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Aber er hatte einen weiten Weg zurückgelegt, und sein ganzes Leben auf diesen Augenblick gewartet; er wollte nicht umkehren, solange es noch so viel zu sehen gab.

„Ab sofort bleiben wir im Schiff“, sagte er, „und landen nirgends mehr.

Das müßte doch genügend Sicherheit verbürgen.“

Hilvar zuckte die Achseln, als weigere er sich, die Verantwortung für die kommenden Ereignisse zu übernehmen. Jetzt, da Alvin ein gewisses Maß an Vorsicht zeigte, wollte er nicht gerne zugeben, daß er ebensosehr drauf brannte, ihre Entdeckungsreise weiterzuführen, obwohl er längst jede Hoffnung auf intelligentes Leben aufgegeben hatte.

Vor ihnen lag eine Doppelwelt, ein großer Planet mit einem kleineren Trabanten. Der Riese hätte ein Zwilling des Planeten sein können, den sie als zweiten aufgesucht hatten; er war in die gleiche Decke aus giftigem Grün eingehüllt. Es hatte keinen Sinn, hier zu landen; diese Geschichte kannten sie schon.

Alvin ließ das Schiff in geringer Höhe über die Oberfläche des Trabanten gleiten; er brauchte keine Warnung von den komplizierten Schutzmechanismen, um zu wissen, daß es hier keine Atmosphäre gab. Alle Schatten hatten scharfe, abgeschnittene Ränder, und zwischen Tag und Nacht gab es keine Abstufungen. Es war die erste Welt, auf der er etwas der Nacht Vergleichbares entdeckte, denn über dem Horizont stand nur eine der etwas weiter entfernten Sonnen. Die Landschaft wurde von einem dunklen Licht überflutet, als sei sie in Blut getaucht.

Viele Kilometer flogen sie niedrig über Berge dahin, die noch so schroff und zerrissen wie in den fernen Zeitaltern ihrer Geburt emporragten.

Diese Welt kannte weder Veränderung noch Fäulnis, sie war nie von Wind und Regen heimgesucht worden. Hier wurden keine Ewigkeitsanlagen gebraucht, um die Dinge in ihrer alten Frische zu erhalten. Aber wenn es keine Luft gab, konnte es auch kein Leben gegeben haben — oder doch?

„Natürlich“, sagte Hilvar, als ihn Alvin danach fragte. „An dieser Vorstellung ist biologisch gesehen nichts Absurdes. Leben kann im luftleeren Raum nicht entstehen — aber es kann Formen entwickeln, die darin überleben werden. Es muß unzählige Male geschehen sein, sobald ein bewohnter Planet seine Atmosphäre verlor.“

„Aber glaubst du denn, daß intelligente Lebensformen in einem Vakuum existieren würden? Hätten sie nicht gegen den Verlust ihrer Luft vorgesorgt?“

„Wahrscheinlich, wenn er eingetreten wäre, nachdem sie genug Verstand besaßen, um das verhindern zu können. Wenn sich jedoch die Atmosphäre verflüchtigte, solange sie noch in einem primitiven Zustand lebten, müßten sie sich entweder anpassen oder untergehen. Nachdem sie sich angepaßt haben, könnten sie eine sehr hohe Intelligenz entwikkeln. Ja, sogar mit großer Wahrscheinlichkeit — der Anreiz wäre nämlich gewaltig.“

Dieses Argument blieb rein theoretischer Natur, dachte Alvin, soweit es diesen Planeten betraf. Nirgends gab es ein Zeichen, daß er jemals Leben, intelligent oder nicht, beherbergt hatte. Aber worin lag in diesem Fall der Zweck dieser Welt? Das gesamte Sternsystem der Sieben Sonnen war künstlich geschaffen, und auch diese Welt mußte Teil ihres grandiosen Entwurfs sein.

Man konnte sich vorstellen, daß sie ausschließlich Schmuckzwecken diente — als Mond am Himmel ihres riesigen Begleiters.

Aber auch in diesem Fall hätte man doch irgendeinen Zweck damit verbunden.

„Schau“, sagte Hilvar, auf den Bildschirm deutend. „Dort drüben rechts.“

Alvin veränderte den Kurs des Raumschiffes, und die Landschaft kippte.

Die roterleuchteten Felsen verschwanden bei der Geschwindigkeit, mit der sie darüber hinwegrasten; dann stabilisierte sich das Bild, und unten lag der unverwechselbare Beweis für Leben.

Unverwechselbar — aber auch unverständlich. Er hatte die Form einer langen Reihe von Säulen, die jeweils dreißig Meter voneinander entfernt und doppelt so hoch waren. Sie erstreckten sich in die Ferne, schrumpften in der Perspektive, bis sie der Horizont verschlang.

