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Sie nickte mit dem Köpfchen. Da fragte auch die Gräfin:

„Wirklich seit dem allerersten Tag?“

„Ja, gnädige Frau“, antwortete Gebhard.

„Mein Gott, wie habt ihr das denn eigentlich angefangen?“

„Das wird Ihnen Ida unter vier Augen erzählen müssen. Wir waren eben füreinander bestimmt.“

„Und sagtet euch das hinter meinem Rücken!“

Sie wollte beginnen wieder zornig zu werden; aber er drohte ihr scherzend mit dem Zeigefinger und sagte:

„Die Vorherbestimmung war auch hinter unserem Rücken geschehen!“

Da endlich brach sie in ein herzliches Lachen aus.

„Diese Jugend ist doch unverbesserlich. Niemand lernt sie durchschauen. Und glaubt man, einmal einen Aufrichtigen gefunden zu haben, so entpuppt er sich ganz unversehens als ein Intrigant comme il faut. Na, ich werde euch eure Strafe noch diktieren.“

Da ergriff Gebhard ihre Hand und zog sie an seine Lippen.

„Verzeihung, beste Gräfin!“ bat er. „Ich hatte Ida gesagt, daß ich sie über mein Leben lieb habe, aber ich hatte auch hinzugefügt, daß ich von dieser Liebe erst nach meiner Rückkehr von der Reise sprechen werde. Darum schwiegen wir. Ich wollte mir erst Ihre Achtung verdienen. Habe ich daran unrecht getan, so hoffe ich dennoch Gnade zu finden.“

Da trat in ihre Augen ein feuchter Glanz, wie ihn selbst die Nichten noch nicht in denselben bemerkt hatten, und mit bewegter Stimme antwortete sie:

„Ich verzeihe euch beiden. Es mag bei dem, was ihr besprochen habt, bleiben. Eure Liebe mag sich bewähren. Tut sie das, so soll sie ihren Lohn finden. Nun aber zu den beiden anderen. Also, Herr von Goldberg, Sie behaupten, meine Nichte Hedwig zu lieben?“

„Von ganzem, ganzem Herzen!“ antwortete er.

„Und du, Hedwig?“

Bei dieser trat sofort das ursprüngliche neckische Wesen hervor.

„Ich? Oh, ich mag ganz und gar nichts von ihm wissen“, antwortete sie schmollend.

„Warum nicht?“

„Er hat mich einen Irrwisch genannt.“

„Der bist du auch!“ bestätigte die Tante.

„Sie aber hat mir versprochen“, fügte Goldberg hinzu, „daß aus diesem Irrlichte ein Stern werden solle, auf dessen sicheren, treuen Glanz ich mich verlassen könne.“

„Ist das wahr, Hedwig?“

Die Gefragte neigte das Köpfchen verlegen zur Seite, antwortete aber doch:

„Ja, liebe Tante, das habe ich ihm versprochen.“

„Und Sie glauben an dieses Versprechen, Herr von Goldberg?“

„Wie an Gottes Wort, gnädige Frau“, beteuerte der Gefragte.

„So sagen Sie mir zunächst, was Sie meiner Nichte zu bieten haben?“

„Für jetzt ein Herz voll innigster Liebe und den festen Willen, mir eine Zukunft zu gründen, welcher ihrer würdig ist.“

„Suchen Sie dieses Ziel zu erreichen; dann wird auch Ihre Liebe nicht vergeblich sein. Wie schade, daß Sie kein Geograph sind!“

„Ich kann in meiner gegenwärtigen Stellung ebenso Gutes wirken.“

„Aber Sie könnten Herrn von Königsau begleiten. Ihr Name wäre dann mit einem Mal berühmt. Das werden Sie doch einsehen!“

„Madame mögen recht haben, doch muß ich mit den Aussichten, welche sich mir bieten, fürlieb nehmen. Ich habe alle Hoffnung, Ihnen beweisen zu können, daß nun, da das Irrlicht verlischt auf meinen Beruf mir Sterne aufgehen, deren Leitung ich mich anvertrauen kann.“ – – –

Nach diesen Ereignissen waren volle zwei Jahre vergangen, da kamen drüben im Süden von Algerien drei Reiter das Wadi (Tal) Guelb herabgeritten. Anstatt auf Pferden, saßen sie auf hochbeinigen Dromedaren, schienen aber sehr gut beritten zu sein, denn ihre Tiere gehörten zu jener grauhaarigen Rasse welche Bischarinkamele genannt werden.

