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Seit jener Zeit haßte er Königsau noch mehr als früher, und dieser Haß erstreckte sich auch auf Kunz von Goldberg, welcher es verstanden hatte, die zweite Cousine und ebenso auch die alte, strenge Tante zu gewinnen. Wie gern hätte er sich an diesen beiden Deutschen gerächt! Aber leider fand sich keine Gelegenheit dazu. Und eine solche herbeizuführen, dazu war er weder mutig, noch erfinderisch genug.

Obgleich ihm diese beiden Eigenschaften entgingen, gelang es ihm dennoch, sich bei Hofe einzubürgern. Eine Grafenkrone gibt Relief genug, um die Blicke von Schwächen abzuziehen, welche nicht geeignet waren, den Träger dieser Krone zu Ehren zu bringen. Infolge seines untertänigen Wesens und anderer negativen Eigenschaften, welche aber von einem glanzsüchtigen Fürsten lieber bemerkt werden als positive Vorzüge, wußte er sich besonders in die Gunst der Kaiserin einzuschmeicheln, und bald war es allgemein bekannt, daß die Stimme des Grafen Rallion das beste Mittel sei, sich das Kaiserpaar geneigt zu machen.

Kapitän Richemonte hörte davon. Schlau und rücksichtslos, wie er war, fand er bald Gelegenheit, sich dem Grafen auf eine verbindende Weise nützlich zu machen. Er erhielt Zutritt in dessen Gemächer, und seiner diabolischen Natur wurde es nicht schwer, bald einen gewissen Einfluß auf den schwachen Günstling zu gewinnen.

Nun erzählte er ihm von dem Baron de Sainte-Marie, welcher als Marabut gestorben sei und einen Sohn hinterlassen habe, der im Besitz der nötigen Papiere sei, sich als den rechtmäßigen Besitzer des Meierhofs Jeannette auszuweisen.

Der Graf nahm diese Erzählung mit Verwunderung entgegen. Als aber Richemonte berichtete, daß Bonaparte eine Nacht auf jener Besitzung zugebracht und dabei sein Herz verloren habe, fragte er schnelclass="underline"

„An wen, lieber Kapitän?“

„An meine Schwester.“

„Wie? Sie haben eine Schwester?“

„Ja, gnädiger Herr.“

„Eine Schwester, welche von Bonaparte geliebt wurde? Und Sie haben mir dieselbe noch nicht vorgestellt? Das muß ich sehr übel vermerken, Kapitän. Eine Dame, welche die Zuneigung des großen Kaisers besessen hat, würde persona grata am hiesigen Hofe sein. Sie haben da eine Unterlassungssünde begangen, welche ich Ihnen fast gar nicht verzeihen darf.“

„Ich hätte das, was Sie eine Unterlassungssünde nennen, sicherlich nicht begangen, Verehrtester, wenn es mir überhaupt möglich gewesen wäre, die Schwester Ihnen vorzustellen. Sie lebt nicht in Frankreich, sondern in Deutschland.“

Rallion blickte den Kapitän erstaunt an.

„In Deutschland?“ fragte er. „Wie kommt es, daß sie es sich bei den Feinden ihres kaiserlichen Geliebten gefallen läßt?“

„Sie würde sich die Anwendung des zärtlichen Wortes, welches Sie soeben zu ihr in Beziehung brachten, wohl verbitten. Sie ist der Zuneigung des Kaisers nicht wert gewesen; sie hat sich ablehnend verhalten und ihm einen deutschen Lieutenant vorgezogen, dessen Frau sie geworden ist.“

„Ah, sie ist in Deutschland verheiratet! Welch ein Unsinn! Welch eine Dummheit! Welch ein Verrat an dem Land, in welchem sie geboren wurde!“ rief der Graf. „Aber ich habe freilich auch andere Mädchen gekannt, von denen diese ungeleckten deutschen Barbaren uns vorgezogen wurden. Man sollte diese Art von Frauenzimmer mehr als mit bloßer Verachtung strafen. Ich sage dies, obgleich diejenige, von welcher soeben die Rede war, Ihre Schwester ist. Dem Patriotismus dürfen Sie das nicht übelnehmen!“

„Daran denke ich nicht im entferntesten! Diese Abtrünnigkeit der Schwester ist es ja gewesen, welche veranlaßt hat, daß ich mich von der letzteren vollständig losgesagt habe.“

„Ah! Sie verkehren gar nicht mit ihr?“

„Nein. Ich denke aber, jetzt wenigstens aus der Ferne und durch den Advokaten mit meinem Herrn Schwager in Verhandlung zu treten; denn diese verhaßte Familie ist es ja, welche sich unrechtmäßigerweise in den Besitz jenes Meierhofs Jeannette gesetzt hat, dessen rechtmäßiger Eigentümer eigentlich der Baron de Sainte-Marie ist, von welchem ich Ihnen erzählte.“

Der Graf machte eine Bewegung der Überraschung und sagte:

„Ah, wirklich? Ist es so? Das wäre ein Umstand, welcher hier sehr in Betracht zu ziehen sein dürfte. Wie heißt jener Schwager?“

„Königsau.“

Der Graf trat unter allen Zeichen der höchsten Überraschung einen Schritt zurück und rief:

„Königsau? Wäre das möglich?“

„Ist Ihnen der Name bekannt?“ fragte der Kapitän, jetzt ebenso überrascht wie vorher der Graf.

