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„Ich ging spazieren. Aber, mein Gott! Die Hacke ist voller Blut und dein Messer auch.“

Richemonte blickte es an, verzog den Mund zu einem grimmigen Lächeln und antwortete:

„Natürlich ist es blutig! Ich habe ja diesen Menschen damit niedergestochen!“

„Wer ist er? Warum griffen sie dich an?“

„Sie mich? Pah! Ich war es, welcher angriff!“

„Du? Warum?“

Seine Augen zeigten einen eigentümlichen, irren Flimmer, und der Ton seiner Stimme war nicht mehr derjenige eines Menschen, welcher vollständig selbstbewußt redet und handelt. Der Anblick des Blutes hatte die alten Erinnerungen wachgerufen.

„Du kennst diesen Menschen nicht“, antwortete Richemonte, auf Gebhard deutend. „Er hat mit den beiden anderen hier dieses Loch gegraben. Kannst du dir denken, warum er von Deutschland hierhergekommen ist, um die Hacke in diesen Boden einzuschlagen?“

„Nein.“

„So will ich dir sagen, daß hier die Kriegskasse vergraben liegt, welche wir so lange gesucht haben.“

Da kehrte das Bewußtsein in den Blick des Barons zurück. Seine Augen leuchteten auf, und er rief:

„Die Kriegskasse? Donnerwetter! Wir werden reicher!“

„Ja, wir werden Millionen besitzen. Dieser Mensch ist Gebhard von Königsau, welchen wir bereits in Algerien verfolgten! Er ist uns damals entgangen; jetzt aber habe ich meine Rechnung vollständig mit ihm abgeschlossen. Der andere hier ist der Kutscher Florian, und der dritte sein Verwandter, wie ich gestern erlauschte.“

Der Baron war an den Rand des Lochs getreten. Er blickte hinab, die Hacke noch immer in der Hand. Sein Gesicht hatte jenen Ausdruck wieder angenommen, welcher ein Vorbote eines jener Anfälle war, unter denen der geistig Gestörte zu leiden hatte.

„Das Geld ist da unten! Der Schatz! Die Kriegskasse! Da muß man hacken, hacken! Heraus mit dem vielen Geld, und hinein mit den Erschlagenen!“

Während er diese Worte sprach, sprang er in das Loch hinab und begann zu hacken, ohne sich weiter um den alten Kapitän zu bekümmern.

Dieser hatte antworten und in seiner Erklärung fortfahren wollen, kam aber nicht dazu. Seine Augen waren erschrocken nach dem Rand der Schlucht gerichtet, von welchem zwei Personen langsam herabgestiegen waren.

Während nämlich der Baron dem Kapitän zu Hilfe gesprungen war, hatte Adeline vor Schreck über den Anblick der Kämpfenden, ihre Schritte gehemmt. Sie war kein furchtsames Wesen, der erste Eindruck war rasch bekämpft, und schon wollte sie dem Geliebten folgen, als sie hinter sich das Geräusch von schnellen Schritten hörte.

Sie drehte sich um und erblickte – ihren Vater, welcher, als er sie erkannte, erstaunt stehen blieb. Er hatte ein Messer mit sehr langer Klinge in der Hand. Es diente ihm zum Ausgraben der Wurzeln.

„Du hier, Mädchen?“ fragte er. „Ich denke, du bist daheim! Wer hat gerufen? Wer befindet sich in Gefahr?“

„Da, sieh!“ antwortete sie, nach unten deutend.

Er blickte hinab, gerade in dem Augenblick, in welchem der Baron den zweiten niederschlug.

„Ah! Mörder!“ meinte er. „Ich muß hinab!“

Sie faßte ihn am Arme und hielt ihn zurück.

„Halt, halt!“ raunte sie ihm zu. „Der eine ist mein Geliebter, ein Baron. Wenn du willst, daß ich Baronin werden soll, so sei still und menge dich nicht eher in diese Sache, als bis ich es will!“

Er machte ein höchst verblüfftes Gesicht.

„Du, eine Baronin?“ fragte er.

„Ja; komm mit hinab! Richte dich nur ganz genau nach meinem Verhalten!“

Richemonte sah sie kommen. Der Schreck verzerrte für einen Augenblick seine Züge. Er nahm den Griff seines Messers fester in die Hand. Der Schäfer hielt aber das seinige auch noch gefaßt. Zwei Zeugen des Mordes! Sollte es nochmals zum Kampf kommen?

„Herr Kapitän, befürchten Sie nichts!“ rief ihm Adeline entgegen. „Wir kommen als Freunde!“

„Wie! Sie kennen mich?“ fragte er.

„Ja. Ich habe dem Herrn Baron im Wald Gesellschaft geleistet, und da wurde natürlich auch von Ihnen gesprochen.“

„Wer sind Sie?“ fragte er finster.

