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„Schön. Und das Innere des Hauses?“

„Ist mir unbekannt. Ich kenne nur ein Zimmer des ersten Stockwerks, welches nach dem Hof hinaus liegt, und in dem wir zu spielen pflegen.“

„Schön. Wir werden jedenfalls die Laterne mitnehmen müssen.“

„Allerdings. Weiter läßt sich nichts vorbereiten. Wir müssen uns nach dem Augenblick richten.“

„Und wann brechen wir auf?“

„Sofort.“

„Teilen wir die Revolver?“

„Natürlich. Jeder zwei.“

„Ah! Da fällt mir ein, daß wir doch die Hauptsache vergessen haben. Wenn man mich nun fragt, wer ich bin?“

„Wirklich, wirklich! Daran dachte ich nicht, das ist allerdings ein höchst kitzliger Punkt. Für einen ehrlichen Kerl darfst du dich nicht ausgeben.“

„Das ist mir Wurst wie Haut. Ich habe heute all mein Ehrgefühl verloren und will ein Spitzbube werden.“

„Aber was für einer.“

„Wie wäre es, wenn ich mütterlicherseits ein Urenkel vom Schinderhannes und väterlicherseits ein Großonkel des Bayrischen Hiasel wäre?“

„Laß das Scherzen.“

„Ein Paletotmarder?“

„Ist nichts.“

„Ein ausgewiesener Sozialdemokrat aus Sibirien?“

„Unsinn! Du gibst dir irgendwelchen Namen und bist nach der Hauptstadt gekommen, weil du –“

„Weil – ah, da fällt mir es ein“, unterbrach ihn der Diener. „Sie erzählten ja, daß Franctireurs angeworben werden sollen! Ich bin also nach Paris gekommen, weil ich munkeln gehört habe, daß man hier Leute sucht, welche zu diesem Geschäft passen.“

„Das mag gehen.“

„Gut, so gehe ich auch! Adieu, Monsieur Belmonte.“

Er ging zur Tür hinaus, wohlgemut und trällernd, als ob es sich darum handle, eine Vergnügungspartie anzutreten.

Sein Herr folgte ihm bald. Er hatte die Revolver eingesteckt, den Totschläger und das Laternchen ebenso. Er begab sich zunächst nach seiner zweiten Wohnung, in deren Nähe er die Haartour anlegte und den tänzelnden Schritt annahm.

Als er stolz an dem Portier vorüberging, murmelte dieser ärgerlich in den Bart:

„Dieser Mensch kann nicht grüßen! Gestern abend fort und jetzt erst wieder zurück! Wo mag sich der Kerl herumtreiben. Da lobe ich mir seinen Nachbarn welcher seit gestern abend noch nicht ausgegangen ist. Jetzt nun wird er wohl ein wenig Luft schöpfen. Es ist ihm zu gönnen.“

Wirklich kam dieser scheinbare Nachbar, in seine Bluse gekleidet, bereits nach einigen Minuten herab.

„Spazieren, Monsieur?“ fragte der Portier freundlich.

„Ja, mein Lieber. Aber nicht lange. Man hat zu arbeiten.“

„Sie scheinen mit Ihrem Nachbar gar nicht zu sympathisieren?“

„Wieso?“

„Wenn er kommt, so gehen Sie, und wenn Sie kommen, so geht er.“

„Wir sprechen allerdings gar nicht miteinander. Auf Wiedersehen.“

„Wiedersehn!“

Als Belmonte, denn dieser war es wirklich, in den Schankkeller trat, saßen nur zwei Gäste in dem vorderen Raum. Er kannte sie nicht. Sollte Martin so zuversichtlich gewesen sein und sogleich in die nächste Abteilung getreten sein, aus welcher ein wüstes Schreien und Lachen herausscholl?

Eine Kellnerin war auch nicht vorhanden. Beide waren wohl augenblicklich beschäftigt. Bald aber trat Sally ein, welche sich außerordentlich freute, als sie ihn erblickte. Er hatte sich in die Ecke zurückgezogen, in welcher er gestern mit ihr gespielt hatte und verlangte eine Flasche Wein. Nachdem sie ihm dieselbe gebracht hatte, nahm sie an seiner Seite Platz.

„Hast du denn Zeit, heute hier zu sitzen?“ fragte er.

