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Als sie wieder in den Weltraum aufstiegen, fühlte Alvin eine seltsame Müdigkeit. Er hatte so viel gesehen und doch so wenig erfahren. Es gab viel Wunderdinge auf diesen Planeten, aber das, was er suchte, war längst abgewandert. Es würde zwecklos sein, dachte er, die anderen Planeten der Sieben Sonnen aufzusuchen. Auch wenn es noch Intelligenz im Universum gab, wo sollte er sie jetzt suchen? Er sah auf die Sterne, die wie Staubkörnchen über den Bildschirm verstreut lagen, und er wußte, daß der Rest der Zeit an sich nicht ausreichen würde, sie alle zu erforschen.

Er wurde von einem Gefühl nie gekannter Einsamkeit und Niedergeschlagenheit überwältigt. Jetzt konnte er die Angst Diaspars vor den Weiten des Universums verstehen, jenen Schrecken, der seine Mitbürger veranlaßte, sich im Mikrokosmos ihrer Stadt zusammenzudrängen. Es fiel sehr schwer, glauben zu müssen, daß sie letzten Endes doch recht gehabt hatten.

Er wandte sich an Hilvar um Unterstützung. Aber Hilvar stand mit geballten Fäusten und einem glasigen Ausdruck in den Augen in der Kabine.

Sein Kopf neigte sich auf eine Seite; er horchte.

„Was ist denn los?“ fragte Alvin besorgt. Er mußte die Frage wiederholen, ehe Hilvar sie hörte. Er starrte immer noch ins Leere, als er schließlich antwortete.

„Da kommt etwas“, sagte er langsam. „Etwas, das ich nicht verstehe.“

Alvin schien es, als sei die Kabine plötzlich sehr kalt geworden; er fröstelte, und der Alptraum von den Invasoren trat ihm in aller Schrecklichkeit vor Augen. Mit einer gewaltigen Willensanstrengung zwang er sich zur Ruhe.

„Ist es freundlich?“ fragte er. „Soll ich zur Erde fliehen?“

Hilvar beantwortete nur die zweite Frage. Seine Stimme war sehr schwach, ohne jedoch Beunruhigung oder Angst zu zeigen. Sie ließ eher grenzenloses Staunen und Neugier anklingen, als sei er auf etwas so Überraschendes gestoßen, daß er sich nicht mit Alvins besorgter Frage abgeben konnte.

„Du bist zu spät dran“, sagte er. „Es ist schon hier.“

Die Galaxis hatte sich viele Male um ihre Achse gedreht, seit Vanamonde erstmals ins Bewußtsein getreten war. Er konnte sich kaum an diese ersten Äonen und die Wesen, die ihn damals behüteten, erinnern — aber er dachte noch an seine Trauer, als sie fortgegangen waren und ihn unter den Sternen allein gelassen hatten. Über die Zeiten hinweg war er von Sonne zu Sonne gewandert, hatte sich langsam entwickelt und seine Kräfte gesteigert. Einst hatte er davon geträumt, sie wiederzufinden, die seine Geburt besorgten, und obwohl der Traum verblaßte, war er doch nie ganz gestorben.

Auf zahllosen Welten fand er die Trümmer, die das Leben hinterlassen hatte, aber Intelligenz entdeckte er nur ein einziges Mal — und floh entsetzt vor der Schwarzen Sonne. Aber das Universum war sehr groß, und die Suche hatte kaum begonnen.

So weit entfernt der plötzliche Energieausbruch in Raum und Zeit auch war, er winkte Vanamonde über die Lichtjahre hinweg vom Herz der Galaxis aus zu. Er hatte mit der Strahlung der Sterne nichts gemein und war in sein Bewußtsein so plötzlich eingedrungen wie eine Meteorspur am wolkenlosen Himmel. Er bewegte sich durch Raum und Zeit darauf zu, zum spätesten Augenblick seiner Existenz, und warf die toten unveränderlichen Strukturen der Vergangenheit ab.

Die lange metallene Form mit der unendlichen Kompliziertheit ihres Gefüges konnte er nicht verstehen, denn sie war ihm ebenso fremd wie alle anderen Dinge der körperlichen Welt. Um sie hing noch die Aura der Energie, die ihn durch das Universum hierhergetrieben hatte, aber das interessierte ihn jetzt nicht mehr. Vorsichtig, mit der zarten Nervosität eines halb zur Flucht bereiten Tieres, griff er nach diesen beiden Gehirnen, die er entdeckt hatte.

Und dann wußte er, daß seine lange Suche zu Ende war.

