Messer Pietro Bocco hegte keinen Zweifel mehr, daß es ihm gelingen würde, für zweitausend Dukaten in den Besitz des seetüchtigsten Schiffes des zweiten Geschwaders zu kommen. Er hätte dann für sich und seine Geschäftspartner fünfhundert Dukaten gespart. Vielleicht würde er sogar mit fünfzehnhundert Dukaten auskommen. Auch das Glück spielte bei der Versteigerung eine Rolle.
Er ließ sich das Mittagessen gut schmecken, zumal ihm sein Secretario berichten konnte, daß er auf der Riva di ferro gut eingekauft hatte.
Eine Stunde nach dem Essen kamen die Beamten der Ufficiale sopra Rialto; die Kaufleute versammelten sich im Halbkreis um den Tisch; der Schreiber legte Papier, Tintenbehälter und Federkiel zurecht, und die Versteigerung der Schiffe des zweiten Geschwaders begann.
Die Sonne stand im Mittag, der Wind hatte sich gelegt. Es war so warm geworden, daß die Kaufleute ihren Dienern winkten und ihnen die Mäntel zur Aufbewahrung gaben. Der kurze Schatten des Feigenbaumes war nicht viel größer als der Umfang der mächtigen Baumkrone, in deren Zweigen Spatzen und Singvögel saßen und müde blinzelnd in die sich unter den Sonnenstrahlen öffnenden Blüten schauten.
Zwei deutsche Kaufleute mit ihrem Dolmetscher, die gerade vorbeigingen, blieben einen Augenblick stehen und ließen sich erklären, was hier geschah. Lastträger, begleitet von einem aufgeregt sie dirigierenden Schreiber, trugen Tuchballen vorbei. Im Turm von San Giacomo läutete die Glocke.
Der Alte Rialto war erfüllt von dem Geräusch langsamer und eiliger Schritte, dem Klang der Stimmen, die würdevoll, beschwörend, überredend, spöttisch, hitzig oder mit gelassener Ruhe Worte formten, um den Gesprächspartner von der Güte einer Ware und ihren wunderbaren Aussichten auf gewinnbringenden Absatz zu überzeugen. Namen ferner Länder und Meeresküsten wurden genannt, die Basare des Orients und die Karawanen auf der Seidenstraße durch die Wüsten Asiens bis nach dem sagenhaften China, Elefantenjagden in den Dschungeln Indiens und der Verkauf schwarzer und weißer Sklaven auf den Märkten Kairos lebten in den Gesprächen der venezianischen und fremden Kaufleute auf dem Alten Rialto.
Der Beamte, unberührt von dem, was um ihn geschah, rief das letzte Angebot aus und wartete, ob einer mehr böte. Zwei Schiffe waren zu für beide Teile annehmbaren Preisen versteigert worden. Messer Pietro Bocco wußte, daß die dritte Galeere, die jetzt aufgeboten wurde, am seetüchtigsten war und den größten Laderaum hatte. Aber auch die anderen Kaufleute wußten es, so daß eine stärkere Beteiligung als bei den ersten beiden Schiffen zu erwarten war. Der Beamte pries mit heiserer Stimme die Vorzüge der Galeere und forderte die Herren auf, zu bieten.
Messer Pietro Bocco hielt sich noch zurück; erst als er sah, daß der Beamte sich vorbereitete, das Zeichen zur Bestätigung des letzten Angebotes von zwölfhundert Dukaten zu geben, mischte er sich ein.
«Fünfzehnhundert Dukaten!» rief er, bemüht, die fiebernde Erwartung zu verbergen. «Sechzehnhundert!» sagte eine Stimme im Hintergrund. Ein großer, schlanker Kaufherr war es. Er hatte sich bisher an der Versteigerung noch nicht beteiligt.
Pietro Bocco merkte, daß er einen ernsthaften Mitbewerber bekommen hatte. «Achtzehnhundert!» sagte er laut.
Der Beamte sah fragend in die Runde.
«Zweitausend!» überbot der andere gleichgültig. Die Kaufleute wurden auf das Duell, das zwischen den beiden begonnen hatte, aufmerksam. Zweitausend Dukaten waren eine hohe Summe. Das Höchstgebot für die beiden ersten Schiffe war fünfzehnhundert gewesen.
Pietro Bocco sah die vielen Blicke, die auf ihn gerichtet waren. Zeit zu langem Überlegen blieb ihm nicht.
«Zweitausendzweihundert!» rief er.
«Zweitausendfünfhundert!» sagte der andere. Kein Zug in seinem Gesicht veränderte sich.
