Выбрать главу

„Schweigen Sie von der Stimme des Herzens! Sprechen Sie lieber von der Stimme der Vernunft und der Pflicht. Es wäre Ihre Pflicht gewesen, zuvor mit mir zu sprechen. Von einem Ehrenmann mußte ich das erwarten.“

„Ich war ja der Einwilligung von Mademoiselle noch gar nicht sicher!“

„Aber jetzt sind Sie sicher?“

„Leider auch noch nicht ganz.“

„Wie, noch nicht ganz?“

„Ich sage die Wahrheit!“

„Ich werde mich überzeugen!“

Sie trat auf Ida zu und forderte diese im strengsten Ton auf:

„Wenn er noch leugnet, so hoffe ich wenigstens von dir, daß du die Wahrheit sagst. Ich habe das an dir verdient. Liebst du ihn?“

Ida war bereits über das von großem Zorn zeugende Hereintreten der Tante höchst erschrocken gewesen. Die jetzige strenge Frage brachte sie um alle weitere Fassung. Sie unterschied in diesem Augenblick nicht, wer mit dem ‚Er‘ gemeint sei, und antwortete voller Angst:

„Liebe Tante, Verzeihung!“

„Ich will wissen, ob du ihn liebst!“ wiederholte die Gräfin.

„Ja, beste Tante!“

„Und er dich? Ihr habt miteinander darüber gesprochen?“

„Ja.“

„Wann?“

„Am Schluß voriger Woche.“

„Er hat dir also seine Liebe in aller Form gestanden?“

„Ja.“

Die Gräfin wollte soeben ihrem Zorn einen erneuten Ausdruck geben, als sie hinter sich ein lautes Schluchzen hörte. Sie drehte sich um und sah, daß es von Hedwig kam, welche bleich wie eine Leiche dastand und das Taschentuch an die Augen hielt.

„Was ist mit dir?“ fragte sie. „Warum weinst du?“

„Oh, der Schreckliche!“ schluchzte die Gefragte.

„Wer?“

„Dieser Lügner!“

„Ich frage, wer?“

„Lieutenant von Goldberg!“

„Warum nennst du ihn einen Lügner?“

„Weil er auch zu mir von Liebe gesprochen hat.“

„Ah! Wirklich?“ rief die Gräfin, jetzt beinahe außer sich vor Zorn.

„Ja.“

„Und du? Was hast du geantwortet?“

„Ich – ich – ich –!“

„Heraus damit! Ich will die Wahrheit hören, die volle Wahrheit!“

Goldberg hatte ganz perplex dagestanden. Jetzt endlich gelang es ihm, sich zu fassen und zu Wort zu kommen. Er trat rasch heran und sagte:

„Gnädige Frau, das muß ein Irrtum sein!“

„Ein Irrtum? Schweigen Sie! Hedwig wird mich nicht belügen.“

„Nein, sie lügt allerdings nicht; sie hat die Wahrheit gestanden.“

„Nun, was sprachen Sie da von einem Irrtum?“

„Ich meine Mademoiselle Ida.“

„Diese? Nun, die lieben Sie ja auch!“

„Keineswegs! Ich begreife gar nicht, wie –!“

„Schweigen Sie!“ unterbrach sie ihn. „Ida hat mir ganz sicher die Wahrheit gesagt. Sie hat mich noch nie belogen!“

„Und doch ist sie dieses Mal der Wahrheit nicht treu geblieben.“

„Ja, Tante“, stimmte Ida höchst verlegen bei. „Ich habe mich geirrt!“

Da schlug die Gräfin die Hände zusammen und rief:

„Geirrt hast du dich? Herr von Goldberg hat dir nicht gesagt, daß er dich liebt? Das hast du ja vorhin gestanden.“

„Ah, ich dachte – mein Gott, ich – dachte –“

Weiter konnte sie nicht vor Angst. Die Gräfin aber drang in sie:

„Was dachtest du? Ich will die volle Wahrheit hören!“

„Ich dachte, du meintest – einen anderen“, stieß sie endlich hervor.

