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„Und das glauben Sie?“

„Unsinn! Sie gefallen mir; das ist genug. Eine Peitsche habe ich auch. Sie liegt drüben in meinem Zimmer. Donnerwetter! Ich werde ihnen etwas vorreiten. Die ganze hohe Schule nehme ich durch. Zuletzt ein waghalsiges Ventre-à-terre. Und damit ich dabei den Hut nicht verliere, habe ich ihn mir mit der Schnur hier fest auf den Kopf gebunden.“

Haller lachte ihm in das Gesicht und sagte:

„Sie sind ein ganz verwegener Kerl, wie es scheint. Tun Sie mir den Gefallen, Ihren Hals und Ihre Beine in acht zu nehmen. Na, so kommen Sie.“

Er hatte hinter dem Rücken des guten Hieronymus Sorge getragen, daß diesem nicht etwa ein arabischer Hengst zur Verfügung gestellt werde. Als sie aus dem Tor traten, sahen sie einen hübschen Braunen und daneben einen Schimmel, dem man die Sanftmut und Geduld eine ganze Weile weit ansehen konnte. Schneffke trat in unternehmender Haltung zu dem Knecht und fragte diesen:

„Welches ist das wildeste von den beiden?“

Der Gefragte deutete auf den Schimmel und antwortete:

„Der da. Er ist oft kaum zu bändigen. Es gehört ein sehr erfahrener und gewandter Reiter dazu, im Sattel zu bleiben.“

„Pah! Mich soll er nicht herunter bekommen. Herr Kollege, ich kann nicht dulden, daß Sie sich in Gefahr begeben; ich nehme also den wilden Schimmel und lasse Ihnen den Braunen.“

„Nicht doch!“ antwortete Haller. „Der Schimmel hat den Teufel im Leib. Der braucht Schenkeldruck.“

Der Dicke stellte sich breitspurig vor ihn hin und sagte:

„Schenkeldruck? Donnerwetter! Betrachten Sie sich einmal diese Schenkel. Sind das etwa Sperlingswaden? Ich bin ja der reine Koloß von Rhodos. Wenn der Schimmel wirklich gedrückt sein will, so kann er es haben. Ich werde ihn quetschen, daß ihm die Seele knacken soll. Aufgestiegen, also.“

Es kostete ihn Mühe, mit dem Fuß den Bügel zu erreichen; aber es gelang ihm doch, hinauf zu klettern, wo er sich dann ordentlich zurecht setzte. Der Schimmel war sehr gut genährt. Diese beiden paßten ungemein füreinander.

Auch Haller war aufgestiegen und sagte:

„Vorwärts jetzt, durch die Rampische Straße!“

Er setzte den Braunen in Bewegung. Der Dicke tat dasselbe, zerrte aber an der verkehrten Seite. So kam es, daß der Schimmel sich erst einmal um seine eigene Achse drehte und dann in ganz entgegengesetzter Richtung forttraben wollte. Haller blickte sich um und bemerkte das. Er rief:

„Herr Kollege, Herr Kollege, wollen Sie etwa durch das Marktgäßchen reiten?“

„Das Marktgäßchen? Fällt mir nicht ein! Ich dachte aber, das hier wäre die Rampische Straße. Komm, Schimmel, dreh dich um. Nach links, immer weiter links. So, und nun gradaus, hinter dem Braunen her.“

Es war ihm gelungen, den Gaul richtig vor den Wind zu bringen; er erreichte Haller und ritt an dessen Seite weiter.

Die Leute blieben stehen, um den beiden nachzublicken. Es war dem Dicken unmöglich, die Beine in die gehörige Lage zu bringen; er streckte sie grad ab. Ein rascher Seitenschritt des Pferdes hätte ihn sofort aus dem Sattel gebracht. Er bemerkte, welche Aufmerksamkeit er erregte, daher sagte er in selbstgefälligem Ton zu Haller:

„Wir müssen doch ein höchst stattliches Reiterpaar bilden, denn alle Leute staunen uns an.“

„Mich weniger als Sie.“

„Das ist auch meine Meinung. Aber sehen Sie nur, was für einen famosen Schenkeldruck ich habe.“

„Ausgezeichnet!“ nickte Haller ironisch.

