„Mit Ungläubigen diskutiere ich nicht über Theologie“, antwortete der Hertug kalt.
„Theologie oder Wissenschaft, die Ergebnisse sind doch dieselben“, fuhr Jason fort. Er verstärkte den Druck auf die Arme seiner Leibwächter, so daß sie die Waffen fallen ließen. Die übrigen sciuloj schienen keine große Lust zu verspüren, über den körperlich weit überlegenen Fremden herzufallen. „Aber ist euch schon einmal aufgefallen, daß sich das gleiche Ziel auch erreichen läßt, wenn man den Draht durch das Magnetfeld führt, anstatt umgekehrt? Auf diese Weise entsteht der Strom mit einem Zehntel der zuvor erforderlichen Arbeit.“
„Wir haben es immer so gehalten, und was für meine Vorfahren gut genug war…“
„Ich weiß, du brauchst dich nicht weiter zu bemühen. Ich habe das gleiche Zitat auf diesem Planeten schon oft genug gehört.“ Die bewaffneten sciuloj bewegten sich auf Jason zu und hoben drohend die Dolche. „Hör zu, Hertug — sollen sie mich abschlachten oder nicht? Du mußt deinen Leuten klare Befehle geben, damit sie wissen, was sie zu tun haben.“
„Nicht töten“, sagte der Hertug. „Vielleicht hat er doch recht und kann tatsächlich Verbesserungsvorschläge machen.“
Nachdem die unmittelbar drohende Gefahr gebannt war, untersuchte Jason das merkwürdige Gerät am anderen Ende des Raumes, wobei er sorgfältig darauf achtete, seine Reaktion nicht sichtbar werden zu lassen. „Ich nehme an, der wundersame Apparat dort drüben ist der heilige Telegraf?“
„Eben der“, antwortete der Hertug andachtsvoll. Jason unterdrückte ein Lächeln.
Kupferdrähte führten von der Decke herab und endeten in einem grob gewickelten Elektromagneten, der in der Nähe eines eisernen Pendels angebracht war. Wurde der Elektromagnet unter Strom gesetzt, zog er das Pendel an; floß kein Strom, fiel das Pendel durch sein Gewicht wieder in die ursprüngliche Lage zurück. Ein spitzer Schreibstift, in den das Pendel auslief, saß auf einem mit Wachs überzogenen Kupferblechstreifen auf und übertrug die Bewegungen des Pendels in Form von Kerben auf das Wachs. Der Kupferstreifen wurde in Nuten geführt und bewegte sich rechtwinklig zu der Schwingebene des Pendels, wobei er durch ein Gewicht nach vorn gezogen wurde.
Während Jason die Maschine betrachtete, setzte sich der Mechanismus quietschend in Bewegung. Der Elektromagnet summte, das Pendel schwang aus, der Schreibstift hinterließ eine Spur auf dem Wachs, das Räderwerk knarrte, und der Streifen wurde von dem Gewicht nach vorn gezogen. Zwei sciuloj standen aufmerksam daneben, um einen neuen Kupferstreifen einzuspannen, wenn der erste beschrieben war.
An einem Tisch neben dem Gerät wurde die übermittelte Nachricht sichtbar gemacht, indem rote Farbe über die Wachsschicht gegossen wurde, die nur in den von der Nadel zurückgelassenen Kerben haftete. Dann wurde der Blechstreifen zum nächsten Tisch getragen, wo die verschlüsselten Informationen in Schreibschrift übertragen wurden. Das Verfahren war so langsam und umständlich, daß es ohne weiteres verbessert werden konnte.
„Hertug aller Perssonoj“, begann er mit einer leichten Verbeugung, „ich habe nun die heiligen Wunder gesehen und vergehe fast vor Ehrfurcht. Fern sei es von mir gewöhnlichem Sterblichen, diese göttlichen Werke verbessern zu wollen — zumindest nicht sofort —, aber ich kenne bestimmte andere Geheimnisse auf dem Gebiet der Elektrizität, die mir die Götter anvertraut haben.“
„Zum Beispiel?“ fragte der Hertug mit zusammengekniffenen Augen.
