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Der Alte lachte kurz und leise auf, zog die Spitzen seines weißen Schnurrbartes breit und sagte unter einem nicht sehr bewundernden Blick:

„Ja, ja, tollkühn sind Sie sehr oft gewesen, dagegen läßt sich nicht streiten; aber dieses Mal werden Sie ja gar keine Gelegenheit haben, Ihre Verwegenheit zu betätigen. Ich habe den Mann völlig unschädlich gemacht.“

„Unschädlich? Völlig?“ fragte der Graf, indem er tief Atem holte und sich langsam wieder auf seinen Sitz niederließ. „Ihn freigelassen und doch unschädlich gemacht? Wie haben Sie das angefangen?“

„Ich habe mich mit ihm in aller Freundlichkeit noch eine ganze Weile unterhalten und ihn sogar wegen des Einbruchs belohnt.“

„Belohnt?! Kapitän, jetzt bemerke ich allerdings, daß Sie nur flunkern, ganz gewaltig flunkern. Sie wollen mir ein Märchen aufbinden, um zu sehen, ob ich wirklich Mut besitze, ob ich in Wirklichkeit kühn sein kann. Ich bitte Sie, mich heute und die nächsten Tage in dem betreffenden Zimmer schlafen zu lassen. Wenn es ihm einfallen sollte, den Einbruch abermals in Szene zu setzen, so will ich ihn empfangen. Ich werde ihm die Knochen so zusammenschütteln, wie ein Knabe die Steinchen und Gläser eines Kaleidoskops zusammenwirft.“

„Hm! Ja, das traue ich Ihnen zu“, lachte Richemonte. „Leider aber werden Sie keine Gelegenheit finden, diesen Mut zu betätigen. Was ich Ihnen erzählte, ist zwar wörtlich wahr, aber der Mann wird nicht wieder als Einbrecher, sondern nur als mein Verbündeter das Zimmer betreten, von welchem Sie sprechen.“

„Als Ihr Verbündeter? Alle Wetter! Das klingt ja ganz und gar, als ob Sie von jetzt an in Gemeinschaft mit ihm den Einbrecher spielen wollten.“

„So ist es auch.“

„Diable. Ich vermag Sie nicht zu verstehen. Sie geben mir da Rätsel auf, welche ich nicht zu lösen vermag, obgleich ich mich rühmen kann, eine ganz gehörige Portion von Scharfsinn zu besitzen.“

„Ich beabsichtige gar nicht, diesen mir so wohlbekannten Scharfsinn auf die Probe zu stellen, er ist mir bereits bekannt. Ich will Ihnen alles kurz erklären, indem ich Ihnen sage, daß der gestrige Einbruch mich eben auf den Plan gebracht hat, mit dessen Hilfe wir den Königsaus eine Schlappe beibringen, welche sie nie verwinden werden.“

Kaum waren diese Worte gesprochen, so rückte der Graf näher.

„Ah. Wirklich?“ fragte er schnell. „Sprechen Sie! Teilen Sie es mir mit.“

„Dieser Einbrecher wird das Werkzeug sein, mit dessen Hilfe wir die Familie unserer Feinde ein für allemal ruinieren werden. So unwahrscheinlich das klingen mag, so wahr und sicher ist es doch. Hören Sie. Aber leise, damit kein zufälliger Lauscher ein Wort vernehmen kann.“

Sie führten lange und in sichtlicher Erregung ein leise geflüstertes Gespräch. Die Augen des Alten glühten in tückischer Freude, und im Gesichte des Grafen war eine Spannung zu bemerken, welche nach und nach in den Ausdruck der Genugtuung überging.

„Nun, was sagen Sie zu dem Plan?“ fragte endlich der Kapitän.

„Daß er herrlich, geradezu genial erdacht ist.“

„Er wird gelingen.“

„Das ist das allerbeste an ihm. Wir wagen nichts.“

„Trotzdem wir bei Ihrer bekannten Tollkühnheit vor einem Wagnis keineswegs zurückschrecken würden!“ meinte der Alte im Ton versteckter Ironie.

