Выбрать главу

Während er sprach, öffnete er kaum den Mund. Seine tiefliegenden blauen Augen starrten Jason unfreundlich an. Die Stimme verriet, daß der Mann bestimmt keinerlei Sinn für Humor besaß.

„Nicht gerade fair“, stellte Jason fest, während er unmerklich die Fesseln prüfte. Sie gaben nicht einen Millimeter nach. „Wenn ich das gewußt hätte, wären Sie jetzt noch in Ihrer Kreisbahn um Pyrrus.“

„Eine List für den Listenreichen“, antwortete der andere. „Angesichts Ihres schlechten Rufes und der Tatsache, daß Sie wahrscheinlich auf Pyrrus Freunde haben, blieb mir keine andere Wahl.“

„Sehr erfreut, danke.“ Jason ärgerte sich über die rechthaberische Art des Unbekannten. „Der Zweck heiligt die Mittel — nicht gerade ein originelles Argument. Aber ich bin selbst daran schuld, deshalb beschwere ich mich auch nicht.“ Am liebsten hätte Jason dem Kerl ein paar Fußtritte versetzt, aber noch lieber hätte er sich selbst einen Tritt gegeben, weil er so dumm gewesen war. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, könnten Sie mir eigentlich verraten, wer Sie sind und weshalb Sie sich die Mühe gemacht haben, mich zu entführen.“

„Ich heiße Mikah Samon. Ich bringe Sie nach Cassylia zurück, damit Sie dort vor Gericht gestellt und verurteilt werden können.“

„Cassylia… deshalb kam mir das Abzeichen so bekannt vor. Kein Wunder, daß sie noch immer hinter mir her sind. Aber von den über drei Milliarden Credits ist kaum noch etwas übrig.“

„Cassylia legt keinen Wert mehr auf das Geld“, sagte Mikah ernst. „Auf Sie übrigens auch nicht, denn Sie sind zum Nationalhelden avanciert. Die Regierung hat eingesehen, daß das Geld unwiederbringlich verloren war, deshalb versuchte man es mit einem Trick. Sie sind jetzt überall als ›Drei-Milliarden-Jason‹ bekannt — der lebende Beweis dafür, wie ehrlich auf Cassylia gespielt wird. Auf diese Weise verführen Sie andere zum Spiel, die sonst redlich ihr Brot verdient hätten.“

„Entschuldigen Sie, wenn ich etwas langsam zu verstehen scheine“, sagte Jason und schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich kann Ihren Erläuterungen nicht rasch genug folgen. Wie kommen Sie als Polizist dazu, mich zu verhaften, obwohl keine Anklage mehr gegen mich erhoben wird?“

„Ich bin kein Polizist“, antwortete Mikah ernst und nachdrücklich. „Ich glaube an die Wahrheit — sonst nichts. Die korrupten Politiker auf Cassylia haben Ihnen einen Ehrenplatz zugewiesen und sind dadurch zu noch mehr Reichtum gelangt. Aber ich werde die Wahrheit einsetzen, um dieses falsche Bild zu zerstören. Und wenn ich es vernichtet habe, werden auch die üblen Gestalten verschwinden, denen es seine Existenz verdankt.“

„Ziemlich viel für einen einzigen Mann“, meinte Jason ruhig — jedenfalls viel ruhiger, als unter diesen Umständen zu erwarten gewesen wäre. „Haben Sie vielleicht eine Zigarette für mich?“

„In diesem Schiff gibt es selbstverständlich weder Tabak noch Alkohol. Und ich bin nicht allein — ich habe Anhänger. Die Wahrheitspartei stellt bereits eine politische Größe dar. Wir haben lange nach Ihnen gesucht, aber der Erfolg rechtfertigt den Aufwand. Ihre Schandtaten auf den verschiedensten Planeten sind uns bekannt, denn wir haben uns sogar Abschriften der dort gegen Sie verhängten Urteile verschafft.“

„Vermutlich stört es Sie nicht, daß ich jedesmal in Abwesenheit verurteilt worden bin?“ erkundigte sich Jason. „Oder daß ich nur Spielkasinos und Spieler ausgenommen habe, die ihrerseits wieder davon leben, daß sie reichen Touristen das Geld abknöpfen?“

Mikah Samon machte eine wegwerfende Handbewegung. „Sie haben eine Anzahl von Verbrechen begangen. Das können Sie nicht leugnen. Seien Sie lieber dankbar, daß Ihre Verbrecherlaufbahn wenigstens einen guten Zweck erfüllt. Wir werden Sie als Hebel gebrauchen, um damit die korrupte Regierung von Cassylia zu stürzen.“

„Irgendwie muß ich mir diese verdammte Neugier abgewöhnen“, sagte Jason nachdenklich. „Vor einer Stunde war ich noch mein eigener Herr, als ich in die Funkstation gerufen wurde. Anstatt Sie an einem Berg zerschellen zu lassen, gebe ich Ihnen die richtigen Landeanweisungen und stecke dann den Kopf in Ihre hübsche Falle. Das muß ich in Zukunft unbedingt vermeiden.“

