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„Du weißt also wirklich noch nicht genau, ob du nach der Lehre, welche du gegenwärtig empfängst, das Einbrechen lassen wirst?“

„Nein, ich weiß es nicht.“

„Donnerwetter! Kerl! Mensch! Was soll ich da von dir denken? Hast du nicht bereits in der Schule gelernt, daß nur die wahre Reue Rücksicht und Begnadigung verdient?“

„Ja; aber ich glaube nicht daran.“

„Henry, du bist wirklich ein ganz und gar schlechter Kerl.“

„Das ist vielleicht recht gut für mich. Ich habe sehr oft gesehen und erfahren, daß es den schlechtesten Menschen am besten geht, während die Guten elend und unglücklich sind.“

„Das ist aber nicht der regelrechte Verlauf der Dinge, und eine Ausnahme darf man sich doch nicht zur Richtschnur dienen lassen!“

„O doch! Die Ausnahme, welche ich mir zum Vorbild genommen habe, werden Sie jedenfalls gelten lassen!“

„Ah! Welche wäre das?“

„Sie selbst!“

„Ich? Tausend Donner! Mensch, werde, um Gottes willen, nicht frech! Das könnte dir bei mir sehr üble Früchte bringen.“

Der Dieb ließ sich keineswegs irre machen. War er im Augenblick des Ertapptwerdens erschrocken gewesen, so schien er sich jetzt vollständig beruhigt zu fühlen. Er zeigte ein sicheres Lächeln und antwortete achselzuckend:

„Wollen Sie mir wirklich Angst einflößen, Herr Kapitän?“

„Glaubst du etwa, daß ich scherze?“

„Ja, gerade das glaube ich!“

„Das wäre toll! Ich sage dir, daß ich ganz und gar nicht mehr geneigt bin, Nachsicht walten zu lassen.“

Der Mann verneigte sich tief und fast ironisch und antwortete:

„Herr Kapitän, Sie werden diesen Gedanken dennoch festhalten. Ich kenne ein Mittel, Sie dazu zu bewegen.“

„Wirklich? So bin ich neugierig, ob du es wagen wirst, es in Anwendung zu bringen.“

Der Dieb warf den Kopf leicht und sorglos zur Seite und meinte:

„Es ist ganz und gar kein Wagnis dabei. Ich schlage vor, Herr Kapitän, unsere gegenwärtige Lage in Ruhe zu besprechen.“

Die Augen des Alten wurden vor Erstaunen größer und weiter. Er schüttelte langsam den Kopf und sagte:

„Fast scheint es, als ob du glaubest, mir hier mein Verhalten vorschreiben zu können, Schurke!“

„Pah! Vielleicht können Sie mich gerade darum am besten gebrauchen, weil ich ein Schurke bin. Sie entsinnen sich doch, daß ich zuerst bei dem Grafen Rallion in Kondition stand?“

„Wozu diese Frage? Die Empfehlung des Grafen war es ja, welche mich bewog, dich in meine Dienste zu nehmen.“

Der Diener zuckte lächelnd die Achseln und sagte dann:

„Glauben Sie nicht etwa, daß Sie dem Grafen für diese Empfehlung Dank schuldig sind. Er war im Gegenteil sehr froh, mich loszuwerden.“

Dem Alten wäre vor Erstaunen über eine solche Frechheit beinahe das Terzerol entfallen. Er machte ein Gesicht, wie ein Mensch, welcher absolut nicht weiß, was er denken soll, und rief:

„Kerl, ich werde an deinem Verstand irre!“

„Ich nicht, Herr Kapitän. Der Graf benutzte mich zu allerlei Dingen, zu welchen sich nicht jeder andere eignet. Ich gewann dadurch Einsicht in Verhältnisse, in welche man nicht gern fremde Augen blicken läßt, und der Graf mochte bemerken, daß meine Hochachtung vor ihm desto tiefer sank, je mehr er mich in jene Verhältnisse eindringen ließ. Er sah sich genötigt, mich mit guter Miene zu entlassen, und da Sie um dieselbe Zeit ihm sagten, daß Sie in der Lage seien, sich einen zuverlässigen und verschwiegenen Diener zu suchen, so wurde ich Ihnen von ihm sehr warm empfohlen. Dadurch wurde er mich auf gute Art los, ohne gewisse Rachegedanken in mir zu erregen.“

„Wenn das wirklich die Wahrheit ist, so schulde ich ihm allerdings sehr wenig Dank.“

„Es ist wahr. Ich trat bei Ihnen ein und machte ganz dieselbe Erfahrung wie bei dem Grafen.“

„Welche Erfahrung meinst du, Spitzbube?“

„Ich wurde zu außerordentlichen Diensten verwendet, ohne auch außerordentlich belohnt zu werden.“

„Mensch, ich erwürge dich!“ rief der Alte vor Zorn.

