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„Hm, ich bin befriedigt!“ antwortete Gebhard zweideutig.

„So so! Wirst du wieder hingehen?“

„Das versteht sich. Die Gräfin interessiert mich außerordentlich.“

„Aber die Nichten weniger. Mensch, du hast wirklich Fischblut in den Adern. Sage mir übrigens, welchem von den beiden Mädchen du den Vorzug geben würdest!“

„Ida. Du ziehst natürlich die Unbezähmbare vor.“

„Allerdings.“

„Ihr wart heute verteufelt musikalisch.“

„Bitte, nicht zu sticheln. Wir studierten einfach Partituren und Noten.“

„Gab es da vielleicht die Partitur einer gewissen Oper, die Zähmung der Widerspenstigen genannt?“

„Du, ist das nicht vielmehr ein Lustspiel?“

„Mir gleich, wenn dir nur die Zähmung gut gelungen ist.“

„Vielleicht.“

„Ah, wirklich?“

„Ja. Weißt du, lieber Freund, ich glaube, daß ich Hedwig bisher doch falsch behandelt habe. Sie ist munter, übersprudelnd, voller Schnacken und Schnurren; ich aber bin stets furchtbar elegisch gewesen.“

„Das ist ein Fehler.“

„Der aber von nun an vermieden werden soll.“

„Wünsche guten Erfolg.“

Die beiden Freunde trennte sich voneinander, jeder erfüllt von der Gewißheit, daß er von der Geliebten träumen werde.

Aber der Traumgott ist ein neckischer, schadenfroher Kerl, es beliebte ihm heute, diesen Wunsch weder Goldberg noch Königsau zu erfüllen.

Am nächsten Abend begaben beide sich wieder zur Gräfin, bei welcher sie versprochenermaßen den Professor fanden. Beide nahmen Königsau so in Beschlag, daß es ihm unmöglich war, mit Ida ein vertrauliches Wort zu sprechen. Erst als nach der Tafel Hedwig als gewandte Pianistin sich an das Instrument setzte, um eine längere Komposition vorzutragen, nahm er neben der Geliebten Platz und flüsterte mit ihr, während beide sich jedoch den Anschein gaben, als ob sie dem Vortrag mit der größten Aufmerksamkeit folgten.

Die erste Frage Idas galt ihrem Cousin, dem Grafen.

„War dein Freund bei ihm?“ erkundigte sie sich.

„Ja. Das ist geschehen.“

„Abgewiesen, nicht wahr?“

„Nein; aber er hat ihn gar nicht getroffen.“

„Ah, er hat sich euch durch einen Spaziergang entzogen?“

„Nein, sondern sogar durch eine Reise.“

„Das ist ebenso vorsichtig wie feig. Wohin ist er?“

„Nach Genf und dann weiter.“

„Was beabsichtigst du nun gegen ihn zu unternehmen?“

„Jetzt gar nichts. Es wurde gesagt, daß er erst nach Monaten wiederkehren werde; dann bin ich längst nicht mehr hier. Ich werde mit dieser Angelegenheit also warten müssen, bis auch ich von meiner Reise zurückkehre.“

„Und dann?“

„Dann sollst du meine Ratgeberin sein, meine Seele.“

„Wirklich? Wirst du auf mich hören?“

„Gewiß, denn ich bin überzeugt, daß du nichts wünschen wirst, was die Rücksicht auf meine Ehre dir abschlagen müßte. Wir besitzen seit gestern nur ein Leben und ein Wollen, also hast du in dieser Angelegenheit ebenso zu entscheiden wie ich.“

Sie drückte ihm voll innigster Dankbarkeit die Hand.

So fand er sich täglich bei der Gräfin ein, oft des Tages zweimal, und obgleich er sich nicht direkte Mühe gab, ihr Wohlwollen zu festigen, schien dasselbe doch von Tag zu Tag zu wachsen. Solange er sich in Paris befand, schrieb er täglich an die Eltern und erhielt auch täglich eine Antwort. Diese Briefe überließ er der Gräfin zur Durchsicht, wodurch sie immer weitere Einsicht in die Verhältnisse seiner Familie erhielt und ein immer größeres Interesse an den Seinigen gewann. – – –

So nahte der Tag seiner Abreise immer mehr heran. Endlich war der Aufbruch für übermorgen bestimmt. Er saß des Abends wieder bei der Gräfin, mit ihr über Jagd- und Reiseabenteuer sprechend, während Kunz mit den beiden jungen Damen das Auditorium bildeten. Da unterbrach sich die Gräfin plötzlich im Redefluß, indem sie fragte:

„Ah, was ich vorhin vergaß. Ist kein Brief von Ihren guten Eltern angekommen?“

„Ja, Madame; der letzte, den ich in Paris zu erwarten habe.“

„Ist er diskreter Natur?“

„Nein, gar nicht. Darf ich Ihnen denselben zur Verfügung stellen?“

„Ich bitte darum.“

Er gab ihr das Schreiben. Sie setzte die Brille auf, zog die Astrallampe näher und begann zu lesen. Unterdessen unterhielten sich die jungen Leute halblaut miteinander, wobei jedoch Gebhard die Gräfin scharf, aber verstohlen beobachtete.