Pietro Bocco verbarg seine Enttäuschung hinter einem spöttischen Lächeln. Mehr als zweitausendfünfhundert Dukaten durfte er nach der Vereinbarung, die er mit seinen Geschäftsfreunden getroffen hatte, nicht bieten. Es sei denn, daß er aus seiner eigenen Tasche eine Summe dazulegte und dafür dann mehr Laderaum beanspruchte. Und er hatte gehofft, mit zweitausend oder gar fünfzehnhundert Dukaten auszukommen. Er kannte den anderen Kaufherrn nicht; eines war ihm jedoch klar: Der Schlanke mit dem gleichmütigen Gesicht mußte über ein großes Kapital verfügen. In diesen Zeiten konnte ein unbekannter Kaufmann über Nacht ein Vermögen verdienen, wenn ein Unternehmen glückte, ebenso konnte er auch über Nacht ein Vermögen verlieren.
«Zweitausendsiebenhundert!» sagte Pietro Bocco. Es war dies, wie er sich vornahm, sein letztes Angebot für die beste Galeere des zweiten Geschwaders.
«Dreitausend!» überbot der andere ohne Zögern. Ein unwilliges Gemurmel ließ sich hören. Die Kaufleute waren mit der hohen Summe nicht einverstanden, mußten sie doch fürchten, daß dadurch die Preise für die anderen Galeeren in die Höhe getrieben würden. Der Kaufherr kümmerte sich nicht um die Erregung, die er verursachte. Er sagte seinem Diener einige leise Worte ins Ohr und sah dann fordernd auf den Beamten.
Pietro Bocco kniff die Lippen zusammen, als die Galeere dem anderen zugesprochen wurde.
Die Versteigerung dauerte bis in die Abendstunden hinein. Wer ein Schiff erworben hatte, ging zufrieden davon. Die anderen blieben, bis die letzte Galeere versteigert war.
Messer Pietro Bocco hatte die vierte Galeere des zweiten Geschwaders, ein kleineres, aber gutes, seetüchtiges Schiff für zweitausend Dukaten zugesprochen erhalten und war mit gemischten Gefühlen nach Hause gegangen. Die Geschäftsfreunde, die fest mit der Erwerbung des größeren Schiffes rechneten, würden ihm kein großes Lob ausstellen. Aber sie würden schließlich einsehen müssen, daß es nicht seine Schuld war. Und wenn das Glück sie begünstigte, war auch mit diesem Schiff ein großer Verdienst zu erzielen. Vielleicht war es eine Fügung des Schicksals, daß sie gerade diese Galeere bekommen hatten. Wer konnte das wissen?
Die nächsten Tage und Wochen waren angefüllt mit Arbeit. Matrosen mußten angeworben, die Ware verstaut und viele Formalitäten auf der Ufficiale sopra Rialto erledigt werden.
Messer Pietro Bocco würde selbst nicht mitfahren, die vier Kaufherren hatten den Jüngsten unter ihnen, einen unternehmungslustigen vierzigjährigen Mann, zum Patrone des Schiffes für die Fahrt nach Beirut, Damaskus und Cypern bestimmt.
Einer der Matrosen, die sich für die Reise anwerben ließen, hieß Marino. Er tat es Marco zuliebe und weil es ihm eigentlich gleichgültig war, ob er nach Alexandria, Massilia, Amsterdam, Byzanz oder irgendeinem anderen Hafen ging. Er kannte sie alle, jede Stadt hatte ihren besonderen Reiz. Im Gasthaus «Venezia» in Amsterdam saß es sich ebensogut wie in der kleinen Hafenschenke in der Rue de la Mure von Massilia.
Er hatte sich in den vergangenen Monaten mehrmals mit Marco getroffen, von dessen Auseinandersetzungen mit seinem Oheim erfahren und sich gesagt: Gut, soll er sich die Welt ansehen. Dümmer wird er nicht davon. Warum soll er sich in ein Kloster sperren lassen, wenn er keine Lust dazu hat?
Eine Woche, nachdem Pietro Bocco das Schiff erworben hatte, kamen Marco und Marino wieder im Gasthaus Zur Glocke zusammen. Vor Marco stand ein Glas, das mehr Wasser als Wein enthielt. Seit der ersten Begegnung mit Marino hatte er keinen unverdünnten Wein mehr getrunken.
Marino berichtete, daß das Geschwader in drei Wochen auslaufen werde. Marco atmete auf. Endlich hatte er Gewißheit. Der Termin lag noch vor seinem geplanten Eintritt in die Klosterschule. Es erfüllte ihn mit Genugtuung, daß er ausgerechnet auf Pietro Boccos Schiff die Reise in die Welt antreten würde.