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Mikah schwieg hartnäckig, bis Jason gemeinsam mit Ijale die Räume besichtigte. Erst dann sagte er kalt: „Du hast vergessen, mich von diesen Ketten zu befreien.“

„Ich freue mich, daß dir das aufgefallen ist“, antwortete Jason. „Auf diese Weise brauche ich dich nicht darauf aufmerksam zu machen. Kannst du dir eine bessere Methode vorstellen, um dich zuverlässig von dummen Streichen abzuhalten?“

„Du beleidigst mich!“

„Ich sage nur die Wahrheit. Du bist daran schuld, daß ich meinen schönen Job bei den d’zertanoj verloren habe, und hast mich dort wieder zum Sklaven gemacht. Ich habe dich mitgenommen, als ich fliehen konnte, aber du hast meine Großzügigkeit dadurch belohnt, daß du Snarbis Verrat ermöglicht hast — und diese Stellung habe ich aus eigener Kraft ohne deine geschätzte Mitwirkung ergattert.“

„Ich habe nur getan, was ich für richtig hielt.“

„Dann hast du eben falsch gedacht.“

„Du bist rachsüchtig und kleinlich, Jason dinAlt!“

„Wie recht du hast! Deshalb bleibst du auch angekettet.“

Jason nahm Ijales Arm und spielte den Fremdenführer, als sie durch das Apartment gingen. „Wie in allen modernen Wohnungen führt die Eingangstür gleich in den größten Raum, der mit rustikalen Möbeln aus ungehobeltem Holz und herrlichen Schimmelpilzen an den Wänden ausgestattet ist. Großartig zur Käseherstellung geeignet, aber für Menschen kaum zu empfehlen. Am besten lassen wir ihn Mikah.“ Er öffnete eine Verbindungstür. „Schon etwas besser — reine Südlage, die Aussicht auf den Großen Kanal und wenigstens etwas Licht. Die Fenster aus bestem Horn, das sowohl Sonnenschein, als auch frische Luft hereinläßt. Ich glaube, daß ich es durch Glas ersetzen werde. Aber vorläufig reicht vermutlich auch ein Feuer in dem Kamin dort drüben, der eher in eine Ochsenbraterei passen würde.“

„Krenoj!“ rief Ijale begeistert und rannte auf einen Korb zu, der in einer Nische neben dem Kamin stand. Sie roch an den Wurzeln und faßte sie nacheinander an. „Noch nicht zu alt, zehn Tage, vielleicht fünfzehn. Gut für Suppe.“

„Endlich wieder mein Leibgericht“, meinte Jason ohne große Begeisterung.

Mikah rief aus dem anderen Zimmer nach ihm. Jason zündete erst das Feuer an, bevor er sich erkundigte, was Mikah von ihm wollte.

„Das ist kriminell!“ klagte Mikah und rasselte mit seinen Ketten.

„Ich bin ein Krimineller, hast du das vergessen?“ antwortete Jason ungerührt und wollte gehen.

„Warte doch! Du kannst mich nicht einfach gefesselt lassen. Schließlich sind wir zivilisierte Menschen. Wenn du mich freiläßt, gebe ich dir mein Ehrenwort, daß ich dir nichts nachtrage.“

„Das ist sehr freundlich von dir, alter Knabe, aber aus meiner bisher so vertrauensvollen Seele ist alles Vertrauen geschwunden. Ich habe mich zu den hiesigen Gebräuchen bekehren lassen und traue dir also nur, wenn ich selbst sehe, was du tust. Aber ich bin kein Unmensch — du sollst herumlaufen können, damit du endlich den Mund hältst.“

Jason schloß die Kette auf, mit der Mikahs Eisenkragen an der Wand befestigt war, und wandte sich wortlos ab.

„Du hast den Kragen vergessen“, sagte Mikah.

„Wirklich?“ antwortete Jason mit einem häßlichen Grinsen. „Ich habe nicht vergessen, daß du mich an Edipon verraten hast, deshalb bleibt der niedliche Kragen an deinem Hals. Solange du Sklave bist, kannst du mich nicht nochmals verraten — deshalb bleibst du einer.“

„Das hätte ich mir denken können“, meinte Mikah wütend.

„Du bist ein Schuft und schlimmer als diese Wilden hier. Ich werde dir nicht behilflich sein; ich schäme mich, daß ich jemals etwas in dieser Art erwogen habe. Du bist schlecht, und mein Leben ist dem Kampf gegen alles Schlechte gewidmet — deshalb kämpfe ich auch gegen dich.“

Jason hatte schon die Faust zum Schlag erhoben, dann lachte er aber doch.

