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„Das mag sein. Wir Frauen rechnen weniger nach Zahlen; unser Einmaleins ist das Gefühl, und das ist nicht immer untrüglich.“

„Sie werden also nicht dagegen sein, liebe Tante?“

„Nein“, antwortete sie mit einem milden Lächeln, in welchem sich fast eine Art Entsagung aussprach.

„Was hat Gebhard geantwortet?“

„Auch er ist Ihrer Meinung. Wir sollen verkaufen.“

„Sehen Sie! Ich bin überzeugt, daß Sie die mit dem Verkauf in Verbindung stehende Ortsveränderung bald überwinden werden, und ich hoffe, daß Onkel Königsau mir beistimmt.“

Er hatte richtig vermutet. Königsau hatte fünfzigtausend Taler mehr verlangt, und der Pole war mit der Bitte um eine kurze Überlegungsfrist hervorgetreten. Während derselben hatte er sich bei Rallion Instruktion geholt und den Auftrag erhalten, die geforderte Summe zu zahlen. Rallion war ja überzeugt, nicht nur in den Besitz der beiden Güter zu gelangen, sondern die Kaufsumme auch wieder zu erhalten, welche er dann mit dem Kapitän teilen wollte.

DRITTES KAPITEL 

Verarmt

Der Handel wurde abgeschlossen und unter Hinzuziehung gültiger Zeugen mit gerichtlicher Hilfe rechtskräftig gemacht. Dann zahlte Smirnoff die vollständige Kaufsumme vor allen Anwesenden in barem Geld auf. Der geringste Teil bestand in wohlgezählten Geldrollen, das andere aber in Kassenscheinen. Das Geld wurde geprüft und für richtig erklärt.

Diese hohe Summe hatte sich in dem Köfferchen befunden, welchen Rallion bei sich geführt hatte. Auf die Frage nach der Rückgabe desselben hatte Smirnoff aus Höflichkeit erklärt, da er nun nicht mehr im Besitz des Geldes sei, so habe auch der Koffer keinen Wert mehr für ihn, und ihn dem Verkäufer geschenkt. Er ahnte gar nicht, wie schwer dieser Umstand in die Waagschale fallen werde.

Hugo von Königsau hatte den Koffer eigenhändig in sein Zimmer getragen und dort eingeschlossen. Ganz wie zufällig war ihm dabei auf dem Korridore Henry begegnet und dann nach den beiden Zimmern gegangen, welche ihm zur Wohnung angewiesen worden waren.

Dort öffnete er den großen Reisekoffer, welchen er mitgebracht hatte, räumte einige Wäschesachen zur Seite und zog zwei Gegenstände hervor. Der eine derselben war ein Köfferchen von ganz genau derselben Arbeit und Größe wie dasjenige, welches die Kaufsumme enthielt.

„Steine darin!“ murmelte der Franzose. „Was für Augen wird der Alte machen, wenn er sie anstatt des Geldes findet.“

Dann nahm er den anderen Gegenstand in die Hand. Es war ein Bund mit zahlreichen Nachschlüsseln.

„Ein Dietrich ist doch eine hübsche Erfindung“, flüsterte er leise vor sich hin. „Dieser Schlüssel öffnet die Zimmertür und dieser andere hier den Schrank, in welchen der Alte dem Vermuten nach den Koffer eingeschlossen hat. Jetzt gilt es, zur raschen Tat zu schreiten.“

Er steckte die beiden Schlüssel ein; da hörte er, daß Sand gegen sein Fenster geworfen wurde. Er lauschte. Abermals Sand. Schnell versteckte er den kleinen Koffer wieder in dem großen und verschloß den letzteren. Dann trat er an das Fenster und öffnete es.

„Pst“, hörte er es unten erklingen.

„Wer ist da?“ fragte er so leise wie möglich.

„Sind Sie Herr de Lormelle?“

„Ja.“

„Können Sie einmal herunterkommen?“

„Wozu?“

„Das kann ich nicht so da hinaufrufen. Kommen Sie sogleich nach der großen Kastanie im Garten!“

„Wer sind Sie?“

„Das erfahren Sie nachher!“

„Ist es so sehr notwendig?“

„Ja.“

„Gut, ich komme.“

Er verließ das Zimmer, verschloß es und ging nach dem Garten.

