Er pfiff vor sich hin, während er den Sklaven in sicherem Abstand folgte, und kaute zufrieden an der ersten krenoj herum, die gefunden wurde. Der Anfang war gemacht — alles andere hing jetzt nur noch von ihm ab.
6
Am gleichen Abend ließ Jason am Meeresufer ein großes Feuer entzünden, blieb aber in einiger Entfernung mit dem Rücken zum Wasser sitzen. Er nahm den Helm ab — von dem Ding bekam er nur Kopfschmerzen — und rief Ijale zu sich.
„Ich höre, Ch’aka. Ich gehorche.“
Sie rannte herbei, warf sich in den Sand und begann ihre Felle zurückzuschlagen.
„Wie kann man nur eine so verrückte Meinung von Männern haben!“ fuhr Jason sie an. „Du sollst dich setzen — ich will mich nur mit dir unterhalten. Ich heiße übrigens Jason, nicht Ch’aka.“
„Ja, Ch’aka“, antwortete Ijale mit einem ängstlichen Blick. Jason unterdrückte einen Fluch und schob ihr den Korb krenoj zu.
„Ich sehe schon, daß bei euch noch viel zu ändern ist. Habt ihr Sklaven eigentlich noch nie den Wunsch gehabt, frei zu sein?“
„Was ist frei?“
„Nun… eigentlich ist meine Frage damit bereits beantwortet. Ein freier Mensch ist weder Sklave noch Sklavenhalter; er kann tun und lassen, was ihm Spaß macht.“
„Das würde mir bestimmt nicht gefallen.“ Ijale fuhr zusammen. „Wer würde dann für mich sorgen? Wie würde ich krenoj finden? Man braucht viele Menschen, um krenoj zu finden — allein würde ich verhungern.“
„Als freier Mensch könntest du dich mit anderen zusammenschließen und gemeinsam mit ihnen nach krenoj suchen.“
„Das ist dumm. Jeder würde die essen, die er gefunden hat, wenn kein Herr da ist, der die krenoj verteilt. Ich esse aber gern.“
Jason fuhr sich mit der Hand über die Bartstoppeln. „Wir alle essen gern, aber deshalb brauchen wir doch nicht Sklaven zu sein. Allmählich glaube ich wirklich, daß die hiesigen Verhältnisse sich nur schwer ändern lassen werden. Jedenfalls ist es bestimmt besser, wenn ich die gleichen Vorsichtsmaßnahmen wie der verstorbene Ch’aka ergreife.“
Jason nahm seine Keule auf und verschwand in der Dunkelheit. Dann machte er einen Bogen um das Lager, bis er eine geeignete Senke gefunden hatte. Dort steckte er die Pflöcke aus, in deren Gabeln die Schnur ruhte, die mit einer Glocke verbunden war. Nachdem er sich auf diese Weise gesichert hatte, ließ er sich im Mittelpunkt des Kreises nieder und verbrachte eine unruhige Nacht, weil er ständig darauf gefaßt sein mußte, daß die Glocke erklingen würde.
Am folgenden Marschtag legten sie rasch die kurze Entfernung bis zu dem Grenzstein zurück. Als die Sklaven dort haltmachen wollten, trieb Jason sie weiter. Sie gehorchten ohne Widerrede und schienen sich auf den Kampf zu freuen, der folgen mußte, wenn der rechtmäßige Besitzer dieses Gebiets auftauchte. Ihre Erwartungen wurden nicht enttäuscht, denn als die andere Sklavengruppe erschien, trennte sich eine Gestalt von ihr und rannte auf Jason zu.
