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„Ich kann nicht herausfinden, was das ›Vanamonde‹ ist“, fuhr er fort.

„Es ist ein Wesen von gewaltigem Wissen, aber es scheint wenig Intelligenz zu besitzen. Natürlich“, fügte er hinzu, „mag sein Verstand von so völlig anderer Art sein, daß wir ihn nicht verstehen können — aber irgendwie glaube ich nicht daran.“

„Nun, was hast du erfahren?“ fragte Alvin ungeduldig. „Weiß er etwas über die Sieben Sonnen?“

Hilvars Geist schien immer noch abwesend zu sein.

„Sie wurden von vielen Rassen geschaffen, einschließlich der unseren“, sagte er. „Er kann mir solche Tatsachen mitteilen, aber er scheint ihre Bedeutung nicht zu begreifen. Ich glaube, er kennt die Vergangenheit, ohne sie deuten zu können. Alles, was je geschehen ist, scheint in seinem Verstand durcheinandergehäuft.“

Er schwieg einen Augenblick nachdenklich, dann hellte sich seine Miene auf.

„Wir können nur das eine tun: Irgendwie müssen wir Vanamonde zur Erde bringen, damit ihn unsere Denker studieren.“

„Ist das nicht gefährlich?“ fragte Alvin.

„Nein“, antwortete Hilvar. „Vanamonde ist gutgesinnt. Mehr als das, er scheint uns sogar herzlich zugetan.“

Und ganz plötzlich wurde Alvin etwas klar. Er dachte an Krif und alle Tiere, die zum Ärger von Hilvars Freunden ständig entkamen. Und er erinnerte sich an ihre Expedition nach Shalmirane.

Hilvar hatte einen neuen Schützling gefunden.

22

Diese Konferenz wäre noch vor wenigen Tagen völlig undenkbar erschienen, dachte Jeserac. Die sechs Besucher aus Lys saßen dem Rat an einem Tisch gegenüber, den man vor den hufeisenförmigen Beratungstisch geschoben hatte. Welche Ironie, daß vor nicht langer Zeit Alvin an derselben Stelle gestanden war und den Beschluß des Rates vernommen hatte, wonach Diaspar wieder gegen die Außenwelt abzuschließen sei. Jetzt war die Welt über sie hereingebrochen — und nicht nur sie, sondern auch das Universum.

Schon hatte sich der Rat verändert. Nicht weniger als fünf seiner ständigen Mitglieder fehlten. Sie ertrugen die Probleme und die Verantwortung nicht, vor die sie sich gestellt sahen, und hatten den Weg beschriften, den bereits Khedron vor ihnen gegangen war. Ein Beweis mehr für das Versagen Diaspars, dachte Jeserac, wenn so viele seiner Bürger vor der ersten Herausforderung in Jahrmillionen die Flucht ergriffen. Viele Tausende hatten sich bereits in das kurze Vergessen der Gedächtnisanlagen geflüchtet, in der Hoffnung, bei ihrem Erwachen Diaspar in seiner wohlvertrauten Form wiederzufinden. Sie würden enttäuscht sein.

Jeserac war auf einen der freien Ratsplätze gewählt worden. Obwohl wegen seiner Stellung als Alvins Lehrer eigentlich verdächtig, war seine Anwesenheit doch so wichtig, daß niemand seinen Ausschluß vorgeschlagen hatte. Er saß am einen Ende des hufeisenförmigen Tisches — eine Position, die ihm mehrere Vorteile bot. Er konnte nicht nur die Profile der Besucher sehen, sondern auch die Gesichter seiner Ratskollegen beobachten — und ihre Mienen waren sehr lehrreich.

Es bestand kein Zweifel mehr daran, daß Alvin recht gehabt hatte, und langsam begriff auch der Rat diese schwerverdauliche Wahrheit. Die Abgeordneten aus Lys konnten wesentlich schneller denken als selbst die klügsten Geister in Diaspar. Das war übrigens nicht ihr einziger Vorteil, denn sie zeigten auch ein außergewöhnliches Maß an Zusammenarbeit, was nach Jeseracs Vermutung mit ihren telepathischen Fähigkeiten zusammenhing. Er fragte sich, ob sie wohl die Gedanken der Ratsmitglieder lasen, entschied aber dann, daß sie die feierliche Versicherung, ohne welche die Konferenz unmöglich zustandegekommen wäre, nicht verletzen würden.

Große Fortschritte waren nach Jeseracs Ansicht nicht erzielt worden; er hatte sie übrigens auch nicht erwartet. Der Rat, der mit Mühe die Existenz von Lys anerkannt hatte, schien noch nicht fähig, die Vorgänge zu begreifen. Aber er war erschreckt — ebenso die Besucher, obwohl sie diese Tatsache geschickter zu verbergen wußten.