Da plötzlich, bei einer Stelle, blickte sie über das Papier scharf zu ihm herüber. Sie fixierte ihn eine ganze Weile, ohne daß er tat, als ob er es bemerkte. Ihr Gesicht hatte dabei nach langer Zeit wieder einmal den alten, harten Ausdruck angenommen. Dann sah sie wieder in den Brief zurück, um ihn bis zum Ende zu lesen.

Als sie fertig war, gab sie ihm denselben zurück, ohne aber, wie früher gewöhnlich, eine ganze Reihe von Bemerkungen daran zu knüpfen. Aber nach der Tafel machte sie ihm die Mitteilung, daß heute einige geographische Werke angekommen seien. Wenn er Einsicht in dieselben nehmen wolle, möge er ihr in ihr Zimmer folgen.

Diese Auszeichnung war ihm noch nicht zuteil geworden. Er folgte ihr. Durch mehrere Räume, und auch die Bibliothek, welche er kennengelernt hatte, hindurchschreitend, führte sie ihn in ihr Boudoir. Er kannte dasselbe aus der Beschreibung, welche ihm Kunz davon gegeben hatte. Dort bot sie ihm einen Sessel an, während sie selbst nicht Platz nahm, sondern im Raum hin und her schritt, wie es ihre Angewohnheit war, wenn sie von irgendeinem Gedanken oder einer Angelegenheit mehr als gewöhnlich in Beschlag genommen wurde.

„Junger Mann, Sie erwarten, geographische Werke zu sehen“, begann sie; „aber ich gestehe Ihnen, daß ich keine bekommen habe.“

Er hatte das geahnt, machte aber doch ein einigermaßen verwundertes Gesicht, als ob er sich die Ursache ihres Verhaltens gar nicht denken könne.

„Es war dies nur ein Behelf, mit Ihnen unter vier Augen sprechen zu können. Es betrifft einen wichtigen Gegenstand. Werden Sie aufrichtig mit sich reden lassen?“

„Ich hoffe, gnädige Frau, daß Sie mich kennen –“

„Schon gut. Sie selbst aber sind keineswegs aufrichtig mit mir gewesen.“

Er tat, als ob er sie nicht recht verstehe; darum fuhr sie fort:

„Darf ich mir den Brief Ihrer Mama nochmals erbitten?“

„Gern. Hier ist er.“

Sie nahm ihn, faltete ihn auseinander und sagte:

„Ich werde Ihnen einige Zeilen, welche ich hier fand, vorlesen, obgleich Sie dieselben bereits ebensogut und noch besser kennen als ich. Hören Sie.“

Sie las:

„Was nun die hochwichtige Mitteilung betrifft, welche Du uns in Deinem letzten Schreiben machst, so ist mein Mutterherz voller Freude, daß Du gerade in Paris, meiner Vaterstadt, ein Wesen gefunden hast, welches Deiner so sehr wert zu sein scheint und Dich mit seiner Liebe beglücken will. Unserer Zustimmung bedarfst Du nicht. Wir kennen Dich und wissen, daß Deine Wahl eine gute sein wird. Nimm daher unseren Segen und sei mit dem lieben Kind, nachdem es Dein Weib geworden ist, ebenso glücklich, wie Deine Eltern es durch einander wurden.“

Obgleich der Brief weiterging, las die Gräfin nur bis hierher. Sie gab ihm das Papier zurück, schritt einige Male nachdenklich hin und her, und begann dann mit einem sehr ernsten Ton:

„Geben Sie zu, nicht aufrichtig mit mir gewesen zu sein?“

„Ah, Madame, Sie meinen, weil ich Ihnen nicht dieselbe Mitteilung gemacht habe, welche ich hier meinen Eltern machte?“

„Ja. Ich habe zwar kein direktes Recht, eine solche Aufrichtigkeit zu verlangen; aber es hätte mich doch sehr gefreut, sie zu finden.“

„So habe ich Sie allerdings sehr um Verzeihung zu bitten.“

„Ich verzeihe Ihnen. Aber seien Sie jetzt aufrichtig. Ich glaubte, daß Sie Ihre Heimat verlassen haben, ohne Ihr Herz dort zurückzulassen?“