Frau von Rallion wußte in diesem Augenblick vor Schreck gar nicht, was sie denken und sagen solle. Erst nach einer Weile rief sie:

„Einen anderen? Einen anderen, der dich liebt?“

„Ja, liebe Tante.“

„Und den du wieder liebst?“

„Ja, beste Tante.“

„Und der zu dir von Liebe gesprochen hat?“

„So ist es!“

„Ah, ist es möglich, daß so etwas hinter meinem Rücken vorgeht! Bester Herr von Königsau, entschuldigen Sie! Sie sehen, daß es sich hier um sehr zarte und diskrete Angelegenheiten handelt. Sie gestatten wohl, Sie morgen vormittag zu empfangen.“

Gebhard machte eine verbindliche Verbeugung und antwortete:

„Gewiß, gnädige Frau. Also wünschen Sie, daß ich mich zurückziehe?“

„Ich muß Sie leider darum ersuchen!“

„Wenn Sie es wünschen, muß ich gehorchen, obgleich ich glaube, daß gerade meine Gegenwart hier am notwendigsten ist.“

„Die Ihrige? Wieso?“

„Weil ich imstande bin, Ihnen die nötige Aufklärung zu geben.“

„Worüber?“

„Über die gegenwärtige Situation. Ich bin nämlich dieser andere.“

„Welcher andere?“

„Von welchem Mademoiselle Ida sprach.“

„Was? Der sie liebt und sie ihn wieder?“

„Gott sei Dank, ja!“

Er trat bei diesen Worten zu Ida heran, legte die Hand um ihre Taille, strich ihr mit der anderen Hand beruhigend über das reiche Haar und sagte:

„Sei nicht ängstlich, meine Seele! Unsere liebe, gute Tante wird dir das Mißverständnis gern verzeihen.“

Jetzt hätte man das Gesicht der Gräfin studieren müssen. Erstaunen, Ärger, Freude und Zorn stritten sich auf demselben um die Herrschaft. Das Erstaunen behielt zunächst die Oberhand.

„Ihr beide also liebt euch?“ fragte sie.

„Ja, und dort die beiden auch“, antwortete Königsau, indem er auf Hedwig und Goldberg deutete.

„Mit diesen beiden werde ich nachher sprechen. Jetzt habe ich es mit Ihnen zu tun. Sie sagten doch, daß Sie eine andere lieben.“

„O nein, Madame. Ich habe keinen Namen genannt.“

„Dann sagten Sie, daß Herr von Goldberg Ida liebe!“

„Auch das nicht. Sie selbst haben ja vorhin erst bestätigt, daß ich ihn gar nicht genannt habe.“

„Mein Gott, da werde ich an mir selbst ganz irre. Was haben Sie denn überhaupt gesagt?“

„Daß ich von ganzem Herzen ein reizendes, prächtiges Mädchen liebe. Und sodann habe ich gesagt, daß Ida auch liebt, und zwar einen deutschen Offizier.“

„Aber, warum haben Sie mir denn nicht sofort gesagt, daß Ihre Geliebte und Ida identisch sind?“

„Darf ich Ihnen die volle Wahrheit mitteilen, gnädige Frau?“

„Ich bitte sehr energisch darum!“

„Ich bemerkte die Zuneigung, welche mein Freund Goldberg für Mademoiselle Hedwig hegte und sah, daß dieselbe erwidert wurde –“

„Sie haben das wirklich bemerkt? Ich nicht!“

„Ich wußte das. Ebenso sah ich, daß sie sich liebten, ohne zur Klarheit, zu einem Resultate zu kommen. Das war unrecht, das tötet die Liebe. Hier war ein Gewaltstreich nötig, und ich habe es gewagt, ihn auszuführen. Jetzt hat Herr von Goldberg gestanden, daß er Fräulein Hedwig liebt, und diese hat das Geheimnis ihres Herzchens verraten. Mein Zweck ist erfüllt. Ich bitte um gnädige Strafe!“

Die anderen standen da und blickten einander an.

„Garstiger!“ rief endlich Hedwig, die sich noch darüber ärgerte, daß sie über Goldbergs vermeintliche Untreue geweint hatte.

„Intrigant!“ flüsterte Ida ihm zu, obgleich es ihr gar nicht wohl zumute war. Sie kannte ja den Inhalt des Gesprächs nicht, welches er mit der Gräfin geführt hatte.

Die Gräfin wußte wirklich nicht, ob sie zürnen oder über die vorgekommenen Verwechslungen lachen solle. Sie fühlte sich ganz glücklich, daß ihr ursprünglicher Plan doch noch geraten sei, und war doch böse darüber, daß auch Goldberg eine Nichte für sich in Anspruch nahm.

In dieser Pause hinein erscholl Goldbergs an Gebhard gerichtete Frage:

„Geheimniskrämer. Warum hast du mir das verschwiegen?“

„Unglückliche Liebe klagt, glückliche aber schweigt“, antwortete Königsau.

„Seit wann seid ihr denn einig?“

„Gleich seit dem ersten Tage.“

„Unsinn!“

„Wirklich. Nicht wahr, Ida?“