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„Das weiß ich selbst noch nicht; es wird dies durch die gegebenen Umstände bestimmt werden.“

„Wird es durch Schrift oder Wort geschehen, oder gar durch die Tat?“

„Auch das ist möglich, vielleicht noch eher möglich, als das andere.“

Sie schwieg und blickte sinnend zum Fenster hinaus. Noch immer hielt er ihre Hand in der seinigen. Da drehte sie sich rasch herum, gab ihm auch die Linke und sagte, indem sie den Kopf näher zu ihm neigte:

„Werden Sie mir eine Bitte, eine recht eigentümliche Bitte erfüllen und mir sie auch nicht anders deuten, als sie gemeint wird?“

Es war ein höchst unangenehmes Gefühl, welches ihn überschlich.

„Ich glaube, diese Bitte erraten zu können“, sagte er. „Aber leider wird es mir unmöglich sein, sie zu erfüllen.“

„Nein, Sie erraten sie nicht, und bei nur einigem guten Willen wird es Ihnen gar nicht schwer werden, mir diese Liebe zu erweisen.“

Liebe – dieses Wort hatte sie ausgesprochen. Es wurde ihm so warm, so weit, so eigentümlich und unbeschreiblich im Herzen.

„Sie wollen für Ihren Cousin um Schonung bitten?“ fragte er zagend.

„Nein, o nein! Wie könnte ich dieses tun! Wie könnte ich einen Wunsch aussprechen, mit dessen Erfüllung Ihre Ehre beleidigt würde.“

„So sprechen Sie, Mademoiselle.“

„Ja, ich will wagen, zu sprechen. Bitte, handeln Sie in dieser Angelegenheit so, daß das Bild, welches Sie Ihrer Mama von sich zurückgelassen haben, nicht getrübt werde! Das ist meine Bitte. Und nun sagen Sie mir, ob Sie mir zürnen oder ob Sie mir verzeihen können.“

„Jetzt verstehe ich Sie vollkommen“, antwortete er, und aus seinem halblauten Ton klang es wie Glück und Jubel heraus. „Ich Ihnen zürnen? O nein und tausendmal nein. Ich werde zwar so handeln, wie ich auf alle Fälle gehandelt hätte; aber ich habe von Ihnen ein Geschenk empfangen, so kostbar, so wertvoll, daß ich es gegen Schätze und Reichtümer nicht vertauschen würde.“

„Ein Geschenk?“ fragte sie ahnungslos.

„Ja, ein großes, kostbares Geschenk, welches Sie mir freiwillig darbringen, ohne es zu wissen. Mademoiselle, Sie haben mit Ihrer Bitte aufrichtig zu mir gesprochen; darf ich ebenso aufrichtig gegen Sie sein?“

„Ja, Monsieur, sprechen Sie!“

Sie nickte ihm dabei so freundlich und aufmunternd zu, daß er Mut faßte.

„Sie haben das Bild meiner Mutter gesehen“, begann er. „Sie ist ein Engel an Schönheit gewesen, aber auch ein Engel an Reinheit und Herzensgüte.“

„Ich bin davon überzeugt, Herr von Königsau.“

„Mein Vater war ein tüchtiger Offizier, offen, bescheiden, dabei kenntnisvoll schneidig und sogar verwegen. Als diese beiden sich zum ersten Mal sahen, fühlten sie sofort, daß sie sich für das Leben angehörten. Glauben Sie, daß die Liebe so stark, so mächtig und – so schnell sein kann?“

Sie senkte errötend das Köpfchen und antwortete sehr leise:

„Fast glaube ich es.“

„Werden Sie auch glauben, daß mein Vater dann beim ersten Beisammensein der Mutter von seiner Liebe gesprochen hat?“

„Sie sagen es, und da muß es ja wahr sein.“

„Werden Sie das nicht für eine Verwegenheit von ihm erklären?“

„Ich habe keinen Maßstab für solche Vorkommnisse, Herr Lieutenant; aber ich denke, wer eine wirkliche und wahre Liebe, die keine Täuschung enthält, im Herzen trägt, der muß auch die Erlaubnis haben, von ihr sprechen zu dürfen.“

„Sie meinen doch die Erlaubnis, zur Geliebten sprechen zu dürfen?“

„Ja. Es ist besser, er erfährt gleich in der ersten Stunde, daß seine Liebe erhört werden kann oder eine vergebliche sei, da ihm in dem letzteren Fall wohl noch die Möglichkeit bleibt, sie zu bekämpfen.“

„Da ist aber vorausgesetzt, daß die geliebte Person auch gleich in der ersten Stunde einen Eindruck empfangen hat, der es ihr möglich macht, über ein so großes Glück oder ein so schweres Weh zu entscheiden.“

„Ist dies nicht stets der Fall, Monsieur?“ fragte sie.