„Zum Beispiel — wie sagt man auf Esperanto dazu? — das Geheimnis des akumulatoro. Hast du schon einmal davon gehört?“
„Das Wort wird in den älteren Heiligen Werken erwähnt, aber wir wissen nicht, was es bedeutet.“ Der Hertug fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
„Dann kannst du gleich ein neues Kapitel beginnen, denn ich werde euch kostenlos und ohne Verpflichtung eine Leydener Flasche herstellen und sämtliche Anweisungen für Serienfabrikation mitliefern. Dadurch kann man Elektrizität in eine Flasche füllen, als handle es sich um Wasser. Später können wir uns komplizierteren Batterien zuwenden.“
„Wenn du das kannst, sollst du reich belohnt werden. Aber wenn du versagst, wirst du…“
„Keine Drohungen, Hertug! Dieses Stadium haben wir längst hinter uns gelassen. Und auch keine Belohnungen. Ich habe dir doch gesagt, daß ich ein kostenloses Musterexemplar liefern werde, ohne etwas dafür zu verlangen — vielleicht nur einige Erleichterungen wie Befreiung von diesen Fesseln, anständige Unterbringung und gutes Essen. Wenn du dann mit mir und meiner Arbeit zufrieden bist, können wir ins Geschäft kommen. Einverstanden?“
„Ich werde über deine Forderungen nachdenken“, antwortete der Hertug ausweichend.
„Ja oder nein, mehr will ich gar nicht. Was hast du schon dabei zu verlieren?“
„Deine Begleiter bleiben als Geiseln im Gefängnis und werden auf der Stelle umgebracht, wenn du nicht leistest, was du versprichst.“
„Eine ausgezeichnete Idee. Ich würde sogar vorschlagen, daß du den einen namens Mikah arbeiten läßt, damit er nicht auf dumme Gedanken kommt. Für meine Arbeit brauche ich allerdings einige Materialien, die ich hier nicht sehe. Ein großes Gefäß und eine Menge Zinn.“
„Zinn? Das kenne ich nicht.“
„Doch, du kennst es sogar gut. Es ist das weiße Metall, das mit Kupfer vermischt wird, um Bronze zu erzeugen.“
„Stano. Das haben wir reichlich.“
„Dann sollen die Leute es heranschaffen, damit ich mit der Arbeit beginnen kann.“
Theoretisch ist die Herstellung einer Leydener Flasche einfach — wenn man die Materialien dazu zur Verfügung hat. Dieser Punkt bereitete Jason einige Schwierigkeiten. Die Perssonoj stellten selbst kein Glas her, sondern kauften es von den Vitristoj, die auf dieses Gebiet spezialisiert waren. Diese Glasbläser produzierten allerdings nur kleinere Flaschen und waren entsetzt, als Jason ihnen vorschlug, ein größeres Gefäß nach seinen Spezifikationen herzustellen. Als sie jedoch Geld witterten, ließen sie alle Bedenken fallen und wollten das Einzelstück nach Jasons Angaben für eine horrende Summe anfertigen. Der Hertug fluchte heftig, zählte aber schließlich doch die Goldstücke auf den Tisch.
„Du wirst einen schrecklichen Tod erleiden“, drohte er Jason, „wenn dein akumulatoro nicht funktioniert.“
„Der Glaube versetzt Berge“, tröstete Jason ihn und ging zu den Arbeitern hinüber, die unter seiner Anleitung das Zinn zu hauchdünnen Plättchen hämmern mußten.
Jason hatte weder Mikah noch Ijale zu Gesicht bekommen, seit er mit dieser Arbeit beschäftigt war, machte sich aber keine Sorgen um sie. Ijale war an das Sklavenleben gewöhnt und würde sich nicht selbst in Schwierigkeiten bringen, während Jason dem Hertug die Wunder der Elektrizität verkaufte. Mikah war jedoch nicht daran gewöhnt, als Sklave behandelt zu werden, und Jason freute sich bei dem Gedanken daran, daß er öfters mit der Peitsche oder dem Stock Bekanntschaft machen würde. Seit dem letzten Fiasko hatte er nichts für seinen Lebensretter übrig.
„Es ist angekommen“, verkündete der Hertug. Die sciuloj murmelten mißtrauisch vor sich hin, während das Glasgefäß ausgepackt wurde.
„Nicht schlecht“, meinte Jason und hielt es gegen das Licht. „Aber das hier ist die zwanzig Liter enthaltende Familienflasche — ziemlich genau viermal so groß wie das Gefäß, das ich bestellt habe.“
„Für viel Geld gibt es viel Glas“, sagte der Hertug. „Das ist nur gerecht. Warum beklagst du dich also? Fürchtest du einen Mißerfolg?“
„Ich fürchte gar nichts. Aber ein so großer akumulatoro macht natürlich wesentlich mehr Arbeit. Außerdem ist er nicht ungefährlich; diese Leydener Flaschen nehmen eine ganz schöne Ladung auf.“