Zwei davon waren Europäer, Herr und Diener allem Anschein nach. Der dritte war ein Beduine, welcher ihnen als Führer diente. Er sprach mit ihnen jenes Gemisch von Arabisch, Französisch und Italienisch, welches an der Nordküste Afrikas gebräuchlich ist.

Es war noch am Morgen; aber die Sonne lag doch bereits brennend auf dem Sand und den Felsen der Wüste. Darum war es kein Wunder, wenn der Europäer sich nach einem Ort umsah, an welchem ein wenig Schatten zu finden sei, um in demselben während der heißen Mittagszeit eine Kühlung zu finden.

„Gibt es in der Nähe keinen Ruheort?“ fragte er den Führer.

„Nein, Herr. Erst am Ziel, am Ende des Wadi, finden wir Felsen und Mimosen, welche uns Schatten bieten.“

„Wie weit ist es bis dahin?“

„Zur Zeit des Mittags sind wir dort.“

„Und dort soll der Löwe sein?“

„Ja, dort ist der Herr des Erdbebens, welcher fast sämtliche Rinder des Stammes gefressen hat.“

„So laß die Tiere ausgreifen, daß wir den Ort baldigst erreichen.“

Der Führer zog eine einfache Holzpfeife hervor, um auf derselben, die nur drei Töne hatte, eine monotone Melodie zu pfeifen. Bei diesen Klängen spitzten die Kamele die Ohren und verdoppelten ihre Schritte.

So ging es ohne Aufenthalt immer nach Osten.

Die Sonne stieg höher und höher, und endlich, als sie den Zenit erreicht hatte, war auch das Versprechen des Führers erfüllt. Das Tal trat enger zusammen, zu seinen beiden Seiten stiegen hohe Felsen empor, und stachelige Mimosen bildeten kleine Wälder, in welchem es allerdings nicht ungefährlich war, Zuflucht vor dem Sonnenbrand zu suchen.

„Allah sei Dank!“ rief da der Führer. „Seht Ihr die Zelte?“

„Wo?“

„Da links im Tal. Dorthin haben sich die Söhne der Wüste vor dem Löwen zurückgezogen. Reiten wir hin.“

„Werden wir willkommen sein?“

„Ja. Wir werden Salz, Brot und Datteln bekommen, denn diese Beduinen sind keine Tuaregs, denen nicht zu trauen ist.“

An der einen Seite des Wadi standen fünf einsame Zelte, vor denen einige Kamele und Pferde angebunden waren. Eine kleine Anzahl Schafe weideten in der Nähe.

Als sich die Fremdlinge näherten, wurden die Zelte geöffnet, und die männlichen Bewohner traten hervor. Sie brachten Salz und Brot zum Zeichen des Willkommens und teilten auch ihre wenigen Datteln mit ihnen.

Der Bey el urdi (Herr des Lagers) winkte den Führer abseits und fragte:

„Wer sind die Fremdlinge, welche du uns gebracht hast?“

„Es sind zwei Franken“, lautete die Antwort.

„Ich liebe die Franken nicht. Wann reiten sie wieder ab?“

„Wenn sie den Herrn des Erdbebens geschossen haben.“

„Den Löwen? Allah 'l Allah! Sie wollen den Löwen schießen?“

„Ja. Wir hörten, daß er in der Nähe sei.“

„Er hat sein Lager oben im Nebental, welches du von hier erblickst. Aber sie sind ja nur zu zweien!“

„Und dennoch wollen sie den Löwen schießen.“

„Allah hat ihnen den Verstand genommen. Wir sind zu sechzig ausgeritten, um ihn zu töten; er aber hat vier Männer von uns getötet und viele verwundet, ohne daß wir ihn bestrafen konnten.“

„Hast du noch nicht gehört, daß oft ein einziger Franke ausgeht, um den Löwen zu schießen?“

„Allah ist groß. Die Franken sind böse Geister, die sich nicht zu fürchten brauchen.“

Als der Führer zu seinem Gebieter zurückgekehrt war, teilte er ihm mit, was er erfahren hatte. Der Herr blickte nach dem Seitental hinüber und schätzte die Entfernung mit dem Blick ab.

„Wir bleiben hier, um beim Morgengrauen unser Heil zu versuchen. Endlich, endlich einmal ein Löwe. Ich hoffe, daß ich Wort halten kann!“

Beide hatten ein echt militärisches Aussehen und sprachen jetzt reines Französisch miteinander. Der Diener antwortete:

„Auch ich wünsche, daß wir einmal so ein Tier zu Gesicht bekommen. Es ist doch ein eigener Wunsch von einer Braut, das Fell und die Reißzähne eines Löwen zu besitzen. Dies beides zu holen, ist gefährlich.“

„Fürchtest du dich?“