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„O nein, ich scherze nicht! Auch ich tanze gern; aber ich war lange Zeit nicht in Frankreich, sondern in einem Land, wo man nicht tanzt. Werden Sie mir die Erlaubnis verweigern?“

„O nein!“

„So bitte, kommen Sie! Die Musik beginnt!“

Es wurde ein Walzer gespielt. Der Fremde legte den Arm um sie, ergriff mit der Linken ihre rechte Hand und begann.

Sie war so glücklich. Sie ließ sich von ihm willenlos dirigieren. Sie hielt die Augen geschlossen, und darum bemerkte sie nicht, daß kein anderes Paar an diesem Tanz teilnahm. Man fürchtete, den fremden Herrn zu verletzen, wenn man ihm in den Weg tanze. Aber als er ruhend mit ihr stehenblieb, ergriffen einige Burschen ihre Mädchen und schwenkten in die Reihe.

Noch zweimal kam an die beiden die Reihenfolge, dann schwieg die Musik. Und während der augenblicklichen Stille, welche da eintrat, kam ein dritter Fremder in den Saal, schritt auf ihren Tänzer zu und sagte laut, daß alle es hörten:

„Herr Baron, der Herr Kapitän läßt fragen, ob Sie jetzt mit zu Abend speisen werden?“

„Nein“, antwortete er. „Sage ihm, daß er nicht auf mich warten möge. Ich esse später.“

Der Bote – es war der Diener, der Knecht aus Jeannette – kehrte nach der Gaststube zurück.

„Nun?“ fragte Richemonte, welcher bereits an dem einfach gedeckten Tisch saß.

„Der Herr Baron bittet, nicht auf ihn zu warten.“

„Ah! Wie kommt das? Amüsiert er sich denn da oben?“

„Er scheint“, meinte der Diener zögernd, „soeben einen Tanz versucht zu haben.“

„Donnerwetter! Wirklich?“

„Ja. Der Walzer war zu Ende, und der Herr Baron hatte noch sein Mädchen am Arm.“

Das Gesicht Richemontes verzog sich zu einem ironischen Lachen, und dann sagte er:

„Was war es denn für eine Nymphe? Hübsch oder häßlich, lang oder kurz, dick oder dünn?“

„Sie war sehr hübsch.“

„Hm. Wir sind hier nicht bekannt; da mag es gehen. Er mag also in seinem Spaß ungestört bleiben. Ich gehe nach dem Essen sofort schlafen; du aber magst ihn dann bedienen!“

Droben hatten die Worte des Dieners eine ungeheure Wirkung hervorgebracht. Ein Kapitän und ein Baron waren da, und der letztere hatte mit der Tochter des Schäfers getanzt!

Adeline schwamm in einem Meer von Wonne. Sie hätte die ganze Welt umarmen mögen. Ein Baron war er, ein Baron. Das war die Rache für den untreuen Geliebten, der jetzt dort in der Ecke stand und ein Gesicht machte, als ob er nicht genau wisse, ob er sich ärgern solle oder nicht.

Der Baron hatte sie nicht wieder nach der Bank geführt, auf welcher sie gesessen hatte, sondern an einen Tisch. Das war viel feiner und anständiger.

„Werden Sie mir erlauben, mich zu Ihnen zu setzen, Mademoiselle?“ fragte er, und zwar mit einer Verbeugung.

Das war ihr noch nie geschehen. Aber sie hatte sich bereits in das Ereignis gefunden und ihre Verlegenheit überwunden. Sie antwortete:

„Ich bin solche Ehre nicht gewöhnt, Monsieur.“

„Aber wert sind Sie derselben. Wissen Sie, daß Sie schön sind, sogar sehr schön, mein Kind?“

Sie errötete bis in den Nacken hinab und schwieg. Er fuhr fort:

„Ich wünschte, ich wäre der Sohn eines Bauern, wie diese hier.“

Und als sie ihm abermals nicht antwortete, fügte er hinzu:

„Können Sie sich nicht denken, weshalb ich diesen Wunsch hege?“

Sie konnte es sich gar wohl denken, durfte es ihm aber nicht sagen. Er bog sich deshalb ein wenig weiter zu ihr herüber und meinte:

„So werde ich es Ihnen sagen. Wenn ich ein Bauernsohn wäre, so könnten Sie öfters meine Tänzerin sein!“

„Oh, Monsieur, Sie würden sein wie die anderen und eine Reiche vorziehen.“

„Nein. Ich würde die vorziehen, welche mir gefällt, und das sind Sie. Haben Sie noch Eltern?“

„Ja. Beide leben noch.“

„Und was ist Ihr Vater?“

„Er ist nur der Hirte des Dorfes.“

„Nur! Warum gebrauchen Sie dieses Wort? Ein jeder Mann ist ein ganzer Mann, wenn er seinen Platz ausfüllt. Sie werden mich neugierig schelten und mir zornig werden. Aber ich möchte so gern erfahren, ob Sie einen Geliebten haben. Wollen Sie mir das sagen?“

„Ich habe keinen“, antwortete sie errötend.

