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Jason hatte bereits früher einige Erfahrungen mit primitiven Maschinen gemacht, deshalb überraschte das Sicherheitsventil an dem Dampfkessel ihn nicht im geringsten. Er war ebenfalls darauf vorbereitet, als das Fahrzeug sich langsam in Bewegung setzte und in die Wüste hinausrollte. Den Rauchschwaden und Dampfwolken nach zu urteilen, besaß die Maschine keinen hohen Wirkungsgrad, aber immerhin bewegte sie den caro und seine Insassen langsam, aber sicher durch die Wüste.

Die Sklaven kreischten wieder auf; einige von ihnen versuchten sogar über Bord zu springen, wurden aber gewaltsam zurückgehalten. Die d’zertanoj gingen nun durch die Reihen der Gefangenen und zwangen sie dazu, einen Schluck von einer dunkelbraunen Flüssigkeit zu trinken. Einige Gefangene lagen bewegungslos auf dem Deck; vermutlich waren sie nur ohnmächtig, denn Tote hätte man bestimmt nicht mitgenommen. Jason war davon überzeugt, aber die erschrockenen Sklaven konnten sich nicht mit seiner Philosophie trösten, deshalb setzten sie sich weiterhin zur Wehr, um das liebe Leben zu verteidigen.

Als Jason an der Reihe war, schluckte er das braune Zeug trotz seiner guten Vorsätze nicht freiwillig, sondern biß in einige Finger und trat einen Mann in den Magen, bevor ihm jemand die Nase zuhielt und ihm die Brühe in den Mund goß. Danach konnte Jason sich nur noch an ein Brennen im Hals erinnern, bevor er bewußtlos wurde.

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„Hier, nimm einen Schluck“, sagte die Stimme, dann lief kaltes Wasser über Jasons Gesicht und geriet auch in seinen offenen Mund, so daß er husten mußte. Etwas Hartes drückte gegen seinen Rücken, die Handgelenke schmerzten. Allmählich erinnerte er sich wieder — an den Kampf, die Gefangennahme und die Flüssigkeit, die er hatte trinken müssen. Er schlug die Augen auf und erkannte im Licht einer blakenden Öllampe ein vertrautes Gesicht, bei dessen Anblick er einen Seufzer nicht unterdrücken konnte.

„Bist du das, Mikah — oder gehörst du nur zu einem Alptraum?“

„Niemand kann der Gerechtigkeit entfliehen, Jason. Ja, ich bin Mikah, und ich habe dir einige Fragen zu stellen.“

Jason stöhnte. „Du bist es also wirklich. Nicht einmal ein Alptraumwesen könnte sich solche Sprüche ausdenken. Aber bevor du mit deinen Fragen anfängst, könntest du mir einiges über die hiesigen Zustände erklären. Du mußt einiges wissen denn schließlich bist du schon länger Sklave der d’zertanoj als ich.“ Jason stellte fest, daß die Schmerzen an den Handgelenken von schweren Fesseln herrührten. Eine Kette führte von ihnen zu einem dicken Balken, auf dem er mit dem Kopf gelegen hatte. „Was sollen die Ketten — und wie steht es mit der hiesigen Gastfreundschaft?“

Mikah ließ sich von Jasons Fragen nicht beirren, sondern kehrte hartnäckig wieder zu seinem Thema zurück.

„Als ich dich zum letztenmal gesehen habe, warst du noch als Sklave bei Ch’aka. Heute nacht wurdest du gemeinsam mit Ch’akas übrigen Sklaven hereingebracht und angekettet, während du noch bewußtlos warst. Ich habe darum gebeten, daß man dich hier ankettet, damit ich mich um dich kümmern kann. Du mußt mir aber eine ehrliche Antwort auf meine Frage geben. Du hattest Ch’akas Rüstung an — was ist aus ihm geworden?“

„Ich Ch’aka“, murmelte Jason mit heiserer Stimme und mußte sofort wieder husten. Er trank einen Schluck Wasser aus dem angebotenen Becher. „Warum bist du eigentlich plötzlich so rachsüchtig, Mikah, alter Gauner? Wie steht es damit, daß man seinen Feinden auch die andere Wange bieten soll, wenn sie einen geschlagen haben? Du willst doch nicht etwa behaupten, daß du den Kerl nicht ausstehen kannst, weil er dich über den Schädel geschlagen und dich als Ausschußware weiterverkauft hat? Falls du dich über diese Ungerechtigkeit geärgert hast, tröstet dich vielleicht der Gedanke, daß der alte Knabe Ch’aka nicht mehr lebt. Nachdem die ungeeigneten Bewerber ausgesondert waren, bekam ich seinen Job.“

„Hast du ihn getötet?“

„Selbstverständlich. Du brauchst nicht zu glauben, daß das eine einfache Sache war, denn er hatte alle Vorteile auf seiner Seite. Glücklicherweise war er nicht gerade intelligent. Zu Anfang wäre alles fast schiefgegangen, denn als ich ihn nachts ermorden wollte…“

„Was wolltest du?“ unterbrach ihn Mikah.