„Warum nicht?“

„Weil darin viele Gäste zu sein scheinen. Da gilt es, aufmerksam zu bedienen.“

„Gerade deshalb kann ich abkommen. Heute gibt es viel Trinkgeld; da sieht es Betty gern, wenn ich ihr allein die Gäste überlasse.“

„Viel Trinkgeld? Was ist denn los?“

„Es werden Rekruten für die Franctireurs gemacht. Man trinkt nur Wein.“

„Gibt es denn Leute, welche sich anwerben lassen?“

„Ja. Der Emissär des alten Kapitäns ist tagsüber sehr tätig gewesen. Jetzt nun kommen sie nach und nach herbei. Der letzte kam vor kaum einer Viertelstunde und sitzt nun auch bereits bei ihnen.“

„Kennst du ihn?“

„Nein. Er wurde gefragt. Es ist ein relegierter Student der Weltweisheit aus Tours. Er hat bereits mit allen Brüderschaft getrunken und zu diesem Zweck ein ganzes Dutzend Wein gegeben. Bei jedem Schluck singt er eine lateinische Strophe. Horch, da wieder!“

Der Changeur lauschte und hörte die Worte:

„Bos bos dice tur, terris abicunque videtur.“

„Was heißt das?“ fragte das Mädchen.

„Kommt ein Ochs in fremdes Land, wird er gleich als Rind erkannt.“

„Sonderbar! Diese Studenten sind eigentümliche Menschen. Er ist überhaupt ein hübscher, allerliebster Junge!“

Der Changeur hatte die Stimme Martins erkannt. Dieser wollte ihn jedenfalls hören lassen, wo er sich eben befinde.

„Gefällt er dir?“

„Nicht so, wie du“, antwortete sie.

„Schmeichelkätzchen! Wo ist der Wirt?“

„In der Seitenstube. Brecheisen, Dietrich und noch drei sitzen bei ihm. Sie trinken schweren Wein und scheinen über außerordentliche Geheimnisse zu verhandeln. Vater Main bedient selbst. Weder ich noch Betty darf hinein.“

„Hat man gestern oben noch gespielt?“

„Nein. Aber bemerkt habe ich, daß man irgend etwas durch das Hoftor gebracht hat.“

„Jedenfalls Ware!“

„Hm!“ brummte das Mädchen nachdenklich.

„Nicht?“ fragte er so unbefangen wie möglich.

„Ich darf nichts sagen.“

„Pah! Wer zwingt dich zum Schweigen?“

„Der Wirt.“

„Ich denke, du willst fort von hier?“

„Kann ich denn bei den Schulden, die ich vorher an Vater Main zu bezahlen hätte? Fortzukommen wäre mir nur dann möglich, wenn du es gestern ernst gemeint hättest.“

„Ich habe es ernst gemeint, Sally. In solchen Sachen treibe ich niemals Scherz.“

„Mein Gott! Wie glücklich würde ich sein!“ flüsterte sie, indem ihre Augen aufleuchteten. „Bist du denn wohlhabend?“

„Hm, für eine gute Freundin habe ich immer einige Franken übrig.“

„Oh, es ist mehr als nur einige Franken!“

„Wieviel bist du schuldig?“

„Über dreihundert. Und wenn ich zu meinem Bruder will, brauche ich doch auch noch einiges Geld. Also vierhundert Franken. Hätte ich sie, so könnte ich ein braves, ehrliches Mädchen werden. Nun aber ist dies doch unmöglich.“

„Man darf nicht verzweifeln. Vierhundert Franken würde ich wohl noch für dich zusammenbringen.“

Dann fuhr sie schnell nach seiner Hand, faßte dieselbe und sagte:

„Ist's wahr, ist's wahr? Oh, welch ein Glück! Ich wollte Tag und Nacht arbeiten, um dir diese Summe einst zurückgeben zu können.“

„Ich schenke sie dir – oder vielmehr, du könntest unter Umständen noch mehr erhalten.“

Sie blickte ihn ganz erstaunt an.

„Noch mehr? Das ist doch ein Scherz. Sei aufrichtig mit mir, lieber Arthur.“

Er ließ ihr seine Hand, rückte ein wenig näher an sie heran und antwortete:

„Ich will aufrichtig sein. Ich habe einen Freund, einen reichen, sehr reichen Mann, der sich freuen würde, wenn du ein gutes Mädchen werden wolltest. Er würde dir geben, was du zum Eintritt in ein besseres Leben bedarfst, nur aber müßtest du ihm beweisen, daß es dir wirklicher, voller Ernst ist.“

„Wie gern, wie gern würde ich ihm das beweisen. Aber wie soll ich dies anfangen?“

„Das möchte ich dir gern sagen, wenn ich nur wüßte, ob ich mich auf dich verlassen kann.“

„Ist es etwas Unrechtes?“