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„Da! Es sind einige Goldstücke drin; ich habe nicht mehr bei mir. Du wirst später desto zufriedener sein. Jetzt aber will ich mich schleunigst aus dem Staub machen. Ich habe sehr weit zu gehen und schwer zu tragen. Gute Nacht, lieber Henry.“

„Gute Nacht, lieber Herr Kapitän.“

Richemonte verschwand im Dunkel der Nacht. Jenseits des Gartens angekommen, blieb er aufatmend stehen.

„Ich bin doch besser, als ich dachte“, brummte er. „Gegen fünfzig Taler werde ich ihm gegeben haben. ‚Lieber Herr Kapitän‘ sagte er. Was er wohl später sagen wird, wenn er merkt, daß er nichts weiter bekommt? Am liebsten möchte ich alles für mich behalten. Aber das geht nicht. Der Einfluß Rallions ist groß; ich kann durch ihn weit mehr Vorteile ziehen, als die Hälfte dieses Diebstahls beträgt. Gute Nacht, Königsau! Gute Nacht, Madame Margot. Ihr werdet an diesen Abend lebenslang denken.“

Und Henry murmelte, zum Schloß zurückkehrend, bei sich:

„Dummkopf! Gibt mir auch noch eine Handvoll Goldstücke obendrein. Wie ihn das wurmen wird, wenn er die Christbescherung erkennt! Es ist dem alten Spitzbuben recht! Nun aber muß ich machen, daß ich in Sicherheit komme.“

Er kehrte in das Innere des Schlosses zurück und gab einem Diener den Auftrag, sobald nach ihm gefragt werde, zu sagen, daß ihn ein leichtes Unwohlsein befallen habe und er um Entschuldigung bitten lasse. Dann suchte er sein Zimmer auf. Dort warf er seinen Reisemantel und eine lederne Reisetasche, welche er bei seiner Ankunft getragen hatte, durch das Fenster und ließ sich selbst dann an der Leine hinab, welche er, nachdem er den Boden erreicht hatte, hinter sich herzog.

Dann schlich er sich nach der Gartenecke, wo er den Schatz versteckt hatte. Seine Taschen langten zu, alles aufzunehmen, und bald sagte er dem Ort ade, an welchem er so freundlich aufgenommen worden war. –

Das Mahl hatte zu einer so späten Stunde geendet, daß die Teilnehmer es vorgezogen hatten, im Schloß zu übernachten, anstatt noch während der Nacht abzureisen. Aber am frühen Morgen brachen alle auf. Smirnoff und Samuel Cohn waren die ersten, welche anspannen ließen, um nach Drengfurth zu Rallion zu fahren, welcher ganz sicher sehnlichst auf sie wartete. Sie fanden ihn in Reisekleidern, worüber sie sich wunderten.

„Wie?“ fragte der Pole. „Hat dies nicht den Anschein, als ob Sie den Ort verlassen wollten?“

„Das beabsichtige ich allerdings. Ich habe nämlich ein Leiden, welches mich öfters ganz plötzlich überfällt. Gestern in der Dämmerung erlitt ich einen solchen Anfall, daß ich nach einer Wärterin schickte, welche bis zum Morgen bei mir bleiben mußte. Auch der Wirt hat während der Nacht nicht schlafen können. Ich muß schleunigst nach Berlin, um einen besseren Arzt zu sprechen, als ich hier finde.“

Er hatte alles aus Berechnung getan. Die Wärterin und das Hotelpersonal konnten beschwören, daß er sein Zimmer nicht verlassen hatte. Das bezweckte er.

„Und wir?“ fragte Smirnoff.

„Nun, wie ist es gegangen?“

„Nach Wunsch. Ich stelle mich Ihnen als den gerichtlich anerkannten Besitzer Ihres Eigentums vor.“

„Zeigen Sie die Papiere.“

„Hier! Kauf, Quittung, alles vorhanden. Wo es sonst mehrere Wochen bedarf, um mit den Herren vom Amt ins reine zu kommen, sind wir hier schnell fertig geworden. Geld ist eine Macht, und ich wünschte, daß ich mich im Besitz derselben befände.“

„Das wird bald der Fall sein. Wir werden den zweiten Teil unseres Geschäfts in Berlin zum Abschluß bringen; das ist dort ja ebensogut möglich wie hier. Ich halte es überhaupt für besser und klüger, es dort zu tun statt hier. Wir reisen zusammen. Sind wir fertig, erhalten Sie beide Ihr Salär.“

Dieses schnelle Abreisen war auch vorher zwischen ihm und dem Kapitän, welcher schleunigst nachkommen wollte, verabredet. Sie hatten sogar ein Wirtshaus geringeren Ranges als Rendezvous bestimmt, obgleich beide in besseren Hotels absteigen wollten.