Da der bei einem Kauf gebräuchliche Schmaus gegeben wurde, so hatten sich die Bewohner des Schlosses mit den Gästen im Speisesaal versammelt, und die Diener waren so beschäftigt, daß Henry gar nicht beachtet wurde. Er gelangte ganz gut in den Garten und an die erwähnte Kastanie, unter welcher ihm eine lange, dunkle Gestalt entgegentrat.

„Henry?“ flüsterte dieselbe fragend.

„Ja“, antwortete er. „Wer sind Sie?“

„Ah, die Verkleidung scheint sehr gut zu sein, da du mich nicht erkennst.“

Diese Worte waren mit der natürlichen Stimme gesprochen worden. Der Diener trat bestürzt zurück.

„Wie? Höre ich recht?“

„Jedenfalls!“

„Sie sind es, Herr Kapitän.“

„Ja, ich.“

„Aber was wollen Sie hier? Wenn man Sie erwischt und festhält, so ist alles verraten.“

„Wieso? Erstens wird man mich nicht erwischen, festhalten aber gar nicht. Und selbst, wenn dies geschähe, so wäre doch noch nicht das mindeste verraten. Ich vermute, daß das Geld soeben erst in den Besitz Königsaus gelangt ist?“

„Vor einer Viertelstunde.“

„Du hast es also noch nicht?“

„Nein.“

„Nun, was sollte denn da verraten sein, wenn man mich erwischte! Übrigens hat meine Anwesenheit einen wohlüberlegten Zweck. Ich komme nämlich um deines eigenen Vorteils willen und bin froh, dich getroffen zu haben.“

„Darf ich fragen, inwiefern und weshalb?“

„Natürlich. Es war verabredet, daß du dich mit dem Geld entfernen solltest.“

„Das werde ich auch.“

„Nein; das geht nicht.“

„Warum nicht?“

„Weil man sofort wissen würde, wer der Täter ist.“

„Das mag man immerhin wissen, wenn wir nur das Geld haben.“

„Nein. So unvorsichtig wollen wir denn doch nicht sein! Man würde dir sofort nachforschen und könnte leicht auf deine Spur kommen. Dann bist du verraten und verloren, und wir sind es mit dir. Nein, du mußt bleiben.“

„Da wird man auch bei mir suchen und das Geld finden. Das ist doch dumm und noch viel schlimmer als das andere.“

„Sei nicht blödsinnig! Das Geld bleibt nicht bei dir liegen, sondern du bringst er mir hierher, und ich schaffe es sofort in Sicherheit.“

„Ah, nicht übel.“

Wäre es Tag gewesen, so hätte der Kapitän über das Gesicht, welches Henry dabei machte, erschrecken können. So aber meinte er:

„Nicht wahr, nicht übel?“

„Ja, allerdings.“

„Man wird den Verlust bemerken und alles durchsuchen, aber nichts finden. Der Diebstahl wird in das tiefste Dunkel gehüllt bleiben, und du reist dann ruhig ab.“

„Das wird mir nicht gut möglich sein.“

„Wieso?“

„Man wird, da ich fremd bin, nach meinen Verhältnissen forschen und entdecken, daß ich gar nicht der Herr de Lormelle bin. Dann bin ich verloren.“

„Wie könnte man das entdecken? Die Papiere, welche dir Graf Rallion gegeben hat, sind gut.“

„Ja, aber wie nun, wenn man an Gebhard von Königsau telegraphiert, ob es wahr ist, daß wir uns in Algier getroffen haben und daß ich sein Freund bin?“

„Das wird man nicht.“

„Man wird es, gerade so wie man an ihn telegraphiert hat, ob er dem Verkauf der Güter seine Beistimmung erteilt.“

„Du besitzt als sein Freund das Vertrauen der Seinigen.“

„Aber nicht das Vertrauen der Polizei, welche jeden Schloßbewohner scharf in das Auge nehmen wird, mich also auch.“

„Ich werde dich benachrichtigen, sobald man telegraphiert.“

Diese beiden Männer durchschauten sich; ein jeder von ihnen wollte den anderen betrügen. Henry war heute der Klügere. Er beschloß, den Kapitän sicher zu machen.

„Werden Sie das erfahren?“ fragte er.

„Ja. Ich werde genau beobachten.“

„Nun, wenn das ist, so denke ich allerdings, daß Ihre Ansicht die richtige ist. Ich lade keinen Verdacht auf mich, brauche nicht zu fliehen und kann jederzeit in mein Vaterland zurück.“