Alvin steuerte das Schiff nach rechts und flog an der Säulenreihe entlang; er fragte sich, welchem Zweck sie wohl gedient haben könnte. Die Säulen waren völlig gleichgeartet und marschierten in ununterbrochenem Gänsemarsch über die Berge und hinab in die Täler.

Nichts deutete darauf hin, daß diese Säulen jemals etwas zu tragen gehabt hätten; sie waren glatt, ohne besondere Merkmale und verjüngten sich ein wenig zur Spitze hin.

Ganz plötzlich veränderte die Reihe ihre Richtung und wandte sich in einem scharfen Winkel nach rechts. Das Raumschiff schoß mehrere Kilometer über diesen Punkt hinaus, ehe Alvin reagieren und das Schiff in die neue Richtung bringen konnte.

Die Säulen setzten sich in ungebrochener Reihenfolge über die Landschaft fort. Dann, achtzig Kilometer von der ersten Ecke entfernt, beschrieben sie wieder einen rechten Winkel. Bei diesem Tempo, dachte Alvin, werden wir bald wieder dort sein, wo wir angefangen haben.

Die endlose Folge der Säulen hatte sie so hypnotisiert, daß sie die Lücke mehrere Kilometer hinter sich gelassen hatten, ehe Hilvar rief, und Alvin, der überhaupt nichts bemerkt hatte, mit dem Schiff umkehrte. Sie schwebten langsam herab, und als sie über der von Hilvar gefundenen Stelle kreisten, begann in ihnen ein phantastischer Argwohn aufzukeimen — obwohl ihn zuerst keiner der beiden auszusprechen wagte.

Zwei Säulen waren an ihrer Basis abgebrochen. Sie lagen auf dem Felsboden.

Das war noch nicht alles; die beiden Säulen rechts und links von dieser Lücke waren von einer unwiderstehlichen Kraft zur Seite gebogen.

Es gab keine Ausflucht vor der Schlußfolgerung. Jetzt wußte Alvin, was sie überflogen hatten; er hatte ähnliches oft in Lys gesehen, es aber der erschreckenden Ausmaße wegen nicht gleich erkannt.

„Hilvar“, sagte er und wagte kaum, seine Gedanken in Worte zu fassen,

„weißt du, was das ist?“

„Kaum zu glauben, aber wir sind am Rand eines Geheges entlanggeflogen. Dieses Ding hier ist ein Zaun — ein Zaun, der nicht stark genug war.“

„Leute mit Haustieren“, meinte Alvin mit dem nervösen Lachen, hinter dem Männer manchmal Scheu zu verbergen suchen, „sollten eigentlich besser auf sie aufpassen.“

Hilvar ging auf diese gezwungene Spaßhaftigkeit nicht ein; er starrte mit gerunzelter Stirn auf die zerstörte Barrikade.

„Ich versteh es nicht“, sagte er schließlich. „Woher hätte es auf diesem Planeten Nahrung bekommen können? Und warum brach es aus seinem Gehege aus? Ich würde viel dafür geben, um zu erfahren, wie dieses Tier aussah.“

„Vielleicht hat man es hier verlassen, und es brach aus, weil es Hunger hatte“, vermutete Alvin. „Oder irgend etwas hat es wütend gemacht.“

„Geh ein wenig tiefer“, sagte Hilvar. „Ich möchte mir den Boden ansehen.“

Sie schwebten hinunter, bis das Schiff fast den Felsboden berührte, und jetzt bemerkten sie, daß die Ebene mit unzähligen kleinen Löchern übersät war, keines größer als drei bis vier Zentimeter . Außerhalb des Zaunes jedoch zeigte der Boden diese geheimnisvollen Narben nicht; am Zaun hörten sie abrupt auf.

„Du hast recht“, sagte Hilvar. „Es war hungrig. Aber es ist kein Tier gewesen; man könnte es eher eine Pflanze nennen. Es hatte den Boden in seinem Gehege ausgesaugt und mußte neue Nahrung finden. Wahrscheinlich bewegte es sich ganz langsam; vielleicht brauchte es Jahre, um diese Pforten niederzubrechen.“

Alvins Phantasie ergänzte schnell die Einzelheiten. Er zweifelte nicht daran, daß Hilvars Überlegung im wesentlichen zutraf und daß irgendein botanisches Ungeheuer einen trägen, aber unablässigen Kampf gegen diesen Zaun geführt hatte.

Es konnte immer noch am Leben sein und nach Belieben die Oberfläche des Planeten durchwandern. Sie suchten die Gegend um die Zaunlücke ab und fanden eine große Anhäufung der kleinen Löcher, wo sich das Wesen offensichtlich zu einer Mahlzeit niedergelassen hatte — wenn man dieses Wort auf einen Organismus anwenden konnte, der seine Nahrung aus dem Felsgestein bezog.