„Du überraschst mich immer wieder, Mikah. Ich hätte nie gedacht, daß ein Mensch so stur sein könnte. Aber ich bin froh, daß du mir deine ehrliche Meinung gesagt hast — jetzt kann ich mich wenigstens vor dir in acht nehmen. Und damit wir nicht etwa wieder zu freundlich miteinander werden, bleibst du Sklave und wirst dementsprechend behandelt. Los, nimm den Krug dort drüben und laß dich von der Wache zu dem Brunnen begleiten, aus dem Sklaven wie du Wasser holen.“

Er wandte sich um und verließ den Raum. Sein Zorn war noch nicht abgeklungen, aber er gab sich besondere Mühe, die von Ijale zubereitete Mahlzeit zu loben.

Nach dem Essen wärmte Jason sich an dem Feuer im Kamin und war mit sich und der Welt zufrieden. Ijale kauerte neben ihm und nähte einige Felle zusammen, während Mikah im Nebenraum wütend mit seinen Ketten rasselte und ausgiebig fluchte. Jason hätte lieber geschlafen, aber er hatte dem Hertug eine Aufzählung möglicher Wunderdinge versprochen und wollte die Liste fertigstellen, bevor er zu Bett ging. Er sah auf, als sich die Tür öffnete und Benn’t hereinkam, der von einem seiner Soldaten mit einer blakenden Fackel begleitet wurde.

„Komm“, sagte Benn’t und wies auf die Tür.

„Wohin und weshalb?“ fragte Jason, der zu faul war, um aufzustehen.

„Komm“, wiederholte Benn’t unfreundlich und zog sein kurzes Schwert, um seiner Aufforderung Nachdruck zu verleihen.

„Allmählich gehst du mir auf die Nerven“, stellte Jason fest, zog sich seine Fellweste an und ging an Mikah vorbei hinaus. Der Posten vor der Tür war verschwunden, aber auf dem Fußboden lag eine dunkle Gestalt. War das etwa der Posten? Jason wollte zurück, aber hinter ihm wurde die Tür zugeschlagen. Benn’t drückte ihm die Schwertspitze in den Rücken oberhalb der Nieren.

„Ein Wort oder eine falsche Bewegung, dann bist du ein toter Mann“, drohte der Soldat.

Jason dachte darüber nach und blieb unbeweglich stehen. Die Drohung beeindruckte ihn wenig, denn er wußte genau, daß er Benn’t entwaffnen und den anderen Soldaten überwältigen konnte, bevor dieser sein Schwert gezogen hatte, aber diese neue Entwicklung interessierte ihn. Er hatte das sichere Gefühl, daß der Hertug von diesem nächtlichen Ausflug nicht unterrichtet worden war, und fragte sich, wie das Ende aussehen würde.

Dann bereute er diesen Entschluß allerdings sofort, als jemand ihm einen Knebel in den Mund steckte und ihm die Arme hinter dem Rücken fesselte. Nun war er völlig hilflos und mußte gehorsam die Treppen hinaufsteigen, die auf das flache Dach des Gebäudes führten.

Der Soldat löschte die Fackel, so daß sie in der Dunkelheit standen, während ein kalter Schneeregen auf sie niederging. Jason stolperte über die nassen Dachziegel voran und wäre einmal fast abgerutscht, wenn die beiden Soldaten ihn nicht rechtzeitig zurückgehalten hätten. Die Männer arbeiteten schweigend und rasch, als sie Jason ein Seil um die Brust banden, um ihn dann über die Brüstung nach unten zu lassen. Jason fluchte lautlos vor sich hin, als er an der rauhen Außenwand nach unten rutschte und schließlich bis zu den Knien in dem eisigen Wasser hing. Einige Minuten später tauchten die schattenhaften Umrisse eines Bootes aus der Dunkelheit auf. Jason wurde an Bord gezogen, dann rutschten seine Entführer an dem Seil herab. Das Wasser plätscherte leise, als das Boot sich in Bewegung setzte.

Die Ruderer achteten nicht auf Jason; sie benützten ihn sogar als Fußstütze, bis er sich auf die Seite rollen konnte. Erst als er wieder Fackeln über sich sah, erkannte er, daß das Boot durch ein Tor in ein Fort einfuhr, das Ähnlichkeit mit dem der Perssonoj hatte. Er brauchte nicht lange zu überlegen, um zu erkennen, daß er von einem rivalisierenden Clan entführt worden war. Als das Boot angelegt hatte, wurde Jason durch feuchte Gänge bis zu einem eisernen Portal geführt. Benn’t war verschwunden — vermutlich hatte er bereits seine dreißig Silberlinge in Empfang genommen —, und die neuen Wachtposten schwiegen. Sie banden seine Hände los, lösten den Knebel, stießen ihn durch das Eingangsportal und knallten es hinter ihm zu.