„Falls Sie damit an mein Mitgefühl appellieren wollen, können Sie sich die Mühe sparen“, antwortete Mikah. „Ich schulde Menschen wie Ihnen nichts und werde auch nie in diese Verlegenheit kommen.“

„Nie ist eine ziemlich lange Zeit“, meinte Jason gelassen. „Sie sind wirklich zu beneiden, weil Sie die Zukunft so klar vor sich sehen.“

„Ihre Bemerkung zeigt, daß vielleicht doch noch Hoffnung für Sie besteht. Vielleicht erkennen auch Sie die Wahrheit, bevor Sie sterben. Ich werde Ihnen helfen und Ihnen alles erklären.“

„Vielen Dank, aber darauf möchte ich lieber verzichten“, wehrte Jason ab, dem bei dem Gedanken daran ein Schauer über den Rücken lief.

2

„Wollen Sie mich wie ein Baby füttern — oder meine Hände zum Essen losbinden?“ erkundigte sich Jason. Mikah stand mit dem Tablett vor ihm und überlegte. Jason mußte vorsichtig sein, denn der andere war zwar merkwürdig, aber bestimmt nicht dumm. „Natürlich wäre es mir lieber, wenn Sie mich füttern würden — Sie haben die richtige Figur für einen Butler.“

„Sie können selbst essen“, entschied Mikah sofort und stellte Jason das Tablett auf den Schoß. „Aber nur mit einer Hand, weil Sie sonst wieder etwas anstellen würden.“ Er drückte auf den Knopf, der die Fessel um das rechte Handgelenk löste. Jason streckte die verkrampften Finger und nahm die Gabel auf.

Jason sah sich aufmerksam um, während er aß. Aber nicht auffällig, denn ein Spieler beobachtet unauffällig, ohne daß andere diese Tatsache überhaupt wahrnehmen. Er betrachtete nacheinander die Einrichtungsgegenstände der Kabine — Steuerpult, Bildschirme, Kursrechner, Kartenschirm, Sprungpilot, Kartenschrank und Bücherregal. Alles wurde aufgenommen, registriert und für spätere Verwendung vorgemerkt. Eine Kombination aus allen diesen Einzelheiten mußte die Ausführung des Plans ermöglichen.

Bisher kannte Jason allerdings nur den Anfang und das Ende davon. Der Anfang: Er befand sich als Gefangener auf diesem Schiff und sollte nach Cassylia transportiert werden. Das Ende: Er wollte weder Gefangener bleiben noch sich nach Cassylia bringen lassen. Das Ende schien im Augenblick schwer zu verwirklichen, aber Jason gehörte nicht zu den Menschen, die vorschnell resignieren. Er hielt lieber die Augen offen und handelte entsprechend. Wenn man den richtigen Augenblick verpaßte, brauchte man sich nicht zu wundern, daß man Pech hatte.

Jason schob das Tablett beiseite und rührte den Zucker in seiner Tasse um. Mikah hatte nur wenig gegessen und trank jetzt seine zweite Tasse Tee. Er schien in Gedanken versunken, denn er schrak förmlich auf, als Jason ihn ansprach.

„Kann ich wenigstens eine meiner eigenen Zigaretten rauchen, wenn Sie schon keine an Bord haben? Allerdings müßten Sie sie mir aus der Tasche holen, solange ich hier gefesselt bin.“

„Nein, ausgeschlossen“, wehrte Mikah ab. „Tabak ist ein Reizmittel, das außerdem Krebserreger enthält. Wenn ich Ihnen eine Zigarette geben würde, hätte ich Ihnen Krebs gegeben.“

„Sie alter Heuchler!“ antwortete Jason und freute sich, als der andere rot anlief. „Zigaretten enthalten schon lange keine krebserregenden Stoffe mehr. Und wenn schon — würde das einen Unterschied machen? Weshalb kümmert Sie der Zustand meiner Lungen, wenn ich doch auf Cassylia eines sicheren Todes sterben soll?“

„Daran habe ich nicht gedacht. Es gibt nur ganz bestimmte Lebensregeln…“

„Tatsächlich?“ unterbrach Jason ihn, um seinen Vorteil zu wahren. „Nicht entfernt so viele, wie Sie vielleicht glauben. Sie denken selbst nicht genug nach, wenn Sie behaupten, daß Sie gegen Reizmittel sind. Gegen welche denn? Wie steht es mit dem Koffein in Ihrem Tee? Er enthält eine Menge Koffein — ein starkes Reizmittel — und ist deshalb auf Raumschiffen nicht als Getränk zugelassen. Dieses Verbot besteht durchaus zu Recht. Ihr Rauchverbot vielleicht auch?“