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„Nach Drengfurth.“

„Dahin gibt es jetzt keine Gelegenheit.“

„Kann ich denn keinen Wagen bekommen?“

„Nein. Kein Mensch im Dorf hat einen Kutschenwagen; aber am Nachmittag kommt ein Stellwagen durch, auf dem Sie einen Platz finden werden.“

„So werde ich warten. Sagen Sie einmal, wie lange muß man fahren, um jenseits des Dorfes durch den Wald zu kommen.“

„Wie lange? Das ist kein Wald, sondern nur ein kleines Eckchen Holz. In zwei Minuten ist man hindurch.“

„Es gibt aber ein Forsthaus da?“

„Nein.“

„Wie? Auch keinen Förster?“

„Fällt niemand ein.“

Jetzt sah Rallion ein, auf welch schmähliche Weise er sich blamiert hatte. Er biß die Zähne zusammen und wollte etwas sagen, um seine üble Laune an dem Wirt abzuleiten, als draußen ein Kutschenwagen im Trab angerollt kam und vor der Tür hielt. Der Kutscher klatschte mit der Peitsche und fragte, als der Wirt herbeieilte:

„Ist die Post längst vorüber?“

„Seit einer halben Stunde.“

„Danke! Adieu!“

Er wollte eben die Zügel aufnehmen, wurde aber daran gehindert. Der Kutschenschlag wurde nämlich geöffnet, und der Insasse sprang heraus.

„Halten bleiben!“ gebot er dem Kutscher. Dann wollte er eiligen Schrittes in das Haus treten; dort aber kam ihm Rallion bereits entgegen.

„Kapitän, Sie hier?“ rief der letztere.

„Ja, ich!“ antwortete Richemonte. „Ich sah Sie am Fenster stehen und stieg natürlich sofort aus.“

„Welch ein Zusammentreffen! Aber sagen Sie, was Sie veranlaßt, in diese Gegend zu kommen.“

„Was haben Sie hier im Koffer?“ fragte statt einer Antwort der Kapitän, indem er auf das Köfferchen deutete, welches der Graf noch immer in der Hand hatte.

„Geld.“

„Ah so! Hinein damit in den Wagen! Übrigens, da ich Sie hier treffe, haben wir Zeit. Kommen Sie, um nicht gehört zu werden. Die Pferde mögen einige Minuten ruhen.“

Er nahm den Arm des Grafen unter den seinigen und schritt mit ihm abseits.

„Haben Sie wirklich geglaubt, lieber Graf“, fragte er dann, „daß ich mich um diese wichtige Angelegenheit nicht weiter kümmern werde? Wie weit sind Sie?“

„Ich denke, daß die Sache heute oder morgen entschieden sein wird.“

„Wieso?“

Rallion unterrichtete den Kapitän über den Stand der Dinge und meinte dann:

„Aber Sie hier zu sehen habe ich nicht erwartet.“

„Nicht wahr?“ lachte der Kapitän. „Ich komme, um einen Fehler gutzumachen, welchen wir begangen hätten und der uns großen Schaden bereiten müßte.“

„Welchen?“

„Denken Sie sich einmal, was wir beabsichtigen, was geschehen soll. Nachdem Henry verschwunden ist, erfährt dieser Königsau, daß Graf Rallion der eigentliche Käufer ist.“

„Was weiter. Was kann das mir schaden?“

„Ungeheuer viel. Graf Rallion ist sein Todfeind. Dieser Deutsche wird die Tat, welche ihn ruiniert, mit dieser Todfeindschaft in Verbindung bringen; er wird sich an die Polizei wenden; man wird nachforschen, und was wird man erfahren?“

„Nun?“

„Daß Graf Rallion, der Käufer, mit diesem sogenannten Henry de Lormelle im Einvernehmen gestanden hat.“

„Alle Teufel! Ich muß aber doch mit Henry im Einvernehmen bleiben.“

„Nein! Das dürfen Sie nicht. Das eben ist mir nachträglich eingefallen, und daher komme ich Ihnen nach.“

„Wie aber haben Sie mich gefunden?“

„Ich wußte die Adresse des Juden. Dort erfuhr ich, daß Sie in Rastenburg seien, und da angekommen, wo Sie sich eines anderen Namens bedient hatten, erfragte ich dennoch, daß Sie mit der Post abgereist seien. Ich nahm ein Privatfuhrwerk, eilte Ihnen nach und – da bin ich.“

„Ist mir lieb! Also Sie wollen den Henry auf sich nehmen?“

„Ja. Sie müssen Ihr Alibi nachweisen können. Man wird erforschen, daß Sie sich zur Zeit der Tat in dieser Gegend befunden haben, aber man darf Ihnen nicht sagen können, daß Sie diesen Henry de Lormelle gesprochen oder auch nur gesehen haben.“

