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Napoleon hatte einen österreichischen Erzherzog in das Verderben und den Tod getrieben; jetzt trieb er das Vaterland des armen Max von Mexiko in das Unglück.

Preußen marschierte. Die Namen seiner Feldherren waren fast unbekannt; Österreich konnte ihm berühmte Männer entgegenstellen. In Paris spekulierte man auf eine rasche Niederwerfung Preußens oder, was man noch lieber sah, auf ein langwieriges, wechselvolles Ringen der beiden Gegner. Ein solches hätte Frankreich Gelegenheit zu hundert günstigen Schachzügen gegeben. Es kam anders. Preußen siegte; es warf seinen Gegner, der leider sein Bruder war, mit ungeahnter Schnelligkeit darnieder; dasselbe geschah mit den anderen deutschen Staaten.

Auch jetzt noch unterschätzte Napoleon die Kräfte des Siegers. Er verlangte durch den Gesandten Benedetti die Grenze vom Jahre 1814. Dadurch wären Rheinbayern und Rheinhessen nebst Mainz an Frankreich gekommen. Außerdem sollte Preußen auf das Besatzungsrecht in Luxemburg verzichten. Im Weigerungsfall drohte der Kaiser mit Krieg gegen Preußen.

Bismarck schloß, ohne Frankreich zu fragen, Frieden mit Österreich und antwortete dem Kaiser kurz entschlossen:

„Gut, so machen Sie Krieg! Bekommen werden Sie nichts!“

Nur auf Zuraten anderer nahm Napoleon seine Kriegsandrohung zurück, wendete sich aber, um auch diese Schlappe zu verbergen, wegen Ankaufs von Luxemburg an den König von Holland. Er wollte den Franzosen auf alle Fälle eine Gebietserweiterung bringen. Der König von Holland war nicht abgeneigt; aber Bismarck erfuhr davon und erklärte öffentlich, daß er seine Einwilligung versage. Zugleich machte er die Bündnisverträge bekannt, welche er mit den süddeutschen Staaten abgeschlossen hatte, und so sah Napoleon sich abermals durch den Deutschen zurückgewiesen und besiegt.

Diese wiederholten Niederlagen Napoleons gegen Bismarck wirkten sehr verhängnisvoll auf die inneren Verhältnisse Frankreichs zurück. Der Kaiserthron verlor immer mehr und mehr von seinem Glanz. Die Parteien begannen, an demselben zu rütteln. Man verlangte Rache an Deutschland, und die Kaiserin Eugénie tat alles, um den Kaiser zu einem Krieg zu bestimmen. Napoleon hörte nicht auf, Preußen durch Anerbietungen auf Kosten Deutschlands und Belgiens in Versuchung zu führen, mußte aber einsehen, daß alle diese Anträge an der eisernen Stirn Bismarcks abprallten. So wurde denn der Krieg beschlossen und die Vorbereitungen dazu heimlich begonnen. Napoleon sah ein, daß sein bereits wankender Thron stürzen werde, wenn es ihm nicht gelinge, Deutschland in den Staub zu treten. Er erklärte, um seine Absicht zu verbergen, daß die Aufrechterhaltung des Friedens zu keiner Zeit gesicherter gewesen sei als eben jetzt; aber Bismarck war nicht der Mann, sich durch eine so grobe List täuschen zu lassen.

Dieser große Staatsmann war überzeugt, daß Frankreich nach einer Ursache suche, um den Krieg erklären zu können, und daß es schließlich den ersten besten Vorwand dazu vom Zaun brechen werde.

Napoleon überschätzte die Vorteile der französischen Heeresverfassung. Er hatte bei General Leboeuf, dem Kriegsminister, angefragt und von diesem die Antwort erhalten: „Nous sommes archiprêts“. Das heißt zu deutsch: „Wir sind erzbereit“, also im höchsten Grad bereit. Auch das hatte Bismarck erfahren, und es läßt sich denken, daß er seine Maßregeln danach ergriff.

In jener Zeit lag in einer der engen Nebengassen, welche die Rue des Poissonniers mit der Chaussee de Clignancourt verbinden, eine jener unheimlichen Tavernen, deren Existenz nur darum von der Polizei geduldet wird, weil sie als Mausefallen benutzt werden. Solche Kneipen bleiben lange Zeit scheinbar unbeobachtet und unbeaufsichtigt; aber dann stellen sich plötzlich eines schönen Abends die Sicherheitsbeamten ganz unvermutet ein, um meist einen reichen Fang zu machen.

