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„Ja. Es war ihm störend, so weit entfernt von der Hauptstadt wohnen zu müssen, so oft er sich in der Heimat befand. Seine wissenschaftliche Stellung erfordert es, mit den Kapazitäten, welche da weilen, in naher Berührung zu sein. Und sodann liegt die Besitzung, welche ich gerade jetzt so billig kaufen könnte, an der Bahn, nur wenige Stunden von Berlin entfernt, welches man also in kürzester Zeit erreichen könnte.“

„Das ist allerdings vorteilhaft. Jetzt bin ich beinahe überzeugt, daß die Antwort Gebhards zustimmend lauten wird. Werden Sie in diesem Fall verkaufen?“

„Ich würde, aber ich bin noch von anderer Seite gebunden. Hat mein Sohn, während Sie in Algerien mit ihm verkehrten, Ihnen erzählt, wie ich in den Besitz des Gutes Breitenheim gekommen bin.“

„Ich glaube, mich entsinnen zu können“, antwortete der Franzose nachdenklich. „Erhielten Sie es nicht von Marschall Blücher?“

„Durch seine Vermittlung. Breitenheim ist ein Geschenk des damaligen Königs.“

„Ah ja. Sie hatten sich ausgezeichnet!“

„Was man geschenkt erhält, darf man nicht veräußern. Ich habe die Verpflichtung, und zwar in moralischer Beziehung, Breitenheim festzuhalten.“

„O weh! Sie müssen also den Ihnen gebotenen Vorteil von der Hand weisen?“

„Vielleicht auch nicht. Es gilt allerdings eine Anfrage an der betreffenden Stelle, ob der Verkauf des Gutes dort ungnädig bemerkt werde.“

„Haben Sie diese Anfrage tun lassen?“

„Ja. Ich habe den Auftrag dazu brieflich erteilt, und zwar noch, bevor ich meinem Sohne telegraphierte.“

„Müßte die Frage nicht von einer einflußreichen Person ausgesprochen werden?“

„Allerdings. Ich habe einen Verwandten – ah, Sie müssen ihn doch auch kennen. Haben Sie den Namen Goldberg gehört?“

Henry war vorzüglich unterrichtet. Er antwortete sofort:

„Natürlich. Gebhard hat mir von einem Freund erzählt, welcher diesen Namen trägt. Und dann später erzählte er mir in dem einzigen Brief, welchen ich von ihm besitze, daß dieser Herr von Goldberg die Schwester Ihrer Frau Schwiegertochter heimgeführt habe.“

„Ja, dieser Goldberg ist es, den meine ich. Er wohnt in Berlin und erscheint bei Hofe, wo er nicht ungern gesehen wird. Er ist die geeignetste Person, diese Angelegenheit in Ordnung zu bringen.“

„Dann darf ich Ihnen bereits im voraus gratulieren.“

„Oh, tun Sie das nicht zu früh.“

„Sie meinen, daß eine der beiden Antworten ablehnend ausfallen können?“

„Nein, obgleich die Möglichkeit dazu immerhin vorhanden ist. Ich weiß nicht, ob der Russe zahlen wird, was ich verlange.“

„Donner und Wetter. Sie wollen noch mehr profitieren, als hunderttausend Taler?“

Henry machte bei dieser Frage ein sehr erstauntes Gesicht. Ihm schien es ganz unmöglich, daß jemand einen so hohen Gewinn von sich weisen könne. Und zugleich trat bei ihm die Besorgnis ein, daß aus dem Handel nichts werden könne. In diesem Fall war es ihm auch unmöglich, den Streich auszuführen, um dessentwillen er nach Deutschland gekommen war. Er wollte nicht nur Königsau, sonder auch seine beiden Auftraggeber betrügen: Den alten Kapitän und den Grafen Rallion.

„Glauben Sie“, antwortete Königsau, „daß diese hunderttausend Taler ein hinreichendes Äquivalent sind für das, was ich aufgebe, wenn ich einen Ort verlasse, der mir und meiner Familie so lieb und teuer geworden ist?“

„Sie werden Ihre spätere Heimat ebenso lieb gewinnen.“

Königsau schüttelte unter einem milden, trüben Lächeln den Kopf.

„Nein, niemals!“ antwortete er. „Ich bin zu alt, um mich anderswo noch einleben zu können.“

„So wollen Sie den Preis höher stellen? Wenn aber der Russe zurücktritt?“

„So mag er es tun. Ich bin zum Verkauf ja nicht gezwungen. Wenn er noch fünfzigtausend Taler zulegt, werde ich auf den Handel eingehen, sonst aber nicht.“

„Das scheint mir zuviel zu sein.“

„Tragen Sie keine Sorge. Ein Mann, der es gerade auf mein Besitztum abgesehen hat, wird geben, was ich verlange.“

Henry wagte keine weitere Bemerkung. Ihm war es auch nicht unwahrscheinlich, daß Rallion und Richemonte auf die Forderung Königsaus eingehen würden. In jedem Fall war er selbst es, welcher die Summe in den Säckel strich.