„Ich hasse dich, Ch’aka!“ rief Fasimba. „Du bist auf meinem Grund und Boden! Ich bringe dich um!“
„Noch nicht“, antwortete Jason. „Ich hasse dich übrigens auch, Fasimba — tut mir leid, daß ich die Formalitäten vergessen habe. Aber ich will gar nicht dein Land, sondern möchte nur mit dir sprechen.“
Fasimba blieb stehen und betrachtete ihn mit äußerstem Mißtrauen. „Du hast eine neue Stimme, Ch’aka.“
„Ich bin der neue Ch’aka; der alte Ch’aka zählt jetzt die Gänseblümchen von unten. Ich möchte einen Sklaven zurückkaufen, dann verschwinden wir wieder.“
„Ch’aka war stark. Du mußt ein guter Kämpfer sein, Ch’aka.“ Fasimba schüttelte zornig sein Steinbeil. „Aber nicht so gut wie ich, Ch’aka!“
„Du bist unschlagbar, Fasimba; neun von zehn Sklaven möchten nur dich als Herrn. Aber jetzt sprechen wir lieber vom Geschäft, damit ich meine Leute wieder an die Arbeit schicken kann.“ Er sah zu Fasimbas Sklaven hinüber und versuchte Mikah zu erkennen. „Ich möchte den Sklaven mit dem Loch im Kopf zurückkaufen und biete zwei andere Sklaven dafür — nach deiner Wahl. Was hältst du davon?“
„Gutes Geschäft, Ch’aka. Du nimmst einen von meinen, ich nehme zwei von deinen. Aber der mit dem Loch im Kopf ist nicht mehr da. Sein dauerndes Gerede hat mich nervös gemacht. Mir tat schon der Fuß weh, weil ich ihm einen Tritt nach dem anderen verpassen mußte. Deshalb habe ich ihn mir vom Hals geschafft.“
„Hast du ihn umgebracht?“
„Einen Sklaven vergeudet man nicht. Ich habe ihn an die d’zertanoj verkauft und Pfeile dafür bekommen. Brauchst du Pfeile?“
„Nicht diesmal, Fasimba, aber danke für die Auskunft.“ Jason wühlte in seinem Sack herum und holte eine kreno heraus. „Hier, willst du eine?“
„Wo hast du die vergiftete kreno her?“ erkundigte Fasimba sich interessiert. „Ich könnte eine brauchen.“
„Sie ist nicht vergiftet, sondern durchaus eßbar — sofern das Zeug überhaupt als eßbar bezeichnet werden kann.“
Fasimba lachte. „Du bist ein Spaßvogel, Ch’aka. Ich gebe dir einen Pfeil für die vergiftete kreno.“
„Einverstanden“, antwortete Jason und warf die Wurzel in den Sand zwischen sich und Fasimba. „Aber ich sage dir, daß sie völlig in Ordnung ist.“
„Das werde ich dem Mann auch erzählen, dem ich sie geben will. Ich kann die vergiftete kreno gut brauchen.“ Fasimba warf Jason einen Pfeil vor die Füße und hob die Wurzel auf, als er zu seinen Sklaven zurückging.
Als Jason den Pfeil aufhob, sah er, daß das Ding völlig durchgerostet war. Die Bruchstelle war sorgfältig mit Lehm verdeckt. „Schon in Ordnung“, rief er Fasimba nach. „Warte nur, bis dein Freund die kreno ißt!“
Sie setzten ihren Marsch fort, wobei sie von dem mißtrauischen Fasimba beobachtet wurden, bis sie den Grenzstein hinter sich gelassen hatten. Erst dann kehrten die anderen Sklaven zu ihrer Suche nach krenoj zurück.
Dann begann der lange Marsch bis an den Rand der Wüste im Innern des Landes. Da sie unterwegs nach krenoj suchen mußten, brauchten sie fast drei Tage, bis sie ihr Ziel erreicht hatten. Jason verließ sich darauf, daß die Sklaven den richtigen Weg kennen mußten, und war zufrieden, als sie wie selbstverständlich weitermarschierten. Entlang des Weges fanden sie genügend Wurzeln und zwei Brunnen, an denen sie ihre Wassersäcke auffüllen konnten. Am Morgen des dritten Tages erkannte Jason die Trennlinie am Horizont, und am frühen Nachmittag erreichten sie die Wüste mit ihrem blaugrauen Sand.
Jason war einigermaßen überrascht, als er sah, wie sehr sich die wirkliche Wüste von der verhältnismäßig fruchtbaren Landschaft unterschied, die er bisher als eine Art Wüste angesehen hatte. Immerhin wuchsen hier noch vereinzelt Grasbüschel, niedrige Büsche und die lebenerhaltenden krenoj — aber in der Wüste konnte kein Tier und keine Pflanze existieren, obwohl die d’zertanoj dort angeblich lebten. Jason schloß aus dieser Tatsache, daß es jenseits der Wüste fruchtbare Landstriche geben mußte — vielleicht sogar Berge, wenn die Gipfel in der Ferne nicht nur Wolken waren.
„Wo sind die d’zertanoj zu finden?“ fragte Jason den nächsten Sklaven, der sich aber nur wortlos abwandte. Jason erinnerte sich wieder daran, daß ein Befehl ohne einen gleichzeitigen Tritt bei diesen Leuten nicht als Befehl angesehen wurde. Einige Sklaven schienen ihn bereits als Schwächling zu betrachten, weil er sich gelegentlich auf seine Überredungskunst verließ, anstatt überzeugendere Argumente zu gebrauchen. Jason wußte, daß er auf andere Weise nicht zum Ziel kam, deshalb versetzte er dem widerspenstigen Sklaven einen gewaltigen Fußtritt und wiederholte seine Frage.