Der Wirt dieser Taverne, ein verschlagener und zugleich verwegener Mensch, machte den Dieb und Hehler zu gleicher Zeit; aber noch niemals war es der Polizei gelungen, ihn so zu fassen, daß man ihn hätte bestrafen können. Die bei ihm verkehrenden Gäste waren Leute, welche mit den Gesetzen mehr oder weniger in Konflikt geraten waren, und wurden von Kellnerinnen bedient, deren Charakter kaum mehr ein zweideutiger zu nennen war.

Das Haus hatte eine sehr schmale Front, und nie zeigte dieselbe des Abends ein erleuchtetes Fenster. Es schien ganz unbewohnt zu sein, außer dem Keller, in welchem sich die betreffende Restauration befand und zu welchem man auf einer Reihe von gebrechlichen Stufen hinabsteigen mußte.

Dieser Keller war lang und schmal. Man hatte ihn in verschiedene Abteilungen geteilt, deren vorderste die Gäste innehatten. Nur diejenigen, denen der Wirt ein besonderes Vertrauen schenkte, durften die hinteren Räume betreten, worüber sie aber gegen andere kein Wort verloren.

Heute saß vielleicht ein Dutzend Männer an einer Tafel. Ein jeder hatte ein großes Glas mit scharfem Schnaps neben sich stehen. Die Unterhaltung war eine höchst einsilbige. Den Wirt hatte bis jetzt noch niemand gesehen. Das Äußere der beiden Kellnerinnen, welche zugegen waren, das heißt ihr Aussehen und ihre beinahe freche Bekleidung, ließ auf ein vollständig destruiertes Ehrgefühl schließen. Die eine saß mitten unter den Männern, hatte den einen derselben beim Kopf genommen und tat von Zeit zu Zeit einen tüchtigen Zug aus seinem Glas. Die andere saß allein in einer Ecke, hatte den Kopf in die Hand gestützt, so daß ihr Gesicht im Schatten lag, und schien nicht bei sehr guter Laune zu sein.

Der ihr am nächsten Sitzende wendete sich ihr zu und sagte:

„Was ist denn mit der Sally? Sie sieht ja aus, als ob sie von Vater Main den Abschied bekommen hätte!“

„Den Abschied?“ lachte das andere Mädchen. „Oh, der ist ihr sicher genug! Vater Main ist nur ungehalten, weil sie seit letzter Zeit so ungeheuer zimperlich und spröde geworden ist.“

„Spröde? Das war sie doch früher nicht. Man hat sich mit ihr stets ein Vergnügen machen können.“

Das Mädchen zuckte die Achseln, warf den Mund auf und meinte:

„Hm! Sie hat einen Anbeter.“

„Einen Anbeter? Einen Geliebten? Donnerwetter! Wer ist der Kerl? Kenne ich ihn?“

„Nein. Du bist ja längere Zeit nicht hier gewesen. Er ist ein Fremder, der erst seit einiger Zeit hier verkehrt.“

„Dann ist Vater Main sehr unvorsichtig geworden!“

„Wieso?“

„Nun, einen Fremden läßt man doch nicht so schnell einheimisch werden, daß er den Stammgästen das Mädel wegschnappt.“

„Oh, er schnappt noch anderes weg.“

„Was?“

„Das Geld.“

„Ah! Er spielt?“

„Ja, und zwar sehr gut.“

„Bei euch? Da oben?“

Dabei machte der Frager eine geheimnisvolle Fingerbewegung nach der Decke zu.

„Natürlich da oben!“

„Wagt man denn nicht zu viel, ihn da einzuweihen? Ist er einer der Unserigen?“

„Er gehört zu uns. Er ist ein Changeur.“

„Ein Changeur? Ja, diese Leute machen viel Geld; sie können spielen, und zwar hoch spielen. Zu diesem gefährlichen Geschäft gehören feine und gescheite Köpfe. Wie heißt er?“

„Er sagt es nicht. Wir nennen ihn nur den Changeur. Er ist außerordentlich vorsichtig. Sally aber nennt ihn ihren Arthur.“

„Wo ist er her?“

„Er sagt, daß er aus den Pyrenäen stamme.“

„Ob es wahr ist?“

„Jedenfalls. Er spricht ganz den Dialekt, welcher in Foix oder Roussillon gebräuchlich ist. Übrigens ist er ein ganz charmanter Kerl, der keinen Spaß verdirbt und gewöhnlich das, was er im Spiel gewinnt, wieder zum Besten gibt.“