„Ich heiße Adeline Verdy. Mein Vater ist Schäfer in dem Ort, wo Sie heute übernachteten.“

„Ah! So sind Sie wohl eine Tänzerin von gestern abend und hatten ein Stelldichein im Wald verabredet?“

„So ist es“, antwortete sie offen, obgleich seine Miene eine höchst verächtliche war.

„So sind Sie eine Kurtisane?“

„Ich weiß nicht, was dieses Wort bedeutet. Was ich bin, das werden Sie wohl noch erfahren.“

„Schön, schön, meine Verehrteste! Sie haben gesehen, was hier geschehen ist?“

„Natürlich!“

„Auch gehört, was wir gesprochen haben?“

„Jedes Wort.“

„Hole Sie der Teufel! Wie können Sie meinen Gefährten verführen, mit Ihnen im Wald herumzuschleichen! Wie können Sie sich mit Angelegenheiten befassen, welche nicht die Ihrigen sind?“

„Diese Angelegenheit ist gerade so gut die meinige wie die Ihrige; auch das werde ich Ihnen zu beweisen wissen. Hier ist ein Schatz vergraben, eine Kriegskasse. Diese drei Männer wollten sie holen und wurden dabei von Ihnen und dem Baron ermordet. Lassen Sie uns sehen, ob hier in Wirklichkeit etwas vergraben liegt. Du aber, Vater, halte dein Messer bereit. Dem Herrn Kapitän ist nicht zu trauen!“

Sie trat an das Loch, um den Bemühungen des Barons zuzuschauen. Der Schäfer bog sich zu den Toten nieder, um sie genauer zu betrachten. Richemonte wußte gar nicht, wie er sich verhalten solle. Dieses Mädchen hatte ihm gegenüber eine Sicherheit entwickelt, welche ihn in Bestürzung versetzte. Sie mußte sich im Besitz einer Tatsache befinden, welche ihr Grund gab, sich nicht vor ihm zu fürchten. Er trat zu ihrem Vater und fragte!

„Sie waren auch mit dem Baron im Wald?“

„Das geht Sie nichts an!“ brummte der Schäfer, welcher nicht wußte, ob er mit Ja oder Nein antworten solle. „Wir haben gesehen, daß Sie diese drei Männer ermordeten. Das Weitere wird sich finden.“

„Ah! Sie wollen den Inhalt der Kasse wohl mit uns teilen?“

„Was wir wollen, geht Sie jetzt noch nichts an! Sehen Sie zunächst zu, ob die Kasse wirklich zu finden ist.“

Der Kapitän zog die Lippe empor und entblößte seine langen, gelben Zähne. Er hätte den Schäfer und dessen Tochter am liebsten erstochen, fürchtete sich aber vor dem Messer des ersteren und wollte auch erst abwarten, was die beiden Personen gegen ihn unternehmen würden. Darum beschloß er, ihre Gegenwart zunächst zu ignorieren und den Baron bei seiner Arbeit zu unterstützen. Er stieg in die Grube und nahm die Schaufel in die Hand.

Der Baron arbeitete, ohne sich um irgendwen zu kümmern, wie ein Wahnsinniger, der er in diesem Augenblick auch wirklich war. Das Loch wurde zusehends breiter und tiefer, aber es zeigte sich keine Spur eines Kastens oder sonstigen Gefäßes.

Der Schäfer stand mit seiner Tochter am Rand der Grube. Es war ihm, als ob er träume. Seine Tochter wollte eine Baronin werden; man wollte hier eine Kriegskasse ausgraben. Beides war ja unglaublich! So verging eine halbe Stunde nach der anderen, ohne daß man etwas fand. Da sprang der Kapitän aus der Grube und rief:

„Nichts liegt da, gar nichts! Dieser Kerl, dieser Königsau, muß sich geirrt haben! Er hatte einen Zettel, einen Plan, nach dem er sich richtete. Wo muß er ihn haben? Wo ist dieses Papier hingekommen?“

Er suchte überall, ohne das Gesuchte zu finden. Da meinte die Schäferstochter, welche eine Sicherheit entwickelte, als ob sie in alle Verhältnisse eingeweiht sei:

„Hat er ihn vielleicht eingesteckt? Vater, suche den Toten dort einmal aus!“

Der Zettel war allerdings jetzt unmöglich zu finden. Er war, als Königsau von dem Kapitän rücklings überfallen wurde, und den Messerstich erhielt, zur Erde gefallen. Während des nachfolgenden Ringens hatten die drei Männer ihn in das aus der Grube aufgeworfene Land so tief hineingetreten, daß er nicht mehr zu sehen war, und Richemonte hatte dann so viel Erde darauf geschaufelt, daß alles Nachsuchen vergeblich sein mußte.