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„Es ist so; es ist richtig; ich kann mich kaum irren!“ sagte er dann, indem er eifrig vor sich hin nickte.

„Was ist denn richtig?“ fragte der Dicke. „Ihr Kopf etwa? Daran zweifle ich gegenwärtig sehr.“

„Ich kann Ihnen nicht alles sagen; ich weiß nicht, ob ich überhaupt zu Ihnen, oder einem anderen davon sprechen darf. Aber eine Andeutung will ich Ihnen geben. Nämlich die Gesellschafterin, von der ich sprach –“

„Nein, von der Sie träumten!“ fiel Hieronymus ein.

„Meinetwegen! Dieses Mädchen nämlich ist eins von den beiden Kindern, von denen hier die Rede ist.“

„Sapperment! Ist es die süße Nanon, oder die herzige Madelon, verehrtester Herr Kollege?“

„Die Madelon.“

„Also nicht süß, sondern herzig! Himmelsapperment, und von meiner Gouvernante weiß ich nicht einmal, ob sie sauer oder bitter ist! Na, vielleicht erfahre ich es noch! Aber wie kommt denn diese herzige Gesellschafterin hier in den Rahmen?“

„Vielleicht erkläre ich Ihnen das einmal. Jetzt habe ich keine Zeit. Jetzt sind nämlich die Augenblicke gezählt. Madelon wird in einigen Stunden, vielleicht gar bereits in einigen Minuten verreisen!“

„Wohin denn?“

„Nach Frankreich.“

„Futsch also; die herzige Madelon geht futsch! Kommt sie denn nicht wieder?“

„Auf alle Fälle.“

„Nun, so ist sie ja gar nicht verloren, und wir haben also Zeit. Weiß Gott, diese Madelon hat es Ihnen gewaltig angetan. Sie sind verliebt bis hinter die Ohren! Sie stecken in der Liebe, wie die Fliege im Quark! Arbeiten Sie sich wieder heraus, Kollege! Die Liebe bringt den stärksten Menschen um, und Sie sind noch nicht einmal der stärkste!“

„Larifari! Fällt Ihnen denn bei der Überschrift des letzten Briefes gar nichts auf?“

„An der Interpunktion oder der Orthographie?“

„Unsinn! Lassen Sie Ihre unzeitigen Witze! Wie heißt Ihr Sonderling, dem diese Bilder gehören?“

„Herr Untersberg.“

„Und wie heißt der Baron, an den dieser Brief gerichtet ist?“

„Monsieur de Bas-Montagne.“

„Übersetzen Sie den Namen in das Deutsche.“

„Hm! Niederberg oder Unter – alle Teufel, Untersberg. Das ist ja höchst auffällig! Das stimmt ja ganz und gar! Fast möchte man annehmen, daß dieser Untersberg mit diesem französischen Baron identisch sei!“

„Natürlich nehme ich das an!“

„So wäre er ja der Schwiegervater des Kolibri?“

„Ja.“

„Und der Großvater Ihrer Gesellschafterin?“

„Auch das meine ich!“

„Donnerwetter! Und von meiner Gouvernante, kenne ich weder den Groß-, noch den Schwiegervater! Das nenne ich Pech! Aber ich werde mir Klarheit verschaffen! Ich laufe so lange in der Welt umher, bis ich auf die Gouvernante stoße, und da soll sie mir beichten, das Dienstbuch, den Meldeschein, das Geburts- und das Taufzeugnis; sogar den Impfschein! Hieronymus Aurelius Schneffke läßt sich die Maus, wenn sie nochmals in die Falle geraten sollte, sicherlich nicht wieder entgehen!“

„Lieber riskieren Sie abermals eine Rutschpartie, oder einen Salto mortale vom Pferd herab; nicht wahr?“

„Ja. Alles riskiere ich; aber heiraten will ich sie. Das ist so gewiß und fest wie Pudding!“

„Schön! Meinen Segen und meine Hilfe sollen Sie dabei haben; nun aber hoffe ich, daß ich jetzt auch auf Ihre Unterstützung rechnen darf!“

„Herzlich gern! Einen Kollegen, der sich in Not befindet, unterstütze ich gern! Wieviel wollen Sie gepumpt haben?“

Er griff in die Tasche und zog den Beutel hervor.