„Mich nachts an ihn heranschleichen. Du glaubst doch nicht etwa, daß ein offener Kampf mit diesem Ungeheuer sinnvoll gewesen wäre? Allerdings kam es später doch dazu, denn der gute Ch’aka hatte sich als vorsichtiger Mann gegen nächtliche Besuche gesichert. Wir kämpften also miteinander, ich siegte und wurde der neue Ch’aka, obwohl meine Regierung weder lang noch ruhmreich war. Ich folgte dir bis an den Rand der Wüste, wo ich von einem klugen Kopf namens Epidon hereingelegt wurde, der mich degradierte und mir alle Sklaven wegnahm. Das war also meine Geschichte. Jetzt möchte ich deine hören — wo sind wir, was geht hier vor…?“

„Mörder! Sklavenhalter!“ Mikah wich bis an das äußerste Ende seiner kurzen Kette zurück und wies anklagend auf Jason. „Damit hat sich die Liste deiner infamen Verbrechen um zwei weitere vermehrt. Ich bedaure, daß ich jemals Mitgefühl mit dir gehabt habe, Jason! Aber ich werde dir weiterhin helfen, damit ich dich nach Cassylia zur Aburteilung und Hinrichtung bringen kann.“

„Deine Rechtsauffassung gefällt mir — Aburteilung und Hinrichtung.“ Jason hustete und trank noch einen Schluck Wasser. „Hast du schon einmal gehört, daß jeder Angeklagte als unschuldig gilt, bis seine Schuld einwandfrei erwiesen ist? Das ist zufällig die Grundlage jeder Rechtsprechung. Und wie willst du mich auf Cassylia wegen der Dinge anklagen, die ich hier getan habe — die hier nicht als Verbrechen angesehen werden? Dann könntest du ebensogut einen Kannibalen von seinem Stamm fortschleppen und ihn wegen Menschenfresserei hinrichten.“

„Was wäre denn dagegen einzuwenden? Schließlich ist der Kannibalismus ein abscheuliches Verbrechen. Selbstverständlich müßte der Mann hingerichtet werden!“

„Wenn er einen deiner Verwandten auffrißt, hast du allen Grund, seinen Tod zu fordern. Aber nicht nur deshalb, weil er mit seinen Stammesgenossen einen erschlagenen Feind aufgefressen hat. Siehst du denn nicht ein, daß sogenannte Verbrechen nicht überall welche sein müssen? Der Kannibale in seiner Gesellschaft ist ebenso moralisch einwandfrei wie der Kirchengeher in deiner.“

„Gotteslästerer! Verbrechen bleibt Verbrechen! Es gibt Moralgesetze, die für alle Menschen Gültigkeit haben!“

„Nein, ganz im Gegenteil. Du brauchst nur an meinen Fall zu denken. Innerhalb dieser merkwürdigen Gesellschaftsordnung habe ich mich offen und ehrlich aufgeführt. Ich habe meinen Herrn zu ermorden versucht, denn nur auf diese Weise kann ein strebsamer junger Mann es hierzulande zu etwas bringen. Außerdem verdankte der gute Ch’aka seine Position vermutlich dem Gelingen eines ähnlichen Planes.

Der Mordversuch mißlang, aber ich blieb in einem ehrlichen Kampf Sieger. Nachdem ich an die Macht gekommen war, sorgte ich gut für meine Sklaven, obwohl die Kerle nicht gut versorgt sein wollten — sie wollten nur meinen Job, wie es den hiesigen Gepflogenheiten entspricht. Ich habe nur einen wirklichen Fehler begangen, als ich meinen Verpflichtungen als Sklavenhalter nicht nachkam. Anstatt nach dir zu suchen, hätte ich weiterhin an der Küste bleiben und krenoj suchen lassen sollen. Dazu war ich aber zu dumm, deshalb geschieht es mir ganz recht, daß ich jetzt wieder als Sklave neben dir angekettet bin.“

Bevor Mikah sich zu einer Entgegnung aufraffen konnte, wurde die nach außen führende Tür aufgerissen, so daß ein Strahl Sonnenlicht in das fensterlose Gebäude fiel. „Seht zu, daß ihr auf die Beine kommt, Sklaven!“ brüllte ein d’zertanoj von draußen herein.

Die Männer erwachten stöhnend und ächzend. Jason sah jetzt, daß er mit zwanzig anderen an einen langen Balken gekettet war. Der Mann am vordersten Ende schien eine Art Vorarbeiter zu sein, denn er rüttelte die anderen wach und fluchte heftig, wenn einer nicht sofort aufsprang. Als alle endlich standen, erteilte er mit rauher Stimme seine Anweisungen.