Jeserac selbst war nicht so entsetzt, wie er angenommen hatte; seine Ängste existierten noch, aber er hatte sich ihnen endlich gestellt. Ein Quentchen von Alvins Unbekümmertheit — oder war es Mut? — hatte seine Auffassung verändert und ihm neue Horizonte erschlossen. Er glaubte nicht, daß er seinen Fuß jemals außerhalb Diaspars setzen könnte, aber er begriff den Antrieb, der Alvin dazu geführt hatte.

Die Frage des Präsidenten traf ihn unerwartet, aber er faßte sich schnell.

„Ich glaube“, sagte er, „daß nur durch reinen Zufall eine ähnliche Situation nicht schon früher aufgetreten ist. Wir wissen, daß es vierzehn Einzigartige gab, und bei ihrer Schaffung muß ein bestimmter Plan Pate gestanden haben. Dieser Plan sollte meiner Ansicht nach sicherstellen, daß Lys und Diaspar nicht für immer voneinander getrennt blieben. Alvin hat dafür gesorgt, aber er hat außerdem etwas getan, das sicher nicht im ursprünglichen Plan vorgesehen war. Könnte das Zentralgehirn das bestätigen?“

Die unpersönliche Stimme antwortete sofort.

„Die Räte wissen, daß ich nichts zu den Anweisungen sagen kann, die mir von meinen Erbauern gegeben wurden.“

Jeserac nahm den milden Tadel hin.

„Was auch der Grund sein mag, über die Tatsachen läßt sich nicht streiten. Alvin ist im Weltraum. Wenn er zurückkommt, werden Sie ihn vielleicht daran hindern, wieder abzufliegen — obwohl ich bezweifle, daß es Ihnen gelingt. Auch wenn das, was Sie befürchten, eingetreten ist — wir können nichts dagegen tun. Die Erde ist völlig hilflos — wie seit Millionen von Jahrhunderten.“

Jeserac machte eine Pause und sah die Männer der Reihe nach an.

Seine Worte gefielen keinem; er hatte nichts anderes erwartet.

„Aber ich sehe trotzdem nicht ein, warum wir beunruhigt sein sollen. Die Erde befindet sich nicht in größerer Gefahr als vorher. Warum sollten zwei Männer in einem einzigen, kleinen Raumschiff den Zorn der Invasoren wieder auf uns lenken? Wenn wir ehrlich sein wollen, müssen wir zugeben, daß die Invasoren unsere Welt schon vor langer Zeit hätten zerstören können.“

Mißbilligendes Schweigen. Das war Ketzerei — und früher hätte sie Jeserac selbst als solche verdammt.

Der Präsident unterbrach ihn.

„Gibt es nicht eine Legende, wonach die Invasoren die Erde nur unter der Bedingung schonten, daß der Mensch nie mehr in den Weltraum vordringen werde? Und haben wir diesen Vertrag nicht gebrochen?“

„Eine Legende, ja“, sagte Jeserac. „Wir nehmen viele Dinge hin, ohne zu fragen, und dazu gehört diese Legende. Es gibt keinerlei Beweise dafür. Mit persönlich fällt es reichlich schwer zu glauben, daß etwas von solcher Wichtigkeit nicht im Gedächtnis des Zentralgehirns aufgezeichnet wäre, aber es weiß nichts von diesem Vertrag. Ich habe mich danach erkundigt, wenn auch nur über die Auskunftsmaschinen. Vielleicht beliebt es dem Rat, diese Fragen direkt zu stellen.“

Jeserac sah nicht ein, warum er eine zweite Ermahnung riskieren sollte, und wartete die Antwort des Präsidenten ab.

Sie kam nie, denn in diesem Augenblick fuhren die Abgeordneten von Lys aus ihren Sitzen hoch, während ihre Gesichter in Ungläubigkeit und Schrecken erstarrten. Sie schienen zu lauschen, während eine weit entfernte Stimme eine Botschaft übermittelte.

Die Ratsmitglieder warteten; ihre eigenen Befürchtungen wurden um so größer, je länger das stumme Gespräch dauerte. Dann schreckte der Leiter der Delegation aus seiner Versunkenheit hoch und wandte sich entschuldigend an den Präsidenten.

„Wir haben eben sehr seltsame und beunruhigende Nachrichten aus Lys erhalten“, sagte er.

„Ist Alvin zur Erde zurückgekehrt?“ fragte der Präsident. „Nein — nicht Alvin. Etwas anderes.“