„Ganz und gar nicht!“ stimmte der Graf eifrigst bei. „Aber der Geldpunkt? Wie regeln wir diesen?“

„Wie Freunde dergleichen untereinander zu regeln pflegen.“

„Das heißt, wir teilen? Mir ist das recht. Aber wer hat das Geld zu beschaffen?“

„Beide, wenn auch jeder nach seinen Kräften. Sie sind viel, viel reicher als ich; aber ich glaube doch, daß es mir möglich sein wird, bare hunderttausend Francs aufzubringen.“

„Gut. Das übrige zahle ich. Wieviel wird es ungefähr betragen?“

„Ich weiß das nicht. Wir werden, um uns eine Zurückweisung zu ersparen, natürlich sehr weit über den eigentlichen Wert bieten müssen: aber das bringt uns doch nicht den mindesten Schaden.“

„Es gilt dabei zu bedenken, daß sie uns beide kennen. Ich fürchte, daß sie von uns gar nichts werden wissen wollen.“

„Wir werden doch nicht solche Toren sein, das Geschäft in unseren Namen oder gar persönlich entrieren zu wollen.“

„Ah. Vielleicht einen Strohmann?“

„Nichts anderes. Wir schieben einen Strohmann vor, der uns für einige hundert Francs gern zu Diensten sein wird.“

„Und wie wird es diesem famosen Diener Henry, diesem verteufelten Einbrecher, gelingen, seine Aufgabe zu erfüllen?“

„Er sucht Zutritt in der Familie.“

„Etwa als Diener, gerade wie er zu Ihnen gekommen ist? Weiß man denn, ob sie einen Diener gebrauchen können und engagieren werden?“

„Von solchen Unwahrscheinlichkeiten dürfen wir das Gelingen unseres Vorhabens ganz und gar nicht abhängig machen. Ich habe während dieser ganzen Nacht mir alles zurechtgelegt und auch einen sehr leichten Weg gefunden, Henry den Zutritt zu eröffnen.“

„Er wird nach Berlin gehen müssen.“

„Noch weiter. Die Verhältnisse derjenigen Menschen, welche ich entweder liebe oder hasse, sind mir stets genau bekannt; nur um die Schicksale mir gleichgültiger Leute bekümmere ich mich nicht. So lasse ich auch die Familie Königsau stets beobachten. Ich weiß, daß sie sich gegenwärtig auf Breitenheim befindet, jenem Gut, welches der alte Hugo auf Blüchers Bemühung hin geschenkt erhielt. Nur einer fehlt dort, nämlich Gebhard Königsau, welcher sich gegenwärtig im Orient befindet. Dieser Umstand ist für uns von großem Wert, weil er es uns möglich macht, Henry auf gute Weise einzuführen. Habe ich Ihnen erzählt, daß dieser als Chasseur d'Afrique in Algerien gestanden hat?“

„Ja. Ich erinnere mich dessen.“

„Nun, Gebhard Königsau ist ja auch dort gewesen.“

Da schnipste der Graf mit den Fingern und rief bewundernd:

„Ah, ich ahne. Genial, wahrhaft genial. Sie sind ein verdammt spitzer Kopf! Wenn Sie in bezug auf Scharfsinn auch nicht gerade an Unsereinen reichen, so würden Sie doch einen ganz netten Diplomaten abgeben, Kapitän.“

„Meinen Sie?“ fragte Richemonte ironisch.

„Ja. Wenn ich das sage, so ist es wahr, denn ich bin ja Diplomat. Also Henry wird Gebhard in Algerien getroffen haben. Wo liegt dieses Gut Breitenheim?“

„Im preußischen Regierungsbezirke Gumbinnen, eine kleine Strecke hinter Nordenburg.“

„Gumbinnen? Der Teufel hole diese deutschen oder preußischen Namen, bei denen man sich die Zunge verrenkt und verstaucht. Und wo liegt dieses Gumbinnen?“

„Nach der russischen Grenze zu.“

„So weit? Doch das ist egal. Also Henry hat Gebhard von Königsau in Algerien getroffen; er befindet sich auf einer Reise nach Petersburg; kommt durch diese Gegend; da fällt ihm ein, daß sein Freund hier wohnt; er geht, ihn zu besuchen; er findet ihn nicht, bedauert das natürlich sehr, wird aber herzlich und gastfreundlich aufgenommen.“

„Ja, so ist mein Plan“, stimmte der Alte bei.

„Er ist wirklich genial; aber es gibt dabei doch einige Bedenken.“

„Ich kenne kein einziges.“

„Gebhard wird nichts von diesem Freund erzählt haben.“

„Was schadet oder hindert das? Königsau wird während seiner Reise mehrere Bekanntschaften angeknüpft haben, ohne ausdrücklich von ihnen zu berichten.“

„Gut. Aber Henry wird gefragt werden, wo und wie er den Deutschen in Algerien getroffen hat. Wird das, was er antwortet, mit den Erlebnissen Gebhards stimmen?“

„Ganz genau.“

„Das bezweifle ich sehr.“