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Der Junge blieb stehen und setzte das Gepäck ab. Sein Gesicht lief so rot an, daß man die großen Sommersprossen nicht mehr erkennen konnte. Mit geballten Fäusten ging er auf Elli zu.

„Weißt du, ich mag nicht, wenn man schwindelt!" schrie er. „Wenn du auch ein Mädchen bist — dafür muß ich dich verprügeln!" „Ich schwindele nicht", erwiderte Elli. „Ich habe für Onkel Bill einen Brief von Papa, da steht alles drin."

Fred warf ihr einen verwunderten Blick zu und sagte leise:

„Dann bist du wohl der glücklichste Mensch auf der Welt… Wirst du mir

auch alles erzählen?" „Gewiß. Aber dazu werde ich eine ganze Woche brauchen. Es gibt ja so viel zu erzählen. Da war ein Menschenfresser zum Beispiel, der mich fast aufgegessen hätte, wären mir der Scheuch und der Eiserne Holzfäller nicht zu Hilfe gekommen. Und erst die Säbelzahntiger! Und die Verwandlungen Goodwins, des Großen und Schrecklichen! Und die fliegenden Affen!… " Fred war verblüfft. Sieh da, er hatte sich für einen großen Reisenden gehalten, und plötzlich kommt so ein kleines Mädchen und weiß solche Abenteuer zu erzählen. Bill Cunning war bei der Herde, aber Tante Cat, eine kleine, hagere Frau, hieß Elli sehr herzlich willkommen. Sie goß warmes Wasser in einen großen Trog, damit Elli sich nach der Reise waschen konnte. Fred stand hinter der Tür und konnte es gar nicht abwarten, die Geschichte von den seltsamen Abenteuern seiner Cousine zu hören. Der Sonnenschein malte auf das Gras unter der Eiche Tausende Kringel. Elli erzählte Fred von ihren Reisen im Wunderland. In den Zweigen hüpften Vögel, die sich mit einem Eichhörnchen zankten. Toto machte Jagd auf Schmetterlinge. Fred war begeistert. Hin und wieder stieß er einen Ruf des Staunens und Entzückens aus, denn etwas Schöneres hatte er sein Lebtag nicht gehört.

„Und das alles mußtest ausgerechnet du erleben!" rief er aus. „Eine ganz einfache Göre, verzeih, Mädchen wollte ich sagen. Oh, warum habe ich nicht das Glück gehabt, so etwas zu erleben!" „Das ist doch klar", sagte Elli. „Bei euch in Iowa gibt es keine solchen Stürme wie bei uns in Kansas. Und was hätte es auch genutzt, wenn der Sturm bis zu euch gekommen wäre? Er hätte euer Häuschen doch nicht ins Wunderland tragen können!"

„Ja, da hast du recht", seufzte der Junge. „Aber erzähl weiter, Elli! Du warst gerade dabei, wie die Zauberwölfe Bastindas euch überfielen… " „Ihnen hat's der Eiserne Holzfäller aber gegeben", sagte das Mädchen. „Es waren vierzig Wölfe, und genau vierzigmal hat der Holzfäller seine mächtige Axt geschwungen. Ja, das war eine Axt, kann ich dir sagen!" Elli erzählte, und Fred verging fast vor Neid. Er hätte sein halbes Leben hingegeben, um auch nur einen kleinen Teil von den Abenteuern Ellis zu erleben. Mehrere Tage erzählte Elli, und als sie fertig war, zeigte ihr Fred die Umgebung. Die Farm lag in einer sehr schönen Gegend. Nichts erinnerte hier an die glühende, trockene Steppe von Kansas. Das war eine herrliche

Landschaft mit bewaldeten Hügeln, heiteren Tälern und tiefen Schluchten, in denen kalte Bäche rauschten…

Elli und Fred fingen Fische in einem winzigen See, den buschige Weiden überschatteten, sie wanderten über Hänge und Hügel auf Pfaden, die von Schafen ausgetreten worden waren, und erforschten die Wege namenloser Wasserläufe — es waren Tage, einer schöner als der andere.

DER AUSFLUG IN DIE HÖHLE

Fred redete Elli zu, reiten zu lernen.

