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„Eisenfest wie Pudding.“

„Nun, so wollen wir es probieren. Ich werde dem Hausknecht Befehl geben, für zehn Uhr zwei Pferde zu besorgen.“

„Schön. Das, welches am feurigsten ist, nehme ich. Sie sollen ihre Freude und Bewunderung an mir haben.“

„Darüber läßt sich wohl noch sprechen. Ich liebe es nicht, auf einem Fleischergaul zu sitzen. Ihre kurzen, quatschigen Beinchen scheinen mir nicht gemacht, einen gehörigen Schenkeldruck auszuüben.“

„Das ist auch nicht nötig. Müssen es denn gerade die Schenkel sein? Ich drücke mein Pferd, womit ich will.“

Damit war diese Angelegenheit erledigt. Die Zeit bis zum Theater verging den beiden sehr rasch. Sie hatten Billets zur ersten Rangloge und begaben sich kurz vor Beginn der Vorstellung in den Tempel der Kunst.

Der Kleine betrachtete den Platz, welchen seine Nummer angab unter einem Schütteln des Kopfes.

„Na, na!“ brummte er. „Da soll ich sitzen? Das wird sein, als ob ich in einer Kartoffelquetsche stäke.“

Er zwängte sich so viel wie möglich zusammen und setzte sich nieder.

„Geht's?“ fragte Haller.

„Gut nicht. Es ist mir zumute, als ob man mich in die spanische Jungfrau gesteckt hätte. Ich muß mir von Zeit zu Zeit zu helfen suchen. Ich hoffe, daß wir keine Nachbarn bekommen. Wenn der Platz neben mir besetzt würde, so könnte ich mir gratulieren. Eine kräftige Taille ist unter Umständen ganz hübsch, zuweilen kann sie aber auch unangenehm werden, die Figura zeigt.“

Kaum hatte er das Wort gesprochen, so wurde die Tür der Loge geöffnet, und es traten drei Personen ein: zwei Damen und ein galonierter Diener. Die ersteren waren verschleiert, so daß man ihre Züge nicht sogleich zu erkennen vermochte. Als sie die beiden Männer bemerkten, blieben sie einige Augenblicke lang flüsternd stehen.

„Teufel! Denen scheint es nicht zu passen, daß wir hier sitzen“, raunte Schneffke seinem Nachbarn zu.

Dieser antwortete erst, nachdem er einen scharfen, forschenden Blick auf die Damen geworfen hatte:

„Kennen Sie die beiden?“

„Nein. Glauben Sie, daß ich jede Dresdner Apfelfrau kennen muß, noch dazu, wenn sie verschleiert ist?“

„So erschrecken Sie nachher nur nicht.“

„Worüber denn?“

„Das werden Sie selbst merken. Sie kommen.“

„Hilf, Himmel! Ja, sie kommen her neben mich. Gott sei meiner armen Seele gnädig!“

„Oder vielmehr Ihrem sterblichen Leichnam, der jedenfalls mehr Platz einnimmt, als die Seele samt dem ganzen Geist, den Sie haben, bester Herr Kollege.“

Während der Diener im Hintergrund der Loge Platz nahm, kamen die Damen herbei und setzten sich auf die Plätze, welche zur Linken des Berliners lagen. Zu seiner Rechten saß Haller. Der arme Hieronymus stieß einen qualvollen Seufzer aus und machte sich so schmal wie möglich, dennoch aber quoll er höchst ansehnlich zu den Seitenlehnen heraus, und die linke Seite seines Unterkörpers wurde ganz von der Toilette der Dame, welche neben ihm saß, versteckt.

Sie hatte seinen Seufzer gehört und antwortete mit einem leichten Räuspern, welches ihm ziemlich schnippisch zu klingen schien.

„Die macht sich gar noch über mein Elend lustig!“ dachte er. „Jetzt geht es noch. Wie aber soll es später werden, wenn die Wärme steigt! Ich wollte, diese Person wäre eine alte Hypotenuse, damit ich nicht viel Federlesens mit ihr zu machen brauchte.“

Aber dieser Wunsch sollte ihm nicht in Erfüllung gehen; ob leider oder ob glücklicherweise, das war noch nicht zu bestimmen. Als sich nämlich der Vorhang hob, zogen die beiden Nachbarinnen ihre Schleier zurück. Schneffkes Augen waren auf die Bühne gerichtet, aber als er den ersten Blick seitwärts warf, erkannte er – die Generalin von Goldberg und ihre schöne Begleiterin. Die letztere saß neben ihm.

Augenblicklich begann es ihm heiß zu werden, was er erst für später erwartet hatte.

