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Er griff unter den Domino und zog ein langes, spitzes Messer hervor. Er hielt ihr die blanke, glänzende Klinge entgegen und fuhr fort:

„Sie sehen dieses Messer. Die Klinge desselben fährt Ihnen augenblicklich in das Herz, sobald Sie das Kleinste sagen oder tun, was mir nicht gefällt!“

Jetzt endlich fand sie Atem und mit demselben die Fähigkeit zum Sprechen.

„Nun, so sagen Sie wenigstens, was Sie von mir wollen und weshalb Sie sich meiner bemächtigt haben?“

„Ja, das sollen Sie hören. Vorher aber muß ich wissen, ob man in Ihnen auch wirklich die Richtige ergriffen hat. Wer sind Sie?“

„Mein Name ist Latreau.“

„Sie sind die Komtesse Ella de Latreau? Nicht?“

„Ja.“

„Sie haben keine Eltern mehr?“

„Nein.“

„Nur einen Großvater?“

„Ja.“

„Dieser Großvater ist der pensionierte General de Latreau?“

„Ja.“

„Ist Ihr Großvater reich?“

„Ja“, antwortete sie.

Bei dieser Frage begann sie zu ahnen, daß die Ursache ihrer Gefangenschaft nur eine gewinnsüchtige sei.

„Hat er stets Geld in seiner Wohnung liegen?“ fragte er weiter.

„Ich weiß es nicht. Großpapa hat mit mir noch niemals von Geschäften gesprochen.“

„Aber er hat einen Bankier, bei dem seine Anweisung honoriert wird?“

„Ich bin davon überzeugt.“

„Nun wohl, so will ich Ihnen sagen, daß ich Sie nur um eines Geldgeschäftes willen zu mir habe bringen lassen. Warum ich dabei gerade auf Sie gekommen bin, das brauchen wir dabei ja gar nicht zu erörtern. Ich habe eine nicht ganz unbedeutende Summe Geldes nötig; ich aber bin arm, und darum kann oder will mir niemand so viel beschaffen, wie ich brauche. Es gibt reiche Leute, welche die Summe recht gut entbehren können, ohne den Verlust zu empfinden. Aber welcher Reiche verschenkt sein Geld freiwillig? Man muß ihn dazu zwingen.“

Er hielt einen Augenblick inne. Nun sie wußte, um was es sich handelte, fühlte sie sich ziemlich beruhigt. Er fuhr wieder fort:

„Ein Dieb und Einbrecher bin ich nicht. Man weiß da ja auch niemals, ob man dabei so viel findet, als man braucht, und so habe ich mich entschlossen, irgendeinen Reichen auf eine möglichst ungefährliche Weise zu zwingen, mir das zu geben, was ich nötig habe.“

„Wieviel bedürfen Sie?“ fragte sie.

„Warten Sie!“ antwortete er. „Es muß alles hübsch nach der Ordnung gesagt werden! Ganz zufällig erfuhr ich, daß Ihr Großvater steinreich ist, daß Sie nicht nur seine einzige Erbin, sondern auch sein Liebling sind. Ich bin stets kurz entschlossen; der Plan war fertig. Ich ließ Sie beobachten, ich erfuhr, daß Sie heute zur Oper fahren würden; meine Leute lauerten Ihrem Wagen auf, überfielen Sie und brachten Sie hierher. Sie wissen nun, weshalb Sie hier sind, und was ich will.“

„Gut. Also wieviel brauchen Sie?“ wiederholte sie.

Er schwieg ein Weilchen und wiegte den maskierten Kopf hin und her. Dann antwortete er:

„Apropos, Mademoiselle, wieviel denken Sie, daß Sie wert sind?“

„Das ist hier Nebensache! Welche Summe wollen Sie haben?“

„Nun gut. Ich sage Ihnen im voraus, daß ich Ihnen die Summe nennen und mir nicht einen Centime davon abhandeln lassen werde. Ich muß rund hunderttausend Franken haben.“

Sie erschrak doch ein wenig. Eine solche Summe ist selbst für einen reichen Mann keine Kleinigkeit, zumal, wenn er sie geben muß, um damit gleichsam das Verbrechen anderer Leute zu honorieren. Sie zögerte, zu antworten, darum fragte er:

„Nun, wie steht es? Was sagen Sie dazu?“

„Sie fordern viel, sehr viel!“

„Ich fordere es von einem Mann, der es bezahlen kann!“

„Und wenn er es nicht geben will?“

„So sind Sie am dritten Tag eine Leiche.“

Es lief ihr bei dieser Drohung eiskalt über den Rücken.

„Unmensch!“ seufzte sie.