Diese Frage brachte einen solchen Sturm von Gefühlen in ihm hervor, daß er eine volle Minute schweigend verharrte, ehe er antwortete:

„Ich glaube, es ist dies meist der Fall. Und nun will ich Ihnen sagen, daß auch ich die Stimme des Herzens gehört habe, von welcher Sie vorhin sprechen wollten, aber nicht weiter sprachen. Es ist so schnell und unerwartet gekommen; es hat mich überfallen so hell und blendend, wie ein mächtiger, gewaltiger Lichtstrahl, der in die finstere Tiefe dringt, und dann regen sich Millionen und aber Millionen unbekannte Triebe, um hinauszustreben und hinauszuwachsen in das Reich des Lichtes und der Wonne.“

Er hatte langsam und mit Innigkeit gesprochen. Noch immer hielt er ihre Hände gefaßt, die sie ihm noch nicht entzogen hatte. Sie schwieg; aber es war ihm, als ob er diese weichen, warmen Händchen leise, leise beben fühlte.

„Und Sie fragen nicht“, fuhr er fort, „wer diese Sonne ist, deren Strahl so mächtig, so schöpferisch in mein Herz gedrungen ist?“

„Wie dürfte ich fragen?“ sagte sie nach einer Pause.

„Sie dürfen! Ja, Sie sind es, welche es am ersten und am meisten darf. Soll ich es Ihnen sagen, Mademoiselle Ida?“

Sie wendete das Köpfchen langsam zur Seite.

„Bitte, bitte! Darf ich?“ wiederholte er mit dringlichster Innigkeit.

„Sprechen Sie“, hauchte sie, so daß er es kaum hören konnte.

„Es gibt eine Sage, daß Gott immer zwei Seelen zur Erde sende, welche zueinander gehören. Sie nehmen Wohnung in menschlichen Körpern, welche näher oder entfernter voneinander wohnen; aber wenn sich diese beiden Menschenkinder begegnen, so erkennen sich die Seelen und bleiben von nun an beieinander für das ganze Erdenleben.“

„Welch eine schöne Sage!“ flüsterte sie.

„Sie fiel mir ein, als ich heute bei Ihnen Zutritt nahm. Ich sah da zwei Augen auf mich gerichtet, zwei Augen von wunderbarer Tiefe und Milde, so rein und innig, wie ich noch keine je gesehen hatte. Aus diesen Augen blickte es mir entgegen wie ein treuer Gruß aus einer anderen Welt; ich fühlte, daß ich hier meine Seele gefunden habe, welche mir ihr Willkommen entgegenstrahlte. Habe ich mich geirrt, Mademoiselle?“

Sie war von einer tiefen Bewegung ergriffen. Ihr Busen wogte, und ihr Atem wurde hörbar. Sie hatte seine Worte bereitwillig angehört, sie entzog ihm ihre Hände nicht, aber sie wagte nicht, eine Antwort zu geben.

„Soll ich vergebens fragen?“ fuhr er fort. „O bitte, bitte, sagen Sie mir, ob ich mich geirrt habe oder nicht.“

Er neigte das Ohr zu ihr nieder, um ihre Antwort besser zu vernehmen. Er lauschte längere Zeit vergeblich; da aber klang es endlich, kaum hörbar:

„Kann denn ich das wissen?“

„Ja, Sie allein können es wissen, Sie und keine andere, denn Sie sind es ja, aus deren Augen mir dieser Gruß entgegenflutete. Sie sind es, zu der mich meine Seele zieht. Sie sind es, die mir vorkommt wie eine fleischgewordene Verheißung unendlicher Seligkeit. Ihr Blick ist es gewesen, welcher mir in das Herz gedrungen ist wie ein übermächtiger Sonnenstrahl, und nun ist jeder Puls meines Herzens, jeder Zug meines Atems und jede Faser meines Innern eine Frage an Sie, ob es so wahr ist, daß Sie mein Licht, mein Sonnenstrahl und meine Seele sind.“

„O Gott“, flüsterte sie; „kann ich denn antworten? Darf ich antworten? Was soll ich Ihnen sagen?“

„Nur das, was Sie selbst fühlen, nichts anderes.“

„Und doch kann ich nicht sprechen“, hauchte sie in holder Verwirrung. „Das kommt so schnell, so ungeahnt. Das ist so unbesiegbar, so gewaltig, und macht mich doch so bang und bringt mir Angst und Furcht.“