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„Ich möchte das nicht so ungeprüft gelten lassen, denn es entgehen mir die Erfahrungen, um hier einen entscheidenden Vergleich ziehen zu können. Wollte ich nach Ihren Worten gehen, so müßte ich schließen, daß die Franzosen uns in der Bewirtschaftung kleinerer Liegenschaften überlegen sind.“

„Das ist es, was ich meine.“

„Nun, das liegt doch wohl weniger in den individuellen Eigenschaften oder gar in der Verschiedenheit des Nationalcharakters, sondern an den wirtschaftlichen Zuständen der beiden Länder. Frankreich ist ein Wein anbauendes Land, und bei dieser Art der Fruchtgewinnung ist der Parzellenbau ein einträglicherer.“

„Sie mögen recht haben; doch wenn ich denke, in welcher musterhaften Ordnung sich Ihre Besitzung befindet, so habe ich doch alle Lust, meine vorhergehende Behauptung aufrechtzuerhalten. Es muß eine wahre Freude sein, sich den Besitzer einer solchen Liegenschaft nennen zu können.“

„Ach, mein lieber Herr de Lormelle, das klingt ja, als ob Sie sich nicht im Besitz eines Gutes befänden.“

„Meine Familie ist nicht nur wohlhabend, sondern sogar reich, sehr reich; aber Sie wissen, wir Franzosen sind Genußmenschen, und wenn wir ja arbeiten, so beschäftigen wir uns lieber mit Kunst und Wissenschaft, mit Literatur und Politik, als mit der Zerkleinerung der Ackerscholle, welcher wir doch nichts weiter abzuringen vermögen, als höchst prosaische Kartoffeln, Rüben und Kohl.“

„Aber doch sind diese unbedingt notwendig. Auch die Kunst und Wissenschaft, die Literatur und sogar in gewisser Beziehung die Politik beschäftigen sich mit ihnen.“

„Ich gebe das gern zu, möchte aber doch lieber eine Gruppe dieser Gewächse auf Leinwand malen, oder ein Buch über den Anbau der Kartoffel schreiben, als gezwungen sein, diese schmutzige Knolle aus der Erde zu wühlen.“

„Wer ein solches Buch schreiben will, darf die Kartoffel nicht nur auf der Leinwand eines Malers gesehen haben. Das Leben des Landmannes ist ein vorzugsweise nüchternes und mühevolles, ich gebe das zu; aber es hat auch seine Lichtseiten. Es bewahrt vor Oberflächlichkeit und Zerstreuung, es macht den Menschen gewissenhaft und ernst; es gibt ihm Liebe zur Heimat und lenkt sein Denken und Sinnen auf den Schöpfer und Erhalter aller Dinge. Lasse ich das Korn meines selbst gesäten Roggens oder Weizens durch die Finger gleiten, so fühle ich dieselbe Genugtuung, welche den Künstler erfüllt, wenn ihm eine Frucht seiner Phantasie geraten ist.“

„Von dieser Seite aus habe ich die Landwirtschaft allerdings noch nicht betrachtet. Ich bin zufrieden, wenn meine Verwalter und Pächter ihre Gelder zahlen. Das Gold, welches dann durch meine Finger rinnt, ist mir wertvoller als das Gold der Ähren und Körner.“

„Und doch ist es wahr, daß dieses Gold ohne das andere eine Chimäre sein würde. Das Metall ist nur ein Tauschmittel; die Landwirtschaft aber ist es, welche mit ihren Erträgnissen und Preisen die wahren, wirklichen Werte bestimmt.“

„Sie sind, wie ich höre, Nationalökonom, ich aber bin es nicht und darf mich also auf keine Kontroverse einlassen. Aber sollte es in Wahrheit sein, daß das Landleben die Liebe zur Scholle, also auch die Liebe zum Vaterland, den Patriotismus großzieht?“

„Es ist so.“

„Dann müßten Sie Ihre Besitzung außerordentlich liebhaben.“

„Sie ist mir wert und teuer.“

„So, daß Sie dieselbe nie veräußern würden?“

„Ich würde mich nur sehr schwer von ihr trennen.“

„Selbst wenn Ihnen bedeutende Vorteile geboten würden?“

„Es käme darauf an, welche Bedeutungen diese Vorteile für mich hätten. Ich befinde mich geradezu gegenwärtig in der Lage, über diesen Gegenstand reiflich nachzudenken.“

Jetzt sah der Franzose sich auf dem Weg, welchem er hatte einschlagen wollen.