„Sagen Sie die Wahrheit?“

„Gewiß, Monsieur!“

„Aber einen, den Sie lieb hatten, hat es bereits gegeben?“

Sie blickte verlegen vor sich nieder und zögerte, zu antworten; darum sagte er nach einem Weilchen:

„Ich sehe Sie heute zum ersten Mal und bin Ihnen fremd; daher ist es unrecht von mir, Ihnen solche Fragen zu stellen.“

Da blickte sie voll zu ihm auf und antwortete:

„Und doch will ich Ihnen antworten, Monsieur. Ja, ich habe einen Geliebten gehabt, aber wir sprechen nicht mehr miteinander.“

„Ah! Wirklich? Befindet er sich heut abend hier?“

„Ja, er ist hier.“

„Wollen Sie mir ihn zeigen?“

„Er steht jetzt ganz allein am Büffet und läßt sich Wein geben.“

„Dieser ist es? Er hat keinen Geschmack, Mademoiselle, keinen Geschmack und kein Herz, und darum wären Sie nicht glücklich mit ihm gewesen. Sie haben mir auf meine so zudringliche Frage geantwortet; das gibt mir den Mut, noch zwei weitere Erkundigungen einzuziehen. Darf ich?“

„Gewiß. Ich werde Ihnen antworten.“

„Verstößt es gegen den Gebrauch dieser Gegend, wenn ich Sie einlade, heute abend mit mir zu speisen?“

„Nein. Aber es würde auffallen, wenn wir dies an einem andern Ort täten, wo wir allein wären.“

„Also müßte es hier geschehen?“

„Ja, hier, wo man uns offen beobachten kann.“

„Gut! So sagen Sie mir nur noch, ob es auffällig sein würde, wenn ich Sie nachher nach Hause begleitete.“

„Ja; man würde sehr darüber sprechen, und ich dürfte mich nicht wieder sehen lassen.“

„Und doch wäre ich so glücklich gewesen, wenn Sie mir die Erlaubnis dazu hätten erteilen können!“

Sie befand sich in einer großen Verlegenheit. Sie hatte geträumt von einem, der vornehmer sein müsse, als der Sohn des Maire; dieser Traum war so wunderbar in Erfüllung gegangen. Sollte sie sich die Gunst des Schicksals dadurch verscherzen, daß sie diesem Baron seine Bitte versagte? Und doch wußte sie, daß sie sich einem bösen Gerede aussetze, wenn sie auf seinen Wunsch einging.

Er sah, daß sie mit sich kämpfte, daß sie wohl nicht ganz abgeneigt war, ihm die erbetene Erlaubnis zu erteilen. Daher fügte er weiter hinzu:

„Können wir es nicht so einrichten, daß man es nicht bemerkt?“

„Was würden Sie da von mir denken, Monsieur?“

„Ich würde nur denken, daß Sie ein sehr verständiges Mädchen sind, Mademoiselle.“

„Was veranlaßt Sie aber zu dem Wunsch, mich zu begleiten?“

„Wenn Sie sich das nicht selbst sagen wollen, kann ich es Ihnen auch nicht erklären. Eine schöne Musik hört man gern so lange wie möglich, und ein schönes Gemälde betrachtet man, bis man seine Schönheiten alle aufgefunden und genossen hat. Das Glück, bei einer jungen, hübschen Dame sein zu dürfen, dehnt man aus demselben Grund soweit wie möglich aus. Es wäre ja ganz leicht, daß ich vor Ihnen den Saal verlasse und Sie dann erwarte. Der Abend ist so schön. Wir könnten noch ein wenig promenieren gehen.“

„Dann würde es klüger sein, daß ich eher gehe und Sie erwarte.“

„Warum?“

„Weil es ungebräuchlich ist, daß die Dame den Herrn erwartet. Man wird also nicht so leicht auf den Gedanken kommen, daß ich dies tue, sondern glauben, daß ich nach Hause gegangen bin.“

„Ah, Sie sind nicht bloß schön, sondern auch klug! Also werde ich Sie begleiten dürfen?“

„Ich weiß noch nicht. Um dies sagen zu können, müßte auch ich Ihnen eine Frage vorlegen dürfen.“

„So fragen Sie.“