mannschaft, schlug er sich innerlich doch mit etwas herum, was sogar in beiläufigen Gesprächen durchklang. War er hinter einem neuen Kommando her? Keen wußte nicht, weshalb er seines verloren hatte. Er hatte von Havens Haß auf ihn gehört. Aber vielleicht gab es noch einen weiteren übergeordneten Offizier, mit dem er die Klingen gekreuzt hatte.
Er entgegnete:»Sir Richard ist hin und hergerissen zwischen dem Zwang, die Zufahrten nach Toulon zu überwachen, und der Wahrscheinlichkeit eines baldigen Befehls, der uns zur Flotte ruft.»
Bolitho saß derweil in der Kajüte, diktierte Yovell und dessen Gehilfen Briefe und erzählte dem jungen Jenour, was man von ihm erwartete, wenn sie auf den Feind stießen. Keen hatte es schon mit Bolitho diskutiert. Bolitho schien unter Druck zu stehen.»Ich habe keine Zeit, alle meine Kommandanten zusammenzurufen«, sagte er.»Vielmehr muß ich darauf bauen, daß sie mich gut genug kennen, um auf meine Befehle richtig zu reagieren. «Keine Zeit? Das war seltsam. Bolitho schien anzunehmen, daß eine Schlacht unvermeidlich war.
Parris sagte:»Ich überlege, ob wir dann Viscount Somervell wiedersehen werden.»
Keen merkte auf.»Was geht es Sie an?«Er milderte seinen Ton.»Ich würde sagen, er hält sich besser von uns fern.»
Parris stimmte zu.»Ja. Tut mir leid, daß ich ihn erwähnt habe,
Sir. «Er las den Zweifel in Keens Augen.»Das hatte nichts mit Sir Richard zu tun. «Keen schaute beiseite.»Hoffentlich.»
Er ärgerte sich über Parris' Interesse, mehr noch über sein eigenes sofortiges Abschirmen Bolithos. Er ging zur Windseite, ließ sich vom Fähnrich der Wache ein Fernrohr geben und richtete es auf die ihnen folgenden Schiffe. Die drei Vierundsiebziger bekamen es fertig, den richtigen Abstand zu halten. Der vierte, Merryes Capricious, verschwand fast in Gischt und Schaum. Er lag etwas zurück, weil man daran arbeitete, die Großbramstenge zu ersetzen, die eine plötzliche Bö weggerissen hatte, bevor man die Segel reffen konnte.
Keen lächelte. Die Verantwortung eines Kommandanten hörte nie auf. Der Mann, den die anderen für einen Halbgott hielten, würde nichtsdestoweniger in seiner Kajüte umhergehen und sich um alles und jedes sorgen.
Ein Ausguck rief:»An Deck! Tybalt signalisiert!»
Keen sah den Fähnrich an.»Hoch mit Ihnen, Mr. Furnival, Tybalt wird Neuigkeiten für uns haben.»
Später ging Keen in die Kajüte hinunter und meldete sich bei Bolitho. »Tybalt sichtet den Rest des Geschwaders im Osten, Sir Richard.»
Der Admiral schaute von seinen Papieren hoch. Er sah müde aus.»Immerhin etwas, Val. «Er deutete auf einen Stuhl.»Ich würde Sie ja bitten, sich zu uns zu setzen, aber ich weiß, Sie werden an Deck gebraucht, bis die Schiffe näherkommen.»
Als Keen ging, meinte Sir Piers Blachford:»Ein guter Mann, er gefällt mir. «Er lag halb in einem von Bolithos Sesseln, ein ruhender Held.
Yovell packte seine Briefe zusammen und die Notizen, die er den verschiedenen Kopien beifügen wollte. Ozzard trat ein, um die leeren Kaffeetassen abzuräumen, indes Allday den prächtigen Paradedegen polierte. Er war ein Geschenk der Einwohner von Falmouth für Bolithos Leistungen im Mittelmeer und bei den Vorgängen, die zur Schlacht von Abokir geführt hatten.