Nach diesem Gasthaus begab sich Rallion bereits am zweiten Tag nach seiner Ankunft und erkundigte sich dort nach Richemonte, der hier natürlich einen anderen Namen trug. Er war angekommen. Rallion ließ sich die Nummer des Zimmers nennen und begab sich zu ihm.

„Endlich“, rief der Kapitän. „Mir ist die Zeit bis zu Ihrem Eintreffen unendlich lang geworden.“

„Wieso? Hatten Sie keine Beschäftigung?“

„Ah pah! Was hätte ich tun sollen?“

„Geld zählen!“

„Fällt mir doch ganz und gar nicht ein!“

„Warum nicht?“

„Aus Vorsicht.“

„Ah, so! Ich befürchtete bereits, zu hören, daß Sie kein Geld zählen könnten, weil keins vorhanden sei.“

„Sie glaubten, der Coup sei nicht gelungen?“

„Das war doch immerhin möglich. Also Henry hat seine Schuldigkeit getan?“

„Er hat alles ausgezeichnet gemacht.“

„Gut, aber bekommen wird er nichts. Das soll die Strafe sein für seine früheren Spitzbübereien. Sind Sie mit dem Koffer vorsichtig gewesen?“

„Ja. Ich habe ihn in einen Korb gepackt und diesen als Behälter von Mineralien deklariert.“

„Das ist klug gehandelt. Wo ist er?“

„Hier.“

Er zog den Korb unter dem Bett hervor, zerschnitt die Stricke und öffnete ihn. Er enthielt Steine und das Köfferchen, welches von beiden mit liebevollen Blicken beäugelt wurde.

„Eine Mineralienprobe!“ lachte der Graf. „Köstlicher Gedanke! Jedenfalls wird nach diesem Koffer bereits geforscht. Das Geld nehmen wir, die Mineralien aber füllen wir hinein und senden ihn dann der Polizei. Überhaupt ist der ganze Coup ein wahres Meisterstück Ihrer Spitzfindigkeit, Kapitän. Zwei Rittergüter kaufen und bar bezahlen, das Geld aber sich sofort wieder zurückstehlen, das ist grandios! Aber, öffnen Sie!“

„Der Schlüssel fehlt leider.“

„Warum?“

„Henry hat ihn jedenfalls nicht vorgefunden. Königsau wird ihn zu sich gesteckt haben.“

„So müssen wir uns nach Werkzeugen umsehen.“

„Ich habe bereits Hammer und Meißel besorgt. Ich werde öffnen.“

Das Köfferchen war nicht so außerordentlich stark gebaut, daß es lange Widerstand hätte leisten können. Der Deckel sprang bereits nach einigen Schlägen auf. Die Augen der beiden Männer fielen neugierig auf den Inhalt.

„Was ist das?“ fragte der Graf. „Laub!“

„Und ein Zettel darüber“, fügte der Kapitän hinzu. „Dieser Königsau ist doch ein eigener Kauz, das Geld mit Laub zu bedecken. Diese Deutschen sind überhaupt alle halbverrückte Kerls. Was mag auf dem Zettel stehen?“

„Jedenfalls hat er sich die Nummern der Wertpapiere aufgezeichnet und dieses Verzeichnis mit zum Geld gelegt. Wie unsinnig! Nun ist das Geld mitsamt dem Verzeichnis fort, und es wird ihm unmöglich sein, der Polizei die Nummern anzugeben. Wir brauchen uns mit der Ausgabe dieses Geldes gar nicht zu genieren.“

Der Kapitän hatte den Zettel ergriffen und warf einen Blick darauf. Seine Augen wurden weit, und er ließ ein Schnaufen hören, wie ein Tier, welches in Zorn geraten ist.

„Himmel und Hölle!“ rief er. „Mir scheint allerdings, daß wir uns mit der Ausgabe ganz und gar nicht zu genieren brauchen!“

„Nicht wahr?“

„Ja, und zwar, weil wir es gar nicht ausgeben können!“

„Nicht? Warum? Was haben Sie? Was ist mit Ihnen?“

„Wir können es nicht ausgeben, weil wir es nicht haben.“

Der Graf blickte ihn bestürzt an.

„Wir haben es nicht? Das ist ja der Koffer, in welchem es sich befand“, meinte er.

„Ja.“

„Aber was steht da auf dem Zettel?“

„Da, lesen Sie selbst.“

Der Graf nahm den Zettel und las laut die Worte:

„Seinem lieben Freund und Kollegen Richemonte zum Andenken an den Schatz, nach welchem ihm umsonst der Mund gewässert hat.

Henry de Lormelle.“