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Kurze Zeit später ordnete Ch’aka eine Rast an. Die zerlumpten Sklaven versammelten sich in respektvoller Entfernung und sahen zu, wie er in dem Korb herumwühlte. Ihr Herr rief sie nacheinander zu sich und warf ihnen eine größere oder kleinere Wurzel vor die Füße. Offenbar entschied er nach eigenem Gutdünken, wer viel und wer wenig verdient hatte. Der Korb war fast leer, als er mit seiner Keule auf Jason wies.

„K’e nam h’vas vi?“ fragte er.

„Mia namo estas Jason, mio amiko estas Mikah.“

Jason hatte auf Esperanto geantwortet. Ch’aka hatte ihn anscheinend gut verstanden, denn er grunzte und suchte mit einer Hand in dem Korb herum. Sein maskiertes Gesicht starrte die beiden Fremden an. Dann hob der Sklavenhalter wieder die Keule.

„Woher kommt ihr? War das euer Schiff, das brennend versunken ist?“

„Es war unser Schiff. Wir kommen von weither.“

„Von der anderen Seite des Meeres?“ Das war offensichtlich die größte Entfernung, die der Sklaventreiber sich vorstellen konnte.

„Richtig, von der anderen Seite des Meeres.“ Jason wollte dem Kerl nicht erst einen Vortrag über Astronomie halten. „Wann bekommen wir etwas zu essen?“

„Du bist ein reicher Mann in deiner Heimat gewesen. Du hast ein Schiff und Stiefel gehabt. Jetzt habe ich deine Stiefel. Du bist hier Sklave. Mein Sklave. Ihr seid beide meine Sklaven.“

„Ich bin dein Sklave, wir sind deine Sklaven“, gab Jason resigniert zu. „Aber selbst Sklaven müssen essen. Wann bekommen wir etwas?“

Ch’aka wühlte in dem Korb herum, bis er eine kleine vertrocknete Wurzel gefunden hatte, die er zerbrach und Jason vor die Füße warf.

„Arbeitet gut, dann bekommt ihr mehr.“

Jason hob die Stücke auf und wischte den Sand so gut wie möglich ab. Er gab Mikah eines und biß selbst in das andere. Das Zeug schmeckte wie ranziges Fett mit Streusand. Jason mußte sich dazu zwingen, es mühsam hinunterzuwürgen, aber schließlich gelang es ihm doch. Jedenfalls war die Wurzel eßbar und konnte als Nahrung dienen, bis sie etwas anderes auftrieben.

„Worüber habt ihr gesprochen?“ erkundigte sich Mikah und spuckte einen kleinen Stein aus.

„Wir haben uns gegenseitig angelogen. Er glaubt, daß wir seine Sklaven sind, und ich habe zugestimmt. Aber nur vorläufig“, fügte Jason hinzu, als Mikah vor Zorn rot anlief und aufstehen wollte. „Wir befinden uns auf einem unbekannten Planeten, du bist verletzt, wir haben weder Nahrungsmittel noch Wasser und wissen nicht, wie wir hier überleben könnten. Deshalb müssen wir vorläufig noch tun, was der häßliche Vogel dort drüben sagt. Wenn er uns als Sklaven bezeichnen will, dann sind wir eben Sklaven…“

„Lieber in Freiheit sterben, als in Ketten verderben!“

„Laß den Unsinn! Lieber in Ketten leben und lernen, wie man sich ihrer entledigt. Auf diese Weise ist man am Schluß lebend-frei, anstatt nur tot-frei — was mir nicht angenehm wäre. An deiner Stelle würde ich den Mund halten und essen. Wir können nichts unternehmen, solange deine Wunde nicht geheilt ist.“

Der Rest des Tages verlief ähnlich wie der Vormittag. Jason half nicht nur Mikah, sondern fand auch zwei krenoj, wie die eßbaren Wurzeln hießen. Bei der abendlichen Essensverteilung erhielt er eine etwas größere Wurzel, die vermutlich eine Art Belohnung darstellen sollte. Mikah und er waren so erschöpft, daß sie sofort einschliefen, ohne sich um die anderen Sklaven zu kümmern.

Am folgenden Morgen wurde die routinemäßige Suche nach Wurzeln erstmals durchbrochen. Einer der Sklaven, der auf der Düne suchte, hinter der das Meer lag, stieß einen lauten Schrei aus und winkte aufgeregt. Ch’aka lief zu ihm hinüber, sprach mit ihm und jagte ihn dann mit einem Tritt davon.

Jason beobachtete ihn aufmerksam, als der Sklavenhalter eine Armbrust aus dem Sack auf seinem Rücken nahm und die Sehne mit einer Kurbel spannte. Diese verhältnismäßig komplizierte Waffe paßte durchaus nicht zu den hier herrschenden Verhältnissen. Jason hätte sie gern aus größerer Nähe gesehen. Ch’aka holte einen Bolzen aus seiner Gürteltasche und legte ihn auf die Sehne.