Alvin packte Hilvar an den Schultern und schüttelte ihn heftig. „Sag mir, was los ist!“ rief er. „Was soll ich tun?“

Langsam wich der abwesende Ausdruck aus Hilvars Augen.

„Ich begreife immer noch nicht“, sagte er, „aber wir brauchen uns nicht zu fürchten — das weiß ich. Was es auch sein mag, es wird uns nichts tun. Es scheint einfach — neugierig zu sein.“

Alvin wollte etwas erwidern, als er plötzlich von einer Empfindung überwältigt wurde, wie er sie nie zuvor gekannt hatte. Ein warmes, prickelndes Glühen schien sich in seinem Körper auszubreiten; es dauerte nur wenige Sekunden, aber als es verging, war er nicht mehr nur er selbst.

Etwas teilte seinen Verstand, überlappte ihn, wie ein Kreis einen ändern teilweise bedeckt. Er war sich auch Hilvars Geist bewußt, mit ihm in diesem Wesen verschränkt. Diese Empfindung wirkte eher seltsam als unangenehm, und sie ließ Alvin zum erstenmal wirklich die Telepathie begreifen — jene Macht, die in seinen Mitbürgern so abgesunken war, daß man sie nur noch zur Steuerung von Maschinen gebrauchen konnte.

Alvin hatte sich sofort dagegengestemmt, als Seranis seinen Verstand beherrschen wollte, aber er wehrte sich nicht gegen dieses Eindringen.

Es wäre nutzlos gewesen, und er wußte, daß dieses Wesen, was immer es sein mochte, freundlich war. Er entspannte sich, akzeptierte ohne Widerstand die Tatsache, daß ein unendlich mächtigerer Verstand seinen Geist durchforschte. Aber diese Meinung war nicht ganz richtig.

Vanamonde bemerkte sofort, daß eines dieser Gehirne mitfühlender und leichter zugänglicher war als das andere. Er spürte, daß beide über seine Gegenwart staunten, und das überraschte ihn gewaltig. Es schien kaum zu glauben, daß sie vergessen haben sollten; das Vergessen lag, wie die Sterblichkeit, außerhalb Vanamondes Begriffsvermögen.

Die Verständigung gestaltete sich sehr schwierig; viele ihrer Gedankenbilder waren so fremdartig, daß er sie kaum erkennen konnte. Die ständig wiederkehrende Furcht vor den Invasoren verwirrte und ängstigte ihn ein wenig; sie erinnerte ihn an seine eigenen Gefühle, als er die Schwarze Sonne zum erstenmal bemerkt hatte.

Aber sie wußten nichts von der Schwarzen Sonne, und jetzt begannen sich ihre Fragen in seinem Geist zu regen.

„Was bist du?“

Er gab die einzige Antwort, die ihm möglich war.

„Ich bin Vanamonde.“

Es gab eine lange Pause, dann wurde die Frage wiederholt. Sie hatten nicht verstanden; das war seltsam, denn ihre Rasse hatte ihm doch diesen Namen mitgegeben.

Wieder kämpften sich ihre winzigen Gedanken in sein Bewußtsein.

„Wo sind die Leute, die die Sieben Sonnen schufen? Was ist mit ihnen geschehen?“

Er wußte es nicht; sie wollten ihm kaum glauben, und ihre Enttäuschung kam deutlich und klar über die Kluft, die seinen Verstand von dem ihren trennte. Aber sie waren geduldig, und er half ihnen gerne, denn ihre Suche war auch die seine, und sie waren die ersten, die ihm Gesellschaft leisteten.

Solange er lebte, würde er nie mehr ein so seltsames Erlebnis wie dieses stumme Gespräch haben, dachte Alvin. Kaum zu glauben, daß er wenig mehr als Zuschauer blieb, denn er wollte nicht einmal sich selbst gegenüber zugeben, daß Hilvars Verstand in mancher Hinsicht weitaus fähiger war als der seine. Er konnte nur warten und staunen, halb betäubt vom Gedankenfluß, der knapp jenseits der Grenzen seines Begriffsvermögens dahinströmte.

Bald darauf brach Hilvar, blaß und angestrengt, die Verbindung ab und wandte sich an seinen Freund.

„Alvin“, sagte er müde. „Das ist seltsam. Ich kann es überhaupt nicht begreifen.“

Diese Mitteilung richtete Alvins Selbstgefühl wieder ein wenig auf, und sein Gesicht mußte es gezeigt haben, denn Hilvar lächelte plötzlich mitfühlend.