„Lassen Sie die schlechten Witze. Ich bin sehr ernsthaft gestimmt. Beantworten Sie mir lieber meine Fragen!“

Hieronymus steckte den Beutel wieder ein und sagte:

„Schön! Das ist ganz nach meinem Geschmack. Antworten gebe ich immer noch lieber als Geld. Also fragen Sie.“

„Hat Ihr Bekannter, der sich also Untersberg nennt, das Äußere und das Benehmen eines Aristokraten?“

„Er hat das Benehmen eines Barons, der alle zwei Jahre drei lichte Augenblicke hat, oder das Betragen eines Verrückten, der alle zwei Jahre dreimal Baron ist.“

„Besitzt er Vermögen?“

„Wahrscheinlich ist er wohlhabender als ich.“

„Spricht er besser französisch als deutsch?“

„Er brummt beides gleich gut.“

„Wie alt ist er?“

„Einige sechzig Jahre, wie ich ihn schätze.“

„Ich muß ihn sehen; ich muß mit ihm sprechen! Können Sie mich ihm vorstellen?“

„Ja; aber er wird Sie hinauswerfen!“

„Das sollte ihm schwer werden!“

„Pah! Er hat einen Hund, eine riesige Dogge, mit der Sie es gewiß nicht aufnehmen.“

„Er wird doch nicht den Hund auf mich hetzen!“

„Er wird dies ganz sicher tun, falls Sie sich nicht sofort entfernen, wenn er Sie nicht bei sich sehen will.“

„Es muß dennoch versucht werden.“

„Meinetwegen! Ich werde mit ihm sprechen und Sie dann benachrichtigen, wann Sie mitkommen dürfen.“

„Meinen Sie? Wirklich? Ihn erst sprechen? Mich dann benachrichtigen? Denken Sie denn, daß ich soviel Zeit übrig habe? Habe ich Ihnen nicht gesagt, daß die Gesellschafterin in kürzester Zeit abreisen wird? Bis dahin muß ich mit dem Verrückten gesprochen haben!“

„Wo denken Sie hin! Das ist unmöglich!“

„Es ist möglich. Sie stellen mich als Maler vor!“

„Ich habe jetzt nichts bei ihm zu suchen!“

„Sie haben ja seine Gemälde hier.“

„Die müssen erst gereinigt werden.“

„Gut, ich helfe Ihnen, sie zu reinigen! Vorwärts!“

Er griff zu dem Schwamm und machte sich sehr eifrig über die Bilder her; aber die Sache war ganz und gar nicht nach dem Geschmack des Dicken. Dieser kratzte sich sehr nachdenklich hinter den Ohren und sagte:

„Bei dieser Geschichte werde ich abermals sein Wohlwollen verlieren. Ich werde ihm nie wieder die Bude betreten dürfen.“

„Das tut nichts. Ich entschädige Sie!“

„Sapperment! Ist Ihre Kasse denn gar so voll und groß?“

„Für Sie reicht es zu. Kommen Sie! Arbeiten wir!“

„Na, denn meinetwegen. So will ich in des Himmels Namen mit beiden Beinen ins Verderben springen. Trage ich meine Haut zu Markte, so wird's Ihnen nicht besser ergehen.“

Die beiden wischten und polierten, putzten und pinselten jetzt an den Bildern herum, als ob jede Minute eine Million wert sei. In kurzer Zeit waren sie fertig.

„Also vorwärts jetzt!“ sagte Haller. „Ist's weit?“

„Ein Stück die Straße hin, in Nummer sechzehn, Hinterhaus vier Treppen.“

„Geben Sie das Frauenporträt und die Briefe her.“

Er wollte bereits zulangen, aber der Dicke klopfte ihm auf die Hand und sagte:

„Oho! Langsam. Diese Gegenstände gehören zunächst mir. Der Alte ist nicht immer zurechnungsfähig. Man darf nicht zu jeder Zeit und über alles mit ihm sprechen. Ich muß erst sehen, ob er in der Stimmung ist, meine Mitteilung ohne Schaden entgegenzunehmen!“

„Er wird aber doch das Porträt und die Briefe sehen!“

„Nein. Ich werde das Doppelbild geradeso wieder herstellen, wie es vorher war.“

„Das ist unnötig, da ich mit ihm gerade über das Bild zu sprechen habe!“

„Das werden Sie bleiben lassen, Verehrtester. Ein geistig Kranker muß mit größter Vorsicht behandelt werden. Ich sehne mich nicht nach einer Wiederholung dessen, was ich damals erlebte, als ich zudringlich war. Ich will Ihnen zwar den Willen tun, und Sie zu ihm führen; das weitere aber haben Sie mir zu überlassen.“

„Aber meine Zeit ist sehr kostbar“, erwiderte Haller.

„Unsinn. Die Gesellschafterin kommt ja wieder zurück. Dann können Sie ihr auch noch mitteilen, was Sie ihr zu sagen haben. So! Das Bild ist fertig. Kommen Sie! Ah, wo ist mein Hut?“