Da stieß er abermals ein höhnisches Lachen aus, welches unter der Maske hervor wie das Gelächter eines Teufels erklang, und antwortete:

„Oh, Mademoiselle, das ist noch nicht alles! Ehe Sie sterben, werde ich erst meinen Leuten erlauben, sich ein wenig mit Ihnen zu beschäftigen. Sie sind alle jung und Liebhaber des anderen Geschlechts. Keiner von ihnen hat jemals das Glück gehabt, die Tochter eines Grafen und Generals umarmen zu können. Dieses Glück will ich ihnen gewähren, um sie dafür zu entschädigen, daß sie den Lohn nicht erhalten, den ich ihnen für Ihre Entführung versprochen habe.“

„Sie sind ein Ungeheuer!“

„O nein! Ich bin ein sehr rücksichtsvoller Mann; das sehen Sie ja aus der Weise, in welcher ich für mein Personal besorgt bin. Also, geben Sie mir eine Antwort.“

„Gut. Großpapa wird zahlen!“

„Schön. Ich sehe, daß Sie nicht nur eine vornehme und schöne, sondern auch eine verständige Dame sind.“

„Aber ich mache auch eine Bedingung“, fiel sie ein.

„Welche?“

„Sie binden mich los und gewähren mir, solange ich noch gezwungen bin, bei Ihnen zu bleiben, eine menschenwürdige Gefangenschaft und Behandlung.“

Er wiegte den Kopf nachdenklich hin und her und antwortete:

„Das geht nicht. Ich kann Sie nicht losbinden, denn ich würde mich da in Gefahr setzen. Es kann einer Gräfin gar nichts schaden, einmal einen Tag oder zwei in einer unbequemen Stellung zuzubringen. Und sodann bin ich der Überzeugung, daß ich das Geld um so eher und leichter erhalten werde, je weniger es Ihnen bei mir gefällt.“

„Das ist mehr, viel mehr als grausam. Geben Sie mir wenigstens ein Kleidungsstück.“

„Ihre Toilette gefällt mir gerade so am allerbesten. Lassen wir sie also, wie sie ist.“

Sie war ein schwaches Weib, aber wenn sie sich jetzt hätte frei bewegen können, wahrlich, sie hätte den Versuch gemacht, diesen Unmenschen zu erwürgen. So aber konnte sie nur, bebend vor Zorn, rufen:

„Ich bin hilflos in Ihrer Gewalt; aber Gott wird Sie strafen!“

Da hielt er ihr das Messer vor und sagte:

„Sprechen Sie leiser und enthalten Sie sich solcher Reden, sonst mache ich die Drohung wahr, welche ich vorhin ausgesprochen habe. Regen wir uns überhaupt nicht auf. Wir stehen im Begriff, ein Geschäft abzuschließen, und da ist es geraten, seine Kaltblütigkeit und Überlegung zu bewahren. Ihr Großvater muß benachrichtigt werden. Das muß auf eine Art geschehen, welche mich keiner Gefahr aussetzt! Ebenso die Auszahlung des Geldes. Ist ihm Ihre Handschrift bekannt?“

„Das versteht sich wohl ganz von selbst.“

„Haben Sie einen Siegelring anstecken?“

„Nein.“

„Gut. Sie werden schreiben. Vorher aber muß ich Ihnen einiges sagen. Sobald ich nämlich merke, daß Ihr Großvater die Polizei beauftragt, mir entgegenzuarbeiten, sind Sie verloren. Ich würde Sie dann selbst gegen Geld nicht freigeben.“

„Aber die Polizei wird vielleicht bereits nach mir suchen.“

„Dagegen habe ich nichts. Nur Ihr Verwandter soll sich davon fernhalten. Meine Adresse wird natürlich nicht in Ihrem Brief stehen. Ich werde das Geld da und so in Empfang nehmen, wo und wie ich keine Gefahr für mich zu befürchten habe. Sie schreiben also, daß der General keine Nachforschungen anstellen und sodann, daß er übermorgen vormittags punkt zehn Uhr sich zu Fuß und ohne Waffen auf der Straße von Passy nach Saint Germain einfinden soll. Er hat das Taschentuch in der linken Hand zu halten und wird einem Reiter begegnen, welcher ihm eine von Ihnen geschriebene Quittung gibt, um dafür dort auf offener Straße das Geld in Empfang zu nehmen. Dieses letztere hat nur in Gold zu bestehen, er darf dasselbe in einem Köfferchen mitbringen. Wird bemerkt, daß geheime Vorbereitungen getroffen sind, den Reiter zu fangen, so schießt derselbe Ihren Großvater nieder. Ist der letztere aber ehrlich, so werden Sie des Abends freigelassen.“