„Ohne diesen Druck wäre ich aber auch sofort zur Katze. Dieser Schimmel ist ein ganz verfluchtes Vieh. Er will mit mir immer durch, bald rechts oder links, bald rückwärts oder vorwärts. Soeben wollte er hinten ausschlagen, und jetzt, ah, ich ahnte es doch gleich, jetzt wollte er vorn in die Höhe. Aber solche Unbotmäßigkeiten dulde ich absolut nicht. Das Vieh muß einsehen, daß es endlich einmal seinen Reiter gefunden hat.“

So ging es durch die Pillnitzer Straße und quer über die alte Vogelwiese nach Blasewitz zu. Sie hatten die Forthausstraße hinter sich, da deutete Haller nach vorn und sagte:

„Teufel noch einmal. Kennen Sie die beiden, die dort gehen?“

„Die Frauenzimmer?“

„Ja.“

„Die gehen mich nichts an. Ich habe jetzt keine Zeit mit Damen zu liebäugeln. Ich darf den Schimmel nicht aus den Augen lassen.“

„Aber einen Blick werden Sie doch wohl übrig haben, zumal für diese beiden.“

„Sind es denn gar so außerordentliche Personen?“

„So sehen Sie doch nur hin!“

Der Dicke gehorchte und rief dann erfreut:

„Die Generalin und ihre Vorleserin! Kollege, wollen wir ihnen einmal etwas vorreiten?“

Der Gefragte schüttelte scheinbar besorgt den Kopf und antwortete:

„Der Schimmel, der fatale Schimmel!“

„Wieso?“

„Na, wenn der einmal im Zug ist, dann ist es aus.“

„Unsinn! Ich gebe ihm Schenkeldruck. Also vorwärts. Trab oder Galopp?“

„Trab!“

„Schön! Die Gräfin soll einmal sehen, daß ein Spinnen- oder Krebsmaler ebenso elegant zu Pferde sitzen kann, wie ein General.“

Haller ließ sein Pferd in Trab fallen, und der gutwillige Schimmel folgte freiwillig. Der Dicke hopste auf und nieder wie ein Mehlsack. Er rutschte bald vor oder hinter, bald nach rechts oder nach links, doch gelang es ihm noch, Sattel zu behalten.

Jetzt waren sie den Damen nahe gekommen.

„Galopp jetzt, Galopp!“ gebot Schneffke.

„Um Gottes willen, nicht!“

„Pah! Ich fürchte mich vor dem Teufel nicht, viel weniger vor dem Schimmel. Da, da, da!“

Bei den drei letzten Silben holte er mit der Peitsche aus und gab dem Schimmel drei kräftige Hiebe über den Kopf. Grad in diesem Augenblick wurden die Damen auf die Reiter aufmerksam; sie drehten sich um. Der Dicke wollte in eleganter Haltung an ihnen vorüber; aber – war der Schimmel die Schläge nicht gewöhnt, oder hatte einer der Hiebe sein Auge getroffen, kurz und gut, das dicke Pferd riskierte eine Lancade.

„Mordió! Feurio! Hilfio!“ brüllte Hieronymus, indem er die Peitsche fallen, die Zügel fahren ließ und alle viere in die Lüfte streckte. Im nächsten Augenblick beschrieb er einen Bogen vom Pferd herab und kam grad vor Emma auf denjenigen Teil seines Körpers zu sitzen, auf welchem er gestern auch die famose Rutschpartie gemacht hatte.

Das gab zwar einen tüchtigen Plumps, und er fuhr mit den Händen angstvoll nach hinten, obgleich in jener Gegend keine Rippen zu brechen waren, doch fand er schnell die Geistesgegenwart wieder. Er legte die Hand militärisch an die Hutkrempe und grüßte:

„Ergebenster Diener, meine verehrtesten Damen. Der Gaul ist auf den Wink dressiert. Er hat mich zu Ihren Füßen niedergesetzt, damit es mir möglich sei, Ihnen meine Hochachtung zu beweisen. Nehmen Sie dieses reizende Intermezzo gütigst nur als das, was es wirklich ist; ein außergewöhnliches und darum um so wertvolleres Kompliment, aus dem Sie ersehen sollen, wie sehr ich Sie verehre.“

Er wollte als weiteren Beweis seiner Hochachtung den Hut abnehmen, da dieser aber angebunden war, so ließ er es sein und erhob sich, um sich nach dem Schimmel umzublicken. Wahrhaftig! Dieser war durchgegangen, allerdings auf eine nur kurze Strecke. Haller war ihm nachgeritten und hatte ihn beim Zügel ergriffen.

Die beiden Damen hatten so gelacht, daß sie gar nicht antworten konnten. Er nickte ihnen noch einmal freundlich zu und trabte dann in größter Eile dem Kameraden und dem Schimmel nach. Da er den Damen dabei diejenige Stelle zukehrte, mit welcher er auf der Straße gelandet war und die sich voller Staub und Schmutz zeigte, so bot er ihnen einen ergötzlichen Anblick.

„Was fällt Ihnen denn zum Donnerwetter ein, den Gaul über den Kopf zu hauen!“ rief ihm Haller entgegen.