„Wie aber wollen Sie ihn treffen, ohne von anderen bemerkt zu werden?“

„Dafür lassen Sie mich sorgen! Aber sagen Sie mir zunächst, was Sie so allein hier tun, und wohin die Postkutsche ist, welcher Sie sich anvertraut hatten.“

„Ja, mein lieber Kapitän, das ist eine ganz verteufelte Angelegenheit. Ich steige heute in den Wagen, und wer sitzt drin? Raten Sie einmal!“

„Einer von den Königsaus?“

„Zwar kein Königsau, aber ebenso schlimm, ein Verwandter von ihnen, nämlich dieser Graf von Goldberg –“

„Der Mann Ihrer Cousine?“

„Ja.“

„Ich denke, er befindet sich in Berlin! Was will er hier?“

„Weiß ich es?“

„Hat er Sie erkannt?“

„Ich denke, nein“, antwortete Rallion zögernd. „Sobald ich ihn bei Tagesanbruch erkannte, bin ich hier ausgestiegen.“

„Eine Vorsicht, welche ich loben muß. Aber sagten Sie mir nicht, daß Königsau, um sich entscheiden zu können, einen Brief aus Berlin erwarte?“

„So ist es.“

„Nun, dann ist Goldberg dieser Brief. Er kommt persönlich, und wir sind nun sicher, daß die Entscheidung vor der Tür steht. Kommen Sie, steigen wir ein.“

„Bis wohin fahren wir?“

„Sie bis Drengfurth, wo Sie aussteigen, ohne daß ich mich sehen lasse. Ich fahre dann irgendwohin, wo ich den Kutscher loswerden kann, ohne Verdacht zu erregen. Wenn ich mit Ihnen zu sprechen habe, werde ich Sie zu finden wissen. Schlau wird das allerdings anzufangen sein, denn auch mich darf man mit Ihnen jetzt nicht zu sehen bekommen.“ –

Kunz von Goldberg, war mit der Post weiter gefahren und hatte über das Zusammentreffen mit Rallion ein innerliches Gaudium gefühlt. Welche Bedeutung diese Begegnung für die Familie Königsau haben sollte, davon hatte er allerdings keine Ahnung.

Auf Breitenheim richtete sein Erscheinen große Freude an. Er eilte gleich nach dem Aussteigen in das ihm wohlbekannte Zimmer, in welchem sich die Familie zu befinden pflegte, und traf hier Margot und Ida, ihre Schwiegertochter. Er umarmte beide herzlich und fragte dann nach Königsau.

„Er befindet sich bei den Gästen“, antwortete Margot. „Ah, ich habe noch gar nicht gesagt, wen wir hier haben.“

„Ich werde es wohl erfahren.“

„Es ist der polnische Graf von Smirnoff, welcher sich als Käufer präsentiert, und ein Berliner Bankier, welcher seine finanzielle Beihilfe zu sein scheint. Mein Mann hat mit Sehnsucht auf Ihre Antwort gewartet, lieber Kunz.“

„Ich habe es vorgezogen, Sie persönlich zu bringen und Ihnen meinen Beirat anzubieten, da Gebhard nicht anwesend ist.“

„Wir sind Ihnen zu großem Dank verbunden. Welchen Bescheid aber bringen Sie uns?“

„Einen guten. Man sieht nicht die Spur eines Grundes, einer rein geschäftlichen Entschließung eurerseits hindernd in den Weg zu treten, sondern, was ich mir gleich dachte, man sagte sich, daß ihr Herr eures Besitzes seid und mit demselben tun könnt, was euch beliebt.“

„So befürchte ich, daß Hugo verkaufen wird!“

„Sie befürchten es?“ fragte Goldberg. „Warum befürchten?“

„Glauben Sie nicht, daß man nur ungern von hier scheidet?“

„Das glaube ich Ihnen ohne alle Versicherung. Aber bedenken Sie den Vorteil des Handels, welcher Ihnen in Aussicht steht.“

„Wiegt dieser pekuniäre Vorteil das auf, was wir nach unserem Wegzug von hier vermissen werden?“

„Ja, das bin ich überzeugt, liebe Tante. Ich habe gar wohl geahnt, daß Sie gegen diesen Verkauf sein werden, und darum bin ich ja gekommen, um mit Ihnen zu sprechen.“

„Sie wollen mir zureden?“

„Ja, das gestehe ich Ihnen offen. Ich möchte Sie bitten, nicht allein Ihre Gefühle zu berücksichtigen, sondern vor allen Dingen an Ihre Kinder zu denken. Ihr kleiner Richard soll Offizier werden; da ist eine Vergrößerung des Vermögens um hunderttausend Taler oder gar noch mehr wohl mit in Rechnung zu ziehen.“