„Oh, was das betrifft, so soll das Erwürgen eine der angenehmsten Todesarten sein! Ich hatte da zum Beispiel bei Ihnen den Wächter der Baronin und der kleinen Marion zu machen. Das erforderte eine Tag und Nacht angestrengte Aufmerksamkeit; aber eine Gratifikation wollte sich ärgerlicherweise nicht einstellen –“

„Mensch, du hast die beste Anlage zum Galgenvogel!“

„Mag sein. Ich habe immer Unglück gehabt. Mein Ziel war, so viel zu verdienen, daß ich einmal sorgenfrei von meinem Einkommen leben könne; aber es rückte in immer weitere Ferne, bis ich auf den Gedanken kam, dem Glück ein wenig nachzuhelfen. Ich sah heute, welche Summe Sie empfingen. Einen Schlüssel zu Ihrem Schreibtisch hatte ich schon längst bereit –“

„Ah! So ist es!“ dehnte der Kapitän. „Wer hat den Schlüssel angefertigt?“

„Ich selbst. Sie müssen nämlich wissen, daß ich ursprünglich Kunstschlosser bin. Ich wußte, daß Sie stets den Nachtriegel vorzuschieben pflegen; daher machte ich mich während Ihrer Abwesenheit an Ihr Türschloß, um demselben eine solche Einrichtung zu geben, daß beim Aufschließen von draußen auch der Riegel mit zurückgeschoben werde.“

„So hattest du auch einen Schlüssel zur Tür?“

„Natürlich! Heute nun wollte ich mir die erwartete Gratifikation von Ihnen holen. Es war alles so schön vorbereitet; daß es mißlingen konnte, vermag ich nicht zu begreifen, und ich möchte Sie ersuchen, mir zu sagen, in welcher Weise Ihr Verdacht, daß Ihr Geld in Gefahr stehe, abgeholt zu werden, entstanden ist.“

Das war eine mehr als ungewöhnliche Unterredung zwischen Herrn und Diener. Der Kapitän, welcher doch selbst ein Bösewicht war, konnte nicht begreifen, wie der Diener es wagen könne, mit solcher Frechheit und Unverschämtheit zu sprechen. Er glaubte, seinen Ohren nicht trauen zu dürfen, und fragte daher:

„Schuft! Habe ich recht gehört? Du verlangst von mir noch gar die Mitteilung, was meinen Verdacht erregt habe?“

„Ich habe sie nicht verlangt, sondern nur darum gebeten.“

„Der Teufel wird dir antworten, aber nicht ich! Ich hatte mit dir erst anderes vor. Nun ich aber sehe, welch ein galgenreifer Patron du bist, werde ich mich hüten, Milde walten zu lassen.“

„Oh, Sie werden sicherlich nichts unternehmen, was Ihnen Schaden bringen könnte. Dazu sind Sie zu klug.“

„Welchen Schaden könnte es mir bringen, wenn man dich einige Jahre hinter Schloß und Riegel steckt?“

„Den Schaden, daß ich Schloß und Riegel von meinem Mund nehmen würde.“

Die Augen des Alten flammten grimmig auf. Es war, als ob er den Diener mit seinem Blick versengen und verbrennen wolle.

„Tod und Teufel!“ rief er. „Willst du mir etwa drohen?“

„Ja!“ antwortete Henry, indem er seine Gestalt hoch und zuversichtlich aufrichtete. „Halten Sie das für unmöglich? Ich gebe zu, daß der Einbruch, welchen ich unternahm, etwas unvorsichtig ausgeführt wurde, ich bin in solchen Sachen niemals leichtsinnig gewesen, hier aber sagte ich mir, daß ich selbst im Falle, daß ich von Ihnen erwischt werde, nichts zu fürchten habe. Und daß ich einen Augenblick erstarrt schien, war nicht eine Folge der Angst oder Furcht, sondern immer nur der momentanen Überraschung.“

Dem Kapitän war es, als ob er diesen Menschen sofort zermalmen müsse. Er setzte die Hähne seines Terzerols in Ruhe, warf die Waffe auf den Tisch und ballte die Fäuste, als ob er bereit sei, zum Angriff vorzugehen. Henry aber zeigte nicht die mindeste Besorgnis; er trat vielmehr einen Schritt näher und sagte im Ton größter Kaltblütigkeit und Seelenruhe:

„Ich will nicht hoffen, daß Sie sich mit mir messen wollen. Ich bin nicht unerfahren im Handgemenge, da ich Soldat gewesen bin.“

„Was? Soldat warst du?“ knirschte der Alte. „Macht man auch Diebe zu Soldaten?“