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Sie hörten ihn ohne Unterbrechung an. Als er zum Ende kam, war es sehr spät geworden, und Alvin fühlte größere Müdigkeit als je zuvor. Anstrengung und Aufregung dieses langen Tages machten sich endlich bemerkbar, und ganz plötzlich schlief er ein.

Als er aufwachte, befand er sich in einem fremden Zimmer, und es dauerte einige Zeit, bis ihm einfiel, daß er nicht mehr in Diaspar war. Während das Bewußtsein wiederkehrte, erstrahlte auch das Licht um ihn, bis er im sanften, kühlen Leuchten der Morgensonne gebadet wurde, die durch die jetzt durchsichtigen Wände hereinschien.

Mit sanftem, musikalischem Ton öffnete sich eine Wand. Hilvar trat herein und betrachtete Alvin mit einer Mischung aus Belustigung und Besorgnis.

„Nachdem du wach bist, Alvin“, sagte er, „kannst du mir vielleicht erklären, was du vorhast und wie dir die Rückkehr gelungen ist. Die Senatoren sind gerade unterwegs, um sich die Untergrundbahn anzusehen; sie verstehen nicht, wie du mit ihr hierherkommen konntest. Hast du sie überhaupt benützt?“

Alvin sprang aus dem Bett und reckte sich gewaltig.

„Wir müssen sie einholen“, meinte er. „Ich möchte nicht, daß sie ihre Zeit verschwenden. Was deine Frage angeht — nun, die Antwort darauf werde ich dir bald zeigen.“

Sie hatten fast den See erreicht, ehe sie die drei Senatoren einholten.

Sie bemerkten, daß Alvin von ihrer Absicht wußte, und das unerwartete Zusammentreffen war ihnen peinlich.

„Ich fürchte, ich habe Sie gestern irregeführt“, sagte Alvin fröhlich. „Ich bin nämlich nicht auf dem alten Weg nach Lys gekommen, so daß Ihre Sperre völlig unnötig war. Übrigens hat auch der Rat von Diaspar die Bahn verriegelt, mit ebensowenig Erfolg.“

Die Gesichter der Senatoren boten ein Bild der Verwirrung, als sie eine Lösung nach der anderen überlegten und jede wieder verwerfen mußten.

„Wie sind Sie denn dann hergekommen?“ fragte der Anführer. In seinen Augen spiegelte sich ein plötzliches Ahnen, und Alvin merkte, daß er der Wahrheit auf die Spur kam. Er fragte sich, ob er seinen stummen Befehl aufgefangen hatte, den er gerade über das Gebirge schickte. Aber er sagte nichts, sondern deutete schweigend auf den nördlichen Himmel.

Eine Nadel aus silbernem Licht schoß über das Gebirge, schneller als die Augen folgen konnten. Sechstausend Meter über Lys kam sie zum Stillstand. Es gab keine Verlangsamung, kein Abbremsen der gewaltigen Geschwindigkeit. Sie kam augenblicklich zum Stehen, so daß die Augen weiter über den Himmel glitten, ehe man ihre Bewegung hemmen konnte. Vom Himmel drang ein mächtiger Donnerschlag; wenig später landete das schimmernde Raumschiff hundert Meter entfernt auf dem Hügel.

Schwer zu sagen, wer am meisten überrascht wurde, aber Alvin faßte sich als erster. Als sie auf das Raumschiff zuliefen, fragte er sich, ob es immer mit dieser unvorstellbaren Geschwindigkeit flog. Bei seinem ersten Flug hatte er überhaupt keine Bewegung gespürt. Bedeutend erstaunlicher war jedoch die Tatsache, daß dieses herrliche Schiff noch vor einem Tag unter einer dicken Schicht aus eisenhartem Gestein versteckt gewesen war. Erst als Alvin das Schiff erreichte und sich die Finger an der Hülle verbrannte, begriff er, was geschehen war. Nahe am Heck konnte man noch Spuren von Erde sehen, aber sie waren zu Lava eingeschmolzen. Alles übrige war abgestreift, so daß die strahlende Hülle hervortrat, der weder die Zeit noch irgendeine Naturkraft etwas anhaben konnte.