Die Sklaven blieben ruhig sitzen, während ihr Herr über die Düne schlich und auf der anderen Seite verschwand. Einige Minuten später war ein kurzer Schmerzenslaut zu hören. Die Sklaven sprangen auf und rannten zu der Düne hinüber, um zu gaffen. Jason ließ Mikah zurück und erreichte den Kamm der Düne eher als alle anderen.

Die Zuschauer hielten sich wie üblich in respektvoller Entternung auf und riefen Ch’aka von dort aus ihre Komplimente zu. Jason mußte zugeben, daß sie nicht unrecht hatten. Am Rande des Wassers lag ein großes Amphibium, aus dessen Hals das Ende des Bolzens hervorragte. Aus der Wunde tropfte Blut, das sich mit dem Meerwasser vermischte.

„Fleisch! Heute gibt es Fleisch!“

„Ch’aka hat ein rosmaro erlegt! Ch’aka ist wunderbar!“

„Heil Ch’aka, unserem Ernährer“, fiel Jason ein, um nicht hinter den anderen zurückzustehen. „Wann gibt es zu essen?“

Der Sklavenhalter ignorierte seine Sklaven und blieb im Sand sitzen, bis er sich von der anstrengenden Pirsch erholt hatte. Dann spannte er die Armbrust wieder, ging zu dem erlegten Tier hinüber und schnitt den Bolzen aus dem Fleisch, um ihn wieder auf die Sehne zu legen.

„Sucht Feuerholz“, befahl er. „Opisweni, du gebrauchst das Messer.“

Ch’aka ging rückwärts, ließ sich auf einer Erhöhung nieder und zielte mit der Armbrust auf den Sklaven, der sich dem Tier näherte. Der Mann hob das Messer auf, das Ch’aka im Sand hatte liegen lassen, und häutete die Beute ab, um sie anschließend auszunehmen. Dabei kehrte er seinem Herrn, der jede Bewegung verfolgte, stets den Rücken zu.

„Eine vertrauensvolle Seele, unser Sklaventreiber“, sagte Jason zu sich selbst, als er mit den anderen nach Feuerholz suchte. Ch’aka war bewaffnet, aber er hatte trotzdem Angst vor einem Überfall. Wenn Opisweni das Messer nicht für den angegebenen Zweck benützte, bekam er einen Bolzen durch den Kopf.

Als Jason mit dem Holz zurückkam, das er am Strand gefunden hatte, war das rosmaro bereits zerwirkt worden. Ch’aka jagte seine Sklaven von dem Holzstoß fort und holte ein primitives Feuerzeug aus der Tasche. Jason sah aufmerksam zu, wie er mit dem Stahl gegen einen Feuerstein schlug und damit eine Handvoll Zunder in Brand setzte.

Wo hatte Ch’aka das Feuerzeug und die Armbrust her? Beide Geräte gehörten einer wesentlich höheren Kulturstufe an, die diese Nomaden unmöglich selbst erreicht haben konnten. Vielleicht existierte auf diesem Planeten doch eine weiter entwickelte Zivilisation? Während die übrigen Sklaven ihr Fleisch verschlangen, sprach Jason mit Mikah über diese überraschende Entdeckung.

„Wir können wieder Hoffnung schöpfen. Diese primitiven Wilden haben weder das Feuerzeug noch die Armbrust erfunden. Wir müssen herausbekommen, woher die Geräte stammen, damit wir wissen, wohin wir fliehen können. Ich habe den Bolzen nicht genau gesehen, aber ich möchte schwören, daß er aus Stahl gedreht war.“

„Spielt denn das eine Rolle?“ fragte Mikah erstaunt.

„Das bedeutet eine Industriegesellschaft und vielleicht sogar Verbindung zu anderen Planeten.“

„Dann müssen wir Ch’aka fragen, woher er diese Gegenstände hat, und sofort aufbrechen. Wir werden die Behörden verständigen, unsere Lage erklären und nach Cassylia abfliegen. Ich werde dich erst wieder verhaften, wenn wir an Bord des Schiffes sind.“

„Wie rücksichtsvoll!“ Jason zog spöttisch eine Augenbraue in die Höhe. Dieser Mikah war wirklich unmöglich! „Tut es dir denn nicht leid, wenn du mich zur Hinrichtung abtransportierst? Schließlich sitzen wir hier gemeinsam in der Patsche — und ich habe dir das Leben gerettet.“

„Ich tue es nicht gern, Jason, weil ich einsehe, daß du doch nicht von Grund auf verderbt bist. Vielleicht könntest du sogar noch zu einem nützlichen Glied der menschlichen Gesellschaft werden. Aber meine persönlichen Gefühle haben keinen Einfluß auf die Pflicht, die ich zu erfüllen habe. Du darfst nicht vergessen, daß du die gerechte Strafe für deine Verbrechen erleiden mußt.“