Jetzt wurde der Ritt, welcher den ganzen Vormittag in Anspruch nahm, fortgesetzt, ohne daß der Gegenstand des beendeten Gespräches wieder in Erwähnung kam. Dieses letztere sollte aber sogleich bei ihrer Rückkehr geschehen; denn kaum waren sie eingetreten, so nickte Margot, die Großmama, ihrem Mann freundlich und verheißungsvoll zu und meinte:

„Ich habe eine Überraschung für dich, lieber Hugo.“

„Eine gute?“ fragte er.

„Ja. Rate!“

„Ein Brief unseres Goldberg?“

„Nein.“

„Nun, so ist es eine Depesche von Gebhard?“

„Richtig geraten!“

„Wo ist sie? Habt Ihr sie bereits gelesen?“

„Nein. Oder hätte ich mir jemals erlaubt, mich deiner Korrespondenz zu bemächtigen? Die Depesche ist ja an dich adressiert. Hier hast du sie.“

Sie zog sie unter der Decke hervor, mit welcher sie sich auch heute eingehüllt hatte. Es waren alle Glieder der Familie anwesend. Auch auf dem Gesicht Idas, der Schwiegertochter, war die neugierige Erwartung zu lesen, was ihr Mann antworten werde.

Königsau öffnete das Papier und las.

„Nun, was antwortet er?“ fragte er die beiden Damen.

„Lies vor, lies vor!“ baten sie.

„Gut. Hier steht kurz und bündig: ‚Verkaufe. Ich befinde mich wohl. Brief längst unterwegs. Grüße und Küsse von mir.‘ Er willigt also ein. Ist dir dies lieb, Margot?“

Sie strich sich mit der Rechten langsam über das Haar und antwortete dann beinahe leise, damit man ihrer Stimme die Bewegung nicht anhören möge:

„Ihr wißt ja, daß ich da glücklich bin, wo Ihr seid.“

Hugo kannte sie aber zu gut. Er trat an sie heran, küßte sie auf die Lippen und sagte:

„Ich weiß das, Margot. Bist du mir doch aus dem Vaterland in die Fremde gefolgt. Gehen wir auch fort von hier, so werden wir uns doch nicht verlassen. Billig aber verkaufe ich den Ort, an welchem wir so glücklich gewesen sind, auf keinen Fall.“

Damit war der Gegenstand für jetzt erledigt. –

Im besten Gasthof des Städtchens Rastenburg wohnte Graf Rallion, welcher sich aber unter einem anderen Namen eingetragen hatte. Die Zeit wurde ihm ungeheuer lang. Er gab sich zwar Mühe, sich mit der Lektüre des kleinen Stadtblättchens zu zerstreuen, aber er konnte dem Inhalt desselben kein Interesse abgewinnen. Eben stand er im Begriff, es mißmutig fortzuwerfen, als von draußen an die Tür geklopft wurde.

„Herein!“

Zwei Männer traten ein. Der eine war der Jude Samuel Cohn, den andern hatte der Graf noch nicht gesehen. Der Inhaber des Bankgeschäfts und der Länderagentur grüßte mit einer demütigen Verbeugung, welche sein Begleiter nachahmte, und sagte dann:

„Hier bin ich im Begriff, zu bringen dem Herrn Grafen Rallion den Herrn, welcher wird kaufen die Güter, um sie zu verkaufen sofort wieder dem Herrn Grafen, damit dieser werde königlich-preußischer Untertan mit zwei Rittergütern, von denen das eine ist ein Andenken an den großmächtigen Marschall Blücher, welcher ist gemacht worden zum Fürsten von Wahlstatt, weil er –“

„Unsinn“, rief ihm der Graf ärgerlich entgegen und wehrte seinen Wortschwall mit einer Gebärde des Unwillens ab. „Keine unnötigen Worte machen“, setzte er hinzu. – „Wer sind Sie?“

Mit dieser letzten Frage wendete er sich an den Fremden. Dieser wiederholte seine tiefe Verbeugung von vorhin und antwortete:

„Graf Smirnoff ist mein Name.“

Rallion zog die Augenbrauen zusammen. Der Fremde trug zwar einen feinen Anzug, doch war es zu verwundern, daß sich ein Graf bereit finden ließ, ein Geschäft wie das in Rede stehende zu übernehmen.