Alvin stand in der offenen Tür, Hilvar neben ihm, und sah auf die schweigenden Senatoren. Er hätte wissen mögen, was sie dachten — was ganz Lys dachte. Ihrem Ausdruck nach zu schließen, schien es fast, als seien sie über alles Denken hinaus…

„Ich gehe nach Shalmirane“, sagte Alvin, „und ich werde in einer Stunde nach Airlee zurückkehren. Aber das ist nur ein Anfang, und während ich fort bin, möchte ich Sie bitten, folgendes zu bedenken.

Das ist kein normales Flugzeug, mit dem die Menschen über die Erde flogen. Es ist ein Raumschiff, eines der schnellsten, das je gebaut wurde.

Wenn Sie wissen wollen, wo ich es gefunden habe, erfahren Sie die Antwort in Diaspar. Aber Sie müssen hingehen, denn Diaspar wird nie zu Ihnen kommen.“

Er wandte sich an Hilvar und deutete auf die Tür. Hilvar zögerte nur einen Augenblick, sah nur noch einmal auf die vertraute Landschaft. Dann trat er in die Luftschleuse.

Die Senatoren warteten, bis das Schiff verschwunden war. Dann zuckte der grauhaarige junge Mann, der die Gruppe anführte, die Achseln und wandte sich an einen seiner Kollegen.

„Du hast dich immer gegen alles Neue gesträubt“, sagte er, „und bis jetzt konntest du dich immer durchsetzen. Aber ich glaube nicht, daß die Zukunft bei einer unserer beiden Kulturen liegt. Diaspar und Lys haben das Ende einer Ära erreicht, und wir müssen versuchen, das Beste daraus zu machen.“

„Ich fürchte, du hast recht“, kam die düstere Antwort. „Wir stehen in einer Krise, und Alvin wußte, was er sagte, als er uns empfahl, nach Diaspar zu gehen. Sie wissen dort schon Bescheid über uns, so daß es keinen Zweck hat, sich länger zu verbergen. Ich glaube, wir müssen uns mit unseren Vettern besprechen — vielleicht sind sie jetzt eher zur Zusammenarbeit bereit.“

„Aber die Untergrundbahn ist an beiden Enden verschlossen!“

„Wir können sie hier öffnen; es wird nicht mehr lange dauern, bis Diaspar das gleiche tut.“

Die Senatoren, sowohl die in Airlee anwesenden als auch die über ganz Lys verstreuten, überlegten sich den Vorschlag, und er gefiel ihnen gar nicht. Aber sie sahen keine andere Wahl.

Früher, als er erwarten durfte, begann die von Alvin ausgestreute Saat aufzugehen.

Die Berge schwammen noch im Schatten, als sie Shalmirane erreichten.

Von ihrer Höhe aus erschien die große Mulde der Festung winzig klein; es schien unmöglich, daß das Schicksal der Erde einst von diesem kleinen schwarzen Kreis abgehangen hatte.

Als Alvin das Schiff in den Ruinen am See landete, überwältigte ihn die Verheerung der Landschaft. Er öffnete die Luftschleuse, und die Stille kroch in das Schiff. Hilvar, der während des ganzen Fluges kaum gesprochen hatte, fragte ruhig: „Warum bist du nochmals hierhergeflogen?“

Alvin antwortete nicht, bis sie das Seeufer fast erreicht hatten. Dann sagte er: „Ich wollte dir das Schiff zeigen. Und außerdem hoffte ich, den Polypen wieder vorzufinden; ich glaube, ich schulde ihm allerhand, und ich wollte ihm erzählen, was ich entdeckt habe.“

„In diesem Fall“, erwiderte Hilvar, „wirst du warten müssen. Du bist viel zu früh zurückgekommen.“

Alvin hatte es erwartet. Der See lag vollkommen still. Er kniete am Ufer nieder und starrte in die kalten dunklen Tiefen.

Winzige, durchsichtige Kelche mit fast unsichtbaren Greifarmen trieben unter der Oberfläche hin und her. Alvin tauchte eine Hand ins Wasser und holte einen davon heraus. Er ließ ihn sofort wieder fallen; er hatte ihn gestochen.

Eines Tages — vielleicht Jahre, vielleicht Jahrhunderte später — würden sich diese gehirnlosen Zellen wieder zusammenschließen, und der große Polyp würde wiedererstehen. Alvin fragte sich, wie er seine Entdeckung aufnehmen würde; vielleicht würde er nicht erfreut sein, die Wahrheit über den Meister zu erfahren. Ja, er könnte sich sogar weigern zuzugeben, daß sein äonenlanges Warten umsonst gewesen war.