„Hör, Cousine", sagte er zu ihr und krauste dabei seine von der Sonne ausgeblichenen Augenbrauen, „es wär ja eine Schande, wenn du bei uns nicht das Reiten erlerntest! Ein Mädchen, das so weit in der Welt herumgekommen ist… "

Elli ließ sich leicht überreden. Bill Cunning wählte f ür seine Nichte ein zahmes Pferdchen aus, während Fred, der sich hervorragend im Sattel hielt und seinen Vater schon oft bei der Arbeit vertreten hatte, einen feurigen Rappen ritt. Die ersten Tage waren sehr anstrengend. Am Abend fiel Elli das Sitzen schwer, der Rücken und alle Glieder schmerzten, und nachts schlief sie schlecht. Aber Geduld bricht Eisen, sagt man. Das Reiten wurde für Elli aus einer Qual zu einem Vergnügen, und sie machte jetzt mit ihrem Cousin ausgedehnte Spazierritte, bei denen sie sich manchmal ein Dutzend Meilen vom Hause entfernten. Einmal fragte Fred seine Cousine: „Hast du schon von der Mammuthöhle gehört?" „Gewiß", erwiderte Elli. „Die Lehrerin hat uns von ihr erzählt." „Das ist die größte Höhle der Welt."

„Du würdest das nicht sagen, hättest du das Land der unterirdischen Erzgräber gesehen", lachte Elli. „Ja, das ist eine Höhle!" Fred verzog das Gesicht — das tat er immer, wenn Elli auf ihre Erlebnisse anspielte. Freilich konnte auch er von vielen Abenteuern erzählen. Einmal hatte er sich in einem Schneegestöber in den Kordilleren verirrt und wäre fast erfroren. Ein andermal jagten ihm Wölfe nach, denen er nur dank den schnellen Beinen seines Pferdes entrann. Ein andermal wieder stürzte er von einem Baum und brach sich ein Bein. Solcher Erlebnisse konnten sich andere Jungen nicht rühmen, aber was war das schon im Vergleich zu den

Abenteuern Ellis! Fred suchte nach etwas, womit er auf seine Cousine Eindruck machen konnte. Deshalb hatte er das Gespräch von der Höhle begonnen. In einer tiefen Schlucht, etwa 20 Meilen von der Farm entfernt, befand sich nämlich eine Höhle, die noch keine Touristen besucht hatten, in der noch niemand Tropfsteinstücke zum Andenken mitgenommen oder seinen Namen mit Kerzenruß an die Wand gemalt hatte. „Laß uns die Höhle aufsuchen, Elli", sagte Fred. „Das ist ein weiter Weg, aber jetzt, wo du so gut reiten kannst, wird es dir nichts ausmachen." Elli war einverstanden.

„Wir werden die Eltern um Erlaubnis bitten, einen ganzen Tag wegbleiben zu dürfen", fuhr der Junge fort, „und alles mitnehmen, was für eine Höhlenwanderung nötig ist."

Am nächsten Tag brachen die Kinder früh auf. Elli hatte von Tante Cat eine volle Tasche mit Mundvorrat mitbekommen, der wohl für drei Tage reichen würde. Toto saß vor ihr auf dem Pferd. Fred hatte einen großen Koffer an seinen Sattel geschnallt. „Was ist da drin?" fragte das Mädchen.

„Das ist ein Kofferboot", sagte Fred stolz. „Vater hat es gebaut. In der Höhle, sagt man, soll es einen unterirdischen See geben. Weißt du, wie interessant es ist, bei Fackellicht Boot zu fahren?"

Die Kinder beeilten sich nicht. Als sie die Höhle erreichten, stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Es war ein schöner, warmer Tag, aber aus der Höhle wehte es kühl. Elli fröstelte. Sie warf ihr warmes Wolltuch um die Schultern.

„Weißt du, Fred", sagte sie, „ich erinnerte mich gerade, wie ich mit Onkel Charlie, dem Löwen, Toto und der Krähe Kaggi Karr vor dem Höhleneingang stand, von dem uns die Königin der Feldmäuse erzählt hatte… "

„Hör mal", sagte der Junge gereizt, „das ist eine Gemeinheit…" „Was denn?" fragte Elli mit unschuldiger Miene. „Immer wieder sagst du: Als ich und der Scheuch… Als der Menschenfresser… Als die Mäusekönigin. .' Ist es vielleicht meine Schuld, daß ich nicht dabei war?"

Fred hätte vor Verdruß am liebsten losgeweint. „Verzeih, Fred, ich will es nie mehr tun", versprach Elli. Fred schnitt harzige Tannenzweige ab und schnürte sie zu einem großen Bündel zusammen. Sie sollten in der Höhle als Fackeln dienen. Streichhölzer befanden sich in einer Blechbüchse in der Brusttasche seines Cowboyhemdes. Dann holte er eine Rolle Bindfaden hervor und band das Ende an einen Stein.