„Oh, mehr als bekannt!“ antwortete dieser. „Wie ist der Vorname jenes Königsau?“

„Hugo.“

Der Graf sann einen Augenblick nach und meinte dann:

„Ich lernte einst bei meiner Tante einen Lieutenant von Königsau kennen, welcher erzählte, daß sein Vater viel mit diesem alten Barbaren, dem Marschall Blücher, verkehrt habe.“

„So hat er Hugo von Königsau gemeint und ist sein Sohn gewesen.“

„Er nannte sich Gebhard.“

„Das stimmt. Ich bin zwar jetzt nicht in Deutschland gewesen, aber ich habe Erkundigungen über die Familie eingezogen. Hugo von Königsau hat einen Sohn, welcher Gebhard heißt.“

„Und jetzt besinne ich mich, bei meiner Tante gehört zu haben, daß Königsau, der Vater, eine gewisse Margot Richemonte geheiratet habe.“

„Das eben war meine Schwester. Sein Sohn, jener Gebhard, hat eine Dame Ihres Namens, welche Französin ist, eine gewisse Ida de Rallion, zur Frau genommen.“

Das Gesicht des Grafen verfinsterte sich. Es war darin der Ausdruck eines tiefen, unversöhnlichen Hasses zu erkennen.

„Diese Ida de Rallion war meine Cousine“, sagte er.

Der Kapitän warf einen forschenden Blick auf den Grafen. Seinem Scharfsinne fiel es nicht schwer, das Richtige zu erraten. Ein solcher Haß konnte nur in einem verlorenen Erbteil oder in verschmähter Liebe, vielleicht auch in beidem zugleich, begründet sein.

„Ich hoffe nicht, daß Sie diese Cousine, welche ich eine Abtrünnige nennen muß, vermißt haben?“ fragte er schlau.

Der Graf ballte die Faust und antwortete:

„Wir waren so viel wie versprochen miteinander“, sagte er. „Aber wenn Ihre Schwester einen deutschen Lieutenant dem Kaiser vorgezogen hat, so darf ich mich nicht wundern, wenn es meiner Cousine eingefallen ist, mich gegen einen solchen Menschen zurückzusetzen. Oh, wie hasse ich diese Deutschen! Und wie hasse ich erst alles, was Königsau heißt und mit dieser Sippe in Verbindung steht!“

Der Kapitän nickte mit dem Kopf. Er ließ jenes Fletschen der Zähne sehen, welches bei ihm in Augenblicken des Ärgers, des Grimmes zu bemerken war. Doch dabei spielte ein Zug um seinen Mund, welcher einen aufmerksamen Beobachter, als der Graf war, leicht hätte erraten lassen, daß ihm der Zorn desselben ganz willkommen sei.

„Mein Haß begegnet sich mit dem Ihrigen“, sagte er, Rallion mit verstecktem Blick beobachtend. „Ich gäbe viel darum, wenn ich ein Mittel wüßte, die ganze Brut zu verderben!“

Der Graf ging sofort in die Falle, indem er eifrig zustimmte:

„Das ist ja auch mein Wunsch! Leider reicht mein Einfluß nicht weit genug. Man darf eine Faust in der Tasche machen, weiter nichts.“

„Und doch hätten wir gerade jetzt die beste Gelegenheit, diesen Königsaus einen prächtigen Streich zu spielen“, meinte er nachdenklich.

„Wieso?“

„Indem wir sie zwingen, Jeanette herauszugeben.“

„Ah, wirklich! Das ist ja wahr! Aber dann müßte Ihr Schützling vorher als Baron de Sainte-Marie anerkannt sein!“

„Dem steht nichts im Wege. Wir haben ja die klarsten Beweise in den Händen.“

„Darf ich dieselben sehen?“

„Wenn Sie erlauben, werde ich sie Ihnen vorlegen und Ihnen dabei auch den vorstellen, welchen Sie meinen Schützling nennen.“

„Ich bitte Sie darum! Es wird mir nicht schwer werden, den Kaiser für ihn zu interessieren. Ja, ich hoffe sogar, daß dieser mit ihm und Ihnen zu sprechen verlangen wird. Er wird sofort auch für Sie Teilnahme empfinden, wenn ich ihm erzähle, daß Ihre Schwester schön und interessant genug war, die Augen Bonapartes auf sich zu ziehen. Um dies zu können, muß ich aber besser unterrichtet sein, als dies jetzt der Fall ist. Wollen Sie mir nicht erzählen, auf welche Weise Ihre Schwester dem Kaiser begegnete?“