„Donnerwetter!“ dachte er. „Ist das Glück oder Unglück? Meine Manschetten sind nicht die allerweißesten und der Kragen – Pfui Teufel, die Rutschpartie hat mich so ziemlich unscheinbar gemacht. Ich sehe aus, als ob ich in einer alten Kiste zwischen Schokoladenmehl und gemahlenem Kaffee gelegen hätte! Aber einen Trost gibt es doch: die Liebe ist blind. Wenn sie mir gut ist, so wird sie von dem allen nicht das mindeste merken. Hätte ich doch wenigstens mich um Glacehandschuhe bekümmert! Oh! Da gibt es Rettung!“

Haller hatte nämlich seine Glacehandschuhe zu unbequem gefunden und einen derselben ausgezogen und auf die Brüstung der Loge gelegt. Schneffke beobachtete seine Nachbarschaft, und als er glaubte, nicht bemerkt zu werden, griff er zu und annektierte den Handschuh. Zwar nahm es die Dauer des ganzen ersten Aktes in Anspruch, ehe es ihm gelang, seine fetten Finger hineinzubringen, aber er brachte es doch fertig. Dann langte er mit einer möglichst graziösen Handbewegung nach dem Theaterzettel, welcher vor ihm lag. In demselben Augenblick ging der Vorhang nieder; das Publikum applaudierte und er hielt es für angezeigt, den Kunstenthusiasten zu spielen und aus Leibeskräften zu klatschen. Da erklang es halblaut neben ihm:

„Pst, Herr Schneffke! Er zerreißt ja! Er ist zu enge!“

Er wendete sich erstaunt zu seiner Nachbarin und fragte:

„Wer denn?“

„Der da!“

Dabei deutete sie auf seine Hand. Der Handschuh war bei dem Klatschen außer Rand und Band gegangen. Er hing fast ganz in Fetzen um die Finger.

„Sapristi!“ sagte er. „Man hat mir eine zu enge Nummer geschickt!“

„Das ist beklagenswert! Was aber wird Ihr Herr Kollege sagen?“

„Warum dieser?“

„Er wird sich ärgern, daß er Ihnen den Handschuh nicht vorher erst gehörig ausgeweitet hat. Er konnte ihn noch einige Minuten länger an der Hand behalten.“

Er fühlte, daß er blutrot im Gesicht wurde. Sie hatte also gesehen, daß er den Handschuh gespitzbubt hatte.

„Fräulein, Sie sind ein kleiner Teufel!“ flüsterte er.

„Wird es Ihnen in meiner höllischen Nähe warm, Herr Tausendfüßlermaler?“

Es war ihm wirklich so warm, als ob sein Körper jetzt aus lauter Wellfleisch bestehe. Er mußte ihre Gedanken von dem ominösen Handschuh ablenken und fragte darum:

„Wie gefällt Ihnen die Jungfrau? Diese Pauline Ullrich spielt doch ausgezeichnet!“

„Fast so ausgezeichnet, wie Sie eskamotieren. Fahren Sie auch mit dieser Handschuhnummer Veloziped?“

„Nein“, antwortete er grimmig, „da ziehe ich Faust- und Pelzhandschuhe an. Aber sagen Sie einmal, Fräulein, ob Sie in Niederboyritz bekannt sind?“

Sie blickte ihn verwundert an und fragte dann:

„Wie kommen Sie zu dieser Erkundigung? Ich war noch nie an diesem Ort.“

„Aber wohl in Markneukirchen im Erzgebirge?“

„Niemals!“

„Haben Sie hier in Dresden einen pensionierten Seminardirektor gekannt, der jetzt gestorben ist?“

„Nein.“

„Dieser Schuft! Dieser Schurke!“

„Wer? Der Seminardirektor?“

„O nein! Der ist jedenfalls ein seelensguter Kerl gewesen. Ich meine den, der ihn heute an den Masern hat sterben lassen.“

„Herr Schneffke, es wird Ihnen wohl immer heißer?“

„So heiß wie einem Pudding!“

Der zweite Akt begann. Der Dicke sah fast gar nichts davon. Er war von dem Portier düpiert worden; das ärgerte ihn. Noch mehr ärgerte ihn die Handschuhgeschichte. Und gerade jetzt bemerkte Haller, daß ihm sein Handschuh fehlte. Er beugte sich über die Brüstung vor, da er dachte, der Glace sei da hinabgefallen. Da machte die Vorleserin eine so auffällige Handbewegung, daß Haller sich zu ihr wenden mußte, und da deutete sie auf Schneffkes Hand, an welcher die Lederfetzen hingen. Der Dicke hätte in den Erdboden sinken mögen. Der Schweiß brach ihm aus allen Poren; es war ihm, als ob er in einem Dampfbad sei.

Doch endlich, endlich ging auch dieser Akt zu Ende. Haller benutzte das und flüsterte ihm zu: