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Die Schiffsbauer im Arsenal und auf den privaten Werften legten die letzte Hand an die im vergangenen Jahr begonnenen Kauffahrteischiffe, die mit den Geschwadern der Republik im Frühjahr oder Sommer zum ersten Male auslaufen sollten. In jedem Jahr mehrte sich die Zahl der venezianischen Schiffe, die die Hagge mit dem goldenen Löwen in alle Himmelsrichtungen trugen und den Einfluß Genuas, der gefährlichsten Nebenbuhlerin, immer mehr zurückdrängten.

Jeder Kaufherr, der ein starkes Kauffahrteischiff bauen wollte, erhielt, wenn er für würdig befunden wurde, vom Senat eine Anleihe von dreißig goldenen Pfund. Außerdem rüstete die Republik vier Geschwader aus, auf deren Schiffe die Kaufleute ihre Waren laden konnten. Die Schiffe wurden vor der Fahrt durch die Beamten der Ufficiale sopra Rialto öffentlich versteigert. Der Kaufherr, der ein Schiff für eine Summe, die bis zu dreitausend Dukaten betragen konnte, zugesprochen erhielt, war der Patrone und verfügte über den Laderaum. Meist taten sich vier oder fünf Kaufleute zusammen. Das Schiff wurde von den Söhnen vornehmer Familien begleitet, die für seinen Schutz verantwortlich waren und nicht versäumten, in den fremden Häfen Nebengeschäfte zu tätigen.

Das erste Geschwader, bestehend aus fünf oder sechs Galeeren, war für die Fahrt nach Alexandria, dem bedeutendsten Hafen im Orienthandel, vorgesehen; das zweite Geschwader reiste nach Beirut in Syrien, nach Damaskus, Palästina, berührte Famagosta und andere cyprische Häfen; das dritte Geschwader ging in Byzanz vor Anker, kreuzte durch das Schwarze Meer und drang bis zu der Mündung des Don-Flusses vor; das vierte Geschwader endlich, das man die «Reisegaleeren von Flandern» nannte, bestrich die nördliche Küste des schwarzen Erdteils, segelte durch die Meerenge von Gibraltar nach England und Handern, lief auf der Rückreise die spanischen und französischen Küsten an und kehrte über Sizilien nach Venedig zurück. Die Reise des vierten Geschwaders dauerte ein Jahr und brachte den höchsten Gewinn, war allerdings auch mit dem größten Risiko verbunden. Seeräuber machten die sizilischen, spanischen und portugiesischen Gewässer unsicher, wenn sie auch selten wagten, die venezianischen Galeeren, die sich ihrer Haut zu wehren wußten, anzügreifen.

Die vier Geschwader brachten die Waren Indiens, Griechenlands, Palästinas, Syriens, Ägyptens, Afrikas und der Länder um das Schwarze Meer nach Venedig, die von hier aus über ganz Europa verteilt wurden.

Messer Pietro Bocco ließ sich mit seinem Secretario zum Alten Rialto bringen. Er war gut gelaunt, hatte er doch von drei Geschäftsfreunden den Auftrag bekommen, auf der Versteigerung ein Schiff des zweiten Geschwaders für das Höchstgebot von zweitausendfünfhundert Dukaten zu erwerben. Er zweifelte nicht daran, daß er mit dieser Summe alle anderen Bewerber aus dem Felde schlagen würde. In der Mitte des Monats April sollte das Geschwader auslaufen.

Pietro Bocco war während der Wintermonate nicht müßig gewesen. In dem Lager seines Hauses und in einem gemieteten Gewölbe am Ufer des Canal Grande lagen die Waren bereit, die er für den Austausch vorgesehen hatte: Gläser, Spiegel, Waagen, Beile, Waffen, elfenbeinerne Kämme und andere Gegenstände, die im Orient gern gegen Gewürze, Goldstaub, Seide, kostbare Steine, Perlen und Tapeten getauscht wurden.

Er glaubte auch allen Grund zu haben, mit seinem Neffen zufrieden zu sein. Seit der letzten Auseinandersetzung hatte dieser keine Aufsässigkeit mehr gezeigt und regelmäßig den Unterricht bei Bruder Lorenzo besucht. Er schien sich damit abgefunden zu haben, im April in die Schule des Benediktinerklosters zu San Nicolo einzutreten. War er erst hinter den dicken Mauern in der Obhut der Mönche, würde sich das Weitere schon finden. Der Prokurator, der diesseits des Canal Grande für die Betreuung der Waisen verantwortlich war, ein ehrwürdiger Greis aus der vornehmsten Familie der Stadt, hatte Pietro Boccos Vorschlag wohlwollend zugestimmt.

So wendete sich unter den Händen des ehrgeizigen Kaufmanns alles zu seinem Besten.

Er ahnte nicht, wie falsch er seinen Neffen beurteilte. Wohl verstand er es, sein Geld so gewinnbringend wie möglich anzulegen und sich durch ein freundliches Wesen bei den Senatoren und Prokuratoren in Gunst zu bringen. In den Seelen der Menschen kannte er sich weniger gut aus, ein Fehler, der ihm noch manche Überraschung bereiten sollte.

Selbst Kapitän Matteo hatte ihm vor einiger Zeit eine Abfuhr erteilt, als er ihn mit einer neuen Schmuggelfahrt beauftragen wollte. Nicht alles ließ sich mit Geld erreichen. Pietro Bocco aber glaubte an die Allmacht des Geldes. Die Fähigkeit, sich in das Wesen anderer hineinzuversetzen, ihre Gedanken und Gefühle nachzuempfinden und in das Gespinst der eigenen Pläne einzubeziehen, war ihm fremd. Er war aus gröberem Holz geschnitzt: «Hier hast du hundert Dukaten, bring mit deiner Barke das Getreide an den und den Ort. - Hundert Dukaten sind dir zuwenig? Gut, du sollst hundertfünfzig Dukaten haben, aber keinen Soldo mehr.» Kapitän Matteo aber hatte sich schweigend umgedreht und war hinausgegangen.

Pietro Bocco dachte nicht gern an diese ihm unverständliche Niederlage, die er erlitten hatte. Er zog es vor, sich im Schein seiner geschäftlichen Erfolge zu sonnen.

An der Ponte della moneta stieg er mit seinem Secretario aus der Barke und ging durch die Gassen der Goldschmiede, Edelsteinschneider und Geldwechsler zum Alten Rialto, auf dem sich schon viele Kaufleute eingefunden hatten. Er begrüßte Bekannte, wandelte durch die Bogengänge, die zum Schutz gegen den Regen und zur Förderung des geschäftlichen Verkehrs von der Regierung erbaut worden waren, führte Gespräche, die der Vorbereitung neuer Geschäfte dienten, gab seinem Secretario, der ihm auf dem Fuß folgte, die Anweisung, auf der nahen Riva di ferro Eisenwaren einzukaufen und begab sich zu einem kühlen Trunk in das Gasthaus neben der Kirche San Giacomo, dem Treffpunkt der Kaufleute.

Er hielt sich hier nicht lange auf. Diener brachten bereits Stühle und einen Tisch für die Beamten der Ufficiale sopra Rialto, welche die Versteigerung leiteten, und stellten sie unter dem Feigenbaum vor der Kirche auf. Nach und nach kamen auch die Kaufleute, fanden sich in Gruppen zusammen und tauschten Bemerkungen über den voraussichtlichen Verlauf der Versteigerung aus. Dabei versuchten sie, einander vorsichtig über die Höhe der Angebote auszuhorchen.

Es gab den Ausspruch eines witzigen Kaufmannes, der jedes Jahr von neuem in den Gesprächen auftauchte: Bei uns in Venedig werden die Schiffe erworben wie anderswo ein Sack Biscotto.

Die Kaufleute Venedigs waren stolz darauf, durch ein einfaches «Ja» für die Dauer einer weiten Seereise in den Besitz eines Schiffes der Republik kommen zu können.

Die Versteigerung begann in der althergebrachten Weise mit der Ausbietung der Schiffe, die zum ersten Geschwader gehörten. Die Gespräche der Kaufleute verstummten. Jeder war auf die ersten Angebote gespannt. Interessiert lauschten sie der Beschreibung des Schiffes: Masten, Segelzeug, Anzahl der Ruder, Länge, Breite und — was das Wichtigste war — Fassungsvermögen des Laderaumes.

Der Beamte forderte die Kaufleute auf, ein Angebot zu machen. Erwartungsvolles Schweigen. So war es jedes Jahr, man scheute sich, als erster zu bieten. Der Beamte runzelte die Stirn. Endlich nannte einer eine niedrige Summe, wurde aber gleich darauf von einem anderen überboten.

Der Schreiber notierte, und der hinter dem Tisch stehende Beamte wiederholte laut das letzte Angebot. Erregtes Gemurmel erhob sich, als einer von fünfhundert auf tausend Dukaten erhöhte.

In den Zweigen des Feigenbaumes, der bereits seine Blüten öffnete, lärmten die Spatzen, unberührt von dem Treiben der Menschen. Das Kreuz auf dem Turm der alten strohgedeckten Kirche hob sich scharf vom blauen Himmel ab. Ein frischer Frühlingswind strich über die Häuserdächer.

Die Versteigerung am Rande des wogenden Verkehrs des Alten Rialto nahm ihren Fortgang. Gegen Mittag waren die fünf Galeeren des ersten Geschwaders für die Reise nach Alexandria versteigert. Nach dem Mittagessen sollten die Schiffe des zweiten Geschwaders an die Reihe kommen. Die Kaufleute waren über den bisherigen Verlauf der Versteigerung zufrieden. Die Preise, die geboten worden waren, schienen ihnen nicht zu hoch gewesen zu sein. Auch der Beamte der Republik war zufrieden. So trennte man sich mit frohen Zurufen und beglückwünschte die fünf neuen Patroni der Schiffe.