„Ah!“ meinte er. „Wieso, Herr von Königsau?“

„Man will mir meine beiden Besitzungen abkaufen.“

„Dann muß der Käufer reich sein.“

„Er ist es.“

„Jedenfalls ein Bewohner der Umgegend, welcher den Wert Ihres Eigentums genau kennt?“

„Nein, sondern ein Fremder, ein Russe.“

„Was für einen Grund hat er, sich hier ansiedeln zu wollen?“

„Ich weiß es nicht und habe auch kein Recht, danach zu fragen. Ich habe erfahren, daß ihm die Gegend gefällt und daß er sich sehr eingehend nach dem Zustand meiner Besitzungen erkundigt hat.“

„Ich bin überzeugt, daß er nur Vorteilhaftes erfahren konnte.“

„Das ist allerdings der Fall. Er hat sich dann durch einen Berliner Agenten an mich gewendet.“

„Durch einen Berliner? Ist das nicht vielleicht ein Umstand, welcher Veranlassung gibt, vorsichtig zu sein?“

„Es gibt überall ehrliche und unehrliche Leute. Von diesem Agenten aber weiß ich, daß er sich in der Geschäftswelt keines ungünstigen Rufes erfreut.“

„Ich wäre wirklich neugierig, zu erfahren, ob dieser Russe geneigt ist, gut zu zahlen. Die Russen pflegen im Geldpunkt nicht immer anständig zu sein.“

„Was das betrifft, so hat mir dieser Herr ein Gebot tun lassen, welches mich wirklich in Verlegenheit brachte.“

„Wieso?“

„Das Gebot beträgt über hunderttausend Taler mehr, als meine Liegenschaften wert sind.“

„Ah!“ machte der Franzose im Ton des Erstaunens.

„Ja, ich füge hinzu, als sie sogar unter Brüdern wert sind.“

„Was gedenken Sie zu tun?“

„Ich habe nie daran gedacht, zu verkaufen. Ich bin mit meinem Besitz zu sehr verwachsen, als daß ich mich so leicht von ihm trennen könnte.“

„Selbst bei Ihrem Alter? Sie entschuldigen die Frage!“

„Oh, ich nehme sie Ihnen gar nicht übel, denn ich habe sie mir ja selbst bereits vorgelegt. Es ist wahr, ich habe jedenfalls kein Jahrzehnt mehr zu leben und muß mich also endlich doch von dem Acker trennen, den ich bebaute; aber ich überlasse ihn meinem Sohn. Das ist etwas ganz anderes, als ihn in fremden Händen zu sehen.“

„Im anderen Fall aber hinterlassen Sie Ihrem Sohn über hunderttausend Taler mehr.“

„Das fällt allerdings ins Gewicht. Dazu kommt der Umstand, daß ich gerade jetzt Gelegenheit hätte, eine Besitzung zu erwerben, welche ich bar bezahlen könnte, obgleich sie bedeutend mehr wert ist als die meinige.“

„So würde ich zugreifen.“

„Dieser Gedanke liegt allerdings sehr nahe, doch ist es mir unmöglich, auf eigene Faust zu handeln.“

„Sie sind ja selbständig.“

„Ein Gatte und Vater ist niemals selbständig. Ich kann das Erbe meines Sohnes nicht veräußern, ohne demselben Nachricht davon zu geben.“

„Das müssen Sie allerdings schleunigst tun.“

„Ich habe es auch bereits getan, und zwar augenblicklich, nachdem ich dieses vorteilhafte Gebot entgegengenommen hatte.“

„Ich befürchte, daß Sie diesen vorteilhaften Handel doch zurückweisen werden.“

„Warum?“

„Ihr Herr Sohn befindet sich ja im Orient.“

„Sie meinen, daß seine Entscheidung, seine Antwort, zu spät eintreffen werde?“

„Das ist es allerdings, was ich sagen wollte. Unsere postalischen Verbindungen sind höchst mangelhaft.“

„Zufälligerweise befindet Gebhard sich gegenwärtig an einem Ort, mit welchem man telegraphisch verkehren kann.“

„So haben Sie also telegraphiert?“

„Natürlich.“

„Und die Antwort bereits erhalten?“

„Noch nicht, obgleich sie längst da sein könnte. Jedenfalls handelt es sich dabei um eine zufällige kurze Abwesenheit meines Sohnes von diesem Ort, und ich erwarte alle Augenblicke den Telegraphenboten.“

„Bei dem regen Anteil, den ich an Ihnen und Ihrer lieben Familie nehme, bin ich wirklich neugierig, wie die Antwort meines Freundes Gebhard lauten wird.“

„Ich vermute, daß sie zustimmend sein werde.“

„Haben Sie einen Grund dazu?“