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„Oh, ich habe auch hier bereits gesorgt. Diese Deutschen haben nämlich, trotzdem sie die größten Ignoranten der Wissenschaft und Bildung sind, die famose Monomanie, über alles, was sie sehen, hören, oder denken, ein Buch zu schreiben –“

„Mein Himmel, welch ein Blödsinn!“ fiel der Graf ein. „Wer soll so ein Buch, so ein Schriftwerk, solche Makulatur kaufen?“

„Es gibt genug Dumme, welche dies tun. Gebhard von Königsau hatte natürlich nach seiner Rückkehr aus Afrika auch nichts Eiligeres zu tun, als schleunigst einen Band zusammenzuschmieren.“

„Welcher Unsinn! Was soll in dem Buch stehen?“

„Seine Erlebnisse.“

„Wer in Deutschland kann sich für Afrika interessieren? Kein einziger Mensch. Was weiß ein Deutscher überhaupt von Afrika? Es ist ja bekannt, daß die Deutschen die miserabelsten Geographen sind. Die meisten werden den Namen Afrika noch gar nicht gehört haben. Sie wohnen ja viel zu weit nach Norden; Algerien aber, also Afrika, gehört uns. Wir Franzosen sind es, welche sich ausschließlich mit der Zivilisation des dunklen Erdteils abgeben, und so gebührt uns auch das ausschließliche Recht, Bücher über diesen Erdteil zu schreiben. Daran mögen sich die Deutschen nur niemals wagen.“

„Ich kann Ihnen nicht ganz unrecht geben, trotzdem aber ist jenes Buch von Königsau geschrieben worden und sogar in einer französischen Übersetzung erschienen. Hier erkennt man wieder einmal die selbstlose Großmut unserer glorreichen Nation. Es hat sich ein mitleidiger, französischer Verleger gefunden, um diesem beklagenswerten Deutschen in Form des Honorares ein Almosen zukommen zu lassen. Da ich, wenigstens negativ, mich für Königsau interessieren muß, so habe ich mir diese Übersetzung gekauft. Sie gleicht einem Tagebuch und gibt ganz genau an, was von Datum zu Datum erlebt wurde. Ich werde Henry dieses Buch zu lesen geben, und so wird er wissen, was er zu antworten hat.“

Wie dieser Punkt, so wurden auch noch andere Punkte eingehend besprochen, deren Erörterung zum Gelingen des Planes unumgänglich notwendig war. Das Gewitter im Südwesten stand im Begriff, seinen zweiten Blitzstrahl zu versenden, von welchem anzunehmen war, daß er zerstörender wirken werde, als der erste. –

Einige Wochen später fuhr eine Droschke erster Klasse an einem breiten Hauseingang einer der belebtesten Straßen Berlins vor. Der Insasse, ein langer, schmächtiger Herr in elegantem Reiseanzug, aus dessen ganzem Äußeren man den Franzosen vermuten konnte, stieg aus und trat in den Flur. Dort gab es linker Hand eine Glastür, an deren Scheibe dieselben Worte wie auf der über dem Tor angebrachten Firma zu lesen waren: ‚Samuel Cohn, Bankgeschäft und Länderagentur‘.

Der Fremde öffnete diese Tür, trat ein und fragte den in diesem Raum befindlichen Kommis in französischer Sprache:

„Ist Monsieur Cohn zu sprechen?“

„Ja, Monsieur; der Chef ist soeben gekommen“, antwortete der Kommis mit einer sehr gewandten Verbeugung, aber in einem desto weniger gewandten Französisch.

„Hier, mich melden!“

Der Fremde gab dem Jünglinge die Karte. Kaum hatte dieser einen Blick auf dieselbe geworfen, so machte er, fast wie ein Kautschukmann eine abermalige Verbeugung, welche aber alle zweiunddreißig Richtungen der Windrose durchlief, und sprang dann mit einer Eilfertigkeit davon, als sei er in jeder dieser Richtungen von fünf Taranteln und zehn Skorpionen gezwickt und gebissen worden.

Er durcheilte das nächste, lange, aber schmale Zimmer, in welchem mehrere Kommis an Stehpulten arbeiteten, riß dann eine Tür auf und schrie hinein:

„Herr Cohn, Herr Cohn, Herr Samuel Cohn, beeilen Sie sich schleunigst zu beginnen, sich zu erheben, um aufzustehen von dem Stuhl, auf welchem Sie doch nicht in sitzend ausruhender Stellung empfangen können den Herrn, welcher auf französischer Manier präsentiert eine Karte mit der Krone eines Grafen und begehrt zu sprechen das Bankgeschäft und die Länderagentur des Herrn Samuel Cohn in Berlin.“

Der Prinzipal riß dem Kommis die Karte aus der Hand, betrachtete sie nur den fünfzigsten Teil einer Sekunde und antwortete dann, dem Jüngling eine tiefe Verbeugung machend, welche eigentlich dem zu erwartenden Besuch galt:

„Eine Krone, ein Graf! Seltene Ehre! Feines Geschäft jedenfalls! Mag eintreten!“

Der Kommis wollte zurück, rannte aber dabei im Umdrehen an den Fremden, welcher bereits hinter ihm stand, da er es nicht für opportun gehalten hatte, zu warten.

„Monsieur Cohn?“ fragte der Eintretende in stolzem Ton.

„Habe die Ehre, habe die große Ehre! Bin Cohn selbst, Samuel Cohn vom Bank- und Ländergeschäft!“

Diese Worte stieß der Chef unter einem Dutzend seiner tiefsten Verbeugungen hervor und zog die Tür dabei hinter dem schnell eintretenden Fremden zu. Dieser ließ sich ohne Aufforderung und ohne alle Umstände in den hier befindlichen Diwan nieder, zog eine Zigarre hervor, setzte sie in Brand und sagte dann:

„Ich bin Graf Jules Rallion –“

Der Bankier wollte mit einer Flut von Höflichkeiten antworten; aber der Franzose schnitt ihm dieselbe durch eine rasche Handbewegung ab und fuhr fort:

„Keine überflüssigen Worte! Ich liebe im Geschäft die Kürze. Ich will mit Ihnen ein Geschäft machen.“

„Da wird Heil widerfahren meinem –“

„Lassen Sie das Heil fahren, wohin es will! Die Hauptsache ist das Geschäft. Ist Ihnen der Name Königsau bekannt?“

„Königsau? Ja, ja! Guter Name, gute Zahler, feine Leute, pünktliche –“

„Gut, gut! Wissen Sie, wo die Familie wohnt? Aber antworten Sie möglichst kurz.“

„Ganz wie der Herr Graf befehlen! Diese Familie bewohnt das Gut Breitenheim in der Nähe von Nordenburg. Sie besitzt noch ein zweites Gut, welches an das erstere grenzt und –“

„Schon gut! Ich weiß das! Wissen Sie vielleicht, ob diese beiden Güter verkauft werden?“

Der Jude zog ein langes Gesicht und antwortete dann in verwundertem Ton:

„Verkauft? Nein. Warum sollten werden die Güter verkauft? Hat doch die Familie nicht einen Heller Schulden oder Hypothek auf ihnen.“

„Das ist mir egal!“ antwortete der Graf in zurechtweisendem Ton. „Ich will die Güter kaufen. Ich bin durch jene Gegend gekommen, und sie hat mir gefallen. Ich suche Ihre Vermittlung. Wenn Sie denken, daß Sie nichts tun können, so wende ich mich an einen anderen Agenten.“

Der Jude erschrak. Er versuchte zwar noch einmal den Einwand: „Aber der Besitzer beabsichtigt ja gar nicht, zu verkaufen.“

Doch da erhob sich der Graf von seinem Sitz und meinte:

„Gut! Wenn Sie kein Geschick haben, den Besitzer zum Verkaufen zu bewegen, so suche ich mir einen gewandteren Vermittler.“

Da sprang ihm der Agent in den Weg und rief:

„Bleiben Sie, erlauchter Graf! Gehen Sie nicht fort, durchlauchtigster Monsieur! Was ein anderer kann, das bringt Samuel Cohn auch zustande. Sagen Sie mir nur, ob Sie die Güter partout haben wollen um jeden Preis?“

„Um jeden Preis.“

„Aber das wird Ihnen kosten ein großes und schweres Geld.“

„Was geht das Sie an! Wissen Sie, welchen Wert dieselben haben?“

„Nein. Wieviel wollen Sie an diesen Besitz wenden?“

„Bieten Sie, bis man zuschlägt. Die Summe bezahle ich.“

„Wann, und in welcher Weise, gnädigster Herr?“

„Sofort und bar.“

„Anweisung würde genügen.“

„Ich bezahle bar; dabei bleibt es“, meinte Rallion hartnäckig.

So ein Geschäft und so ein Mann war dem Bankier noch nicht vorgekommen. Dieser Franzose trat auf wie ein Engländer, der seine Guineen gar nicht zählen kann.

„Gut! Schön!“ meinte Cohn. „Ich werde sprechen in eigener Person mit Herrn von Königsau. Wann soll ich reisen?“

„Sofort.“

„Wohin soll ich geben die Nachricht von meinem Erfolg?“

„Ich reise mit Ihnen bis Rastenburg. Dort erwarte ich Ihren persönlichen Bericht. Ihr Honorar können wir unterwegs besprechen. Vorher aber muß ich eine Bedingung machen. Mein Name darf nicht genannt werden. Der Besitzer darf nicht wissen, daß ich es bin, welcher die